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geschrieben von: Redaktion am 13.02.2010, 13:57 Uhr
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Zum Sommerfest der Treberhilfe im letzten Jahr stellte deren Geschäftsführer Harald Ehlert zum ersten Mal sein Projekt „Social Profit“ vor. Im seinerzeitigen Zwischenbericht war von 19 Prozent Profit die Rede. Nachdem die Studie nun vorliegt, sind es immerhin noch 15 Prozent. Aber, so merkte Harald Ehlert am Rande einer Fachtagung am 12. Februar im Rathaus Schöneberg an, dass sich diese Zahl noch steigern würde, wenn man über mehrere Jahre die Erhebungen fortsetze. Mit Unterstützung von „Kienbaum Consultants International“, einem der bekanntesten und renommiertesten Unternehmensberatungen weltweit, wollte und hat Harald Ehlert bewiesen, dass sich seine gemeinnützige GmbH für den Steuerzahler rechnet. Mit diesem Modell hat es die Treberhilfe sogar bis ins „Handelsblatt“ geschafft. Dort wird folgende Rechnung aufgemacht: „Die Treberhilfe hat 2008 rund 12,2 Mio. Euro an öffentlichen Mitteln erhalten, um Menschen in Notlagen zu helfen. Zurückgeflossen sind laut der Berechnung rund 14 Mio. Euro, indem Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, Haft oder Psychiatrie mit ihren jeweils hohen Kosten für den Staat vermieden wurden. Der so genannte Social Profit beträgt demnach 1,8 Mio. Euro, was einer sozialen Rendite von 15 Prozent entspricht. Für jeden Euro aus Haushaltsmitteln finanzierten Leistungen fließt also 1,15 Euro an staatliche Institutionen zurück. Für den Zeitraum von 2008 bis 2011 erwarten die Kienbaum-Berater durch positive Nachwirkungseffekte sogar eine durchschnittliche Jahresrendite von rund 83 Prozent.“
In Berlin wurden 2009 1,4 Milliarden Euro an die rund 1.400 freien Träger in der Stadt überwiesen, um damit „Menschen in Notlagen zu helfen“. Der „Markt“ ist groß, jeder will rein, keiner will raus. Das könnte sich, wenn Kienbaums-Rechenmodell allgemein verbindlich würde, bald ändern. Und so prognostiziert Michael Müller eine dramatische Veränderung der Trägerlandschaft.
So gut besucht, wie bei der Fachtagung zum Thema „Social Profit“ ist der BVV-Saal im Rathaus Schöneberg bei seinen regulären Sitzungen selten. Über 200 Vertreterinnen und Vertreter aus gemeinnützigen Organisationen, der Politik und der Verwaltung waren gekommen, um etwas über Profit zu lernen, ein Thema, mit dem sie normaler Weise nicht beschäftigt sind. Ein gemeinnütziger Träger muss nicht darauf achten, Gewinn aus seiner Tätigkeit abzuschöpfen, sondern nur, dass er mit einer schwarzen Null abschließt. Es ist schon mehrfach vorgekommen, dass freie Träger pleite gingen. Das kann staatlichen Stellen nicht passieren. Beim Staat rechnet man ganz anders, nämlich ob eine soziale Leistung der Kommune preiswerter von einem freien Träger angeboten werden kann, als von ihr selbst. In den meisten Fällen geht diese Rechnung zugunsten der freien Träger aus, was das Anwachsen dieser in den letzten Jahren erklärt.
Der Staat zieht sich zunehmend auf seine „Kernaufgaben“ zurück und überlässt die Arbeit den freien Trägern. Staatliche Stellen bearbeiten lediglich noch Anträge, weisen Geld an die Träger an und überprüfen die Abrechnungen. Warum staatliche Angebote teurer als die der freien Träger sind, ist leicht zu erklären: Es geht im Wesentlichen ums Personal, das für andere Konditionen bei den Trägern tätig ist, als bei Vater Staat. Das bedeutet nicht, dass die Mitarbeiter der freien Träger minder qualifiziert sind, sie haben nur andere Verträge. Mit Betriebsräten oder Gewerkschaften haben die meisten freien Träger nichts zu tun. Wenn zum Beispiel gestreikt wird, dann trifft es die Kindertagesstätten der staatlichen Eigenbetriebe, aber nicht die der freien Träger. Außerdem entstehen bei freien Trägern geringere Overheadkosten. Alles ist schlanker organisiert, wodurch viele Abläufe schneller und effektiver sind als in den Behörden.
Eine Maßnahme ist eine Maßnahme und kostet so und so viel Geld. Dafür gibt es Sätze. Der Staat legt wert auf möglichst kurze Maßnahmen. Hatte man sich früher oft Zeit gelassen, um einen jungen Menschen wieder auf den Pfad der Tugend zu bringen, muss das heute aus Geldknappheit schneller funktionieren. Einerseits kann keine Hilfemaßnahme im Schweinsgalopp durchgezogen werden, andererseits muss sie auch nicht unnötig lange dauern. Ein Jugendlicher mit Problemen ist erst einmal ein Kostenfaktor für den Staat. Heimunterbringung oder gar Gefängnis sind teure Angelegenheiten. Wenn es gelingt, den jungen Menschen wieder zurück in die Gesellschaft zu bringen, vielleicht sogar noch mit einem Job, dann ist das Ziel erreicht und der finanzielle Einsatz des Staates hat sich gelohnt. Am 3. Januar 2010 veröffentlichte die Treberhilfe im TAGESSPIEGEL eine halbseitige Anzeige.
Die Treberhilfe wartet nicht darauf, bis sie jemand nach dem Erfolg ihrer Arbeit fragt, sondern kommt mit Zahlen und Fakten daher. Die Öffentlichkeitsarbeit der Treberhilfe ist hervorragend. So wie Wirtschaftsunternehmen Bilanzen und Geschäftsberichte veröffentlichen, würde man sich dies auch von gemeinnützigen Organisationen wünschen. Die Steuerzahler haben ein Recht darauf zu erfahren, was mit ihrem Geld geschieht. Kann man aber Wirtschaftsunternehmen und gemeinnützige Organisationen miteinander vergleichen?
Auch Tom Feldkamp, Projektleiter bei Kienbaum, der im Podium einer der drei Foren der Fachtagung saß, sagte, dass man Wirtschafts- und Sozialunternehmen nicht Eins zu Eins vergleichen könne. Alexander Kraus, Vorstandsvorsitzender des Bundes der Steuerzahler Berlin e.V., zweifelte an, ob es in der Berechnung des Social Profit gerechtfertigt sei, auch die Sozialausgaben der Mitarbeiter der Treberhilfe mit einzubeziehen. Diese Sozialausgaben wurden als Rückfluss an den Staat ausgewiesen. Man könne doch davon ausgehen, so Kraus, dass die Mitarbeiter, würden sie nicht bei der Treberhilfe tätig sein, nicht zwingend arbeitslos wären also einen anderen Job hätten, bei dem sie auch Sozialabgaben zu leisten hätten. Tom Feldkamp bestand jedoch darauf, diese Leistungen wie alle anderen mit einzubeziehen, um ein ganzheitliches Bild zu erlangen.
Die Teilnehmerliste der Fachtagung war prominent besetzt, Staatssekretäre, Fraktionsvorsitzende, haushaltspolitische Sprecher, Geschäftsführer von freien Trägern und leitende Mitarbeiter von Banken und Wirtschaftsunternehmen. So begrüßte Harald Ehlert unter anderem den CDU-Abgeordneten und wissenschaftspolitischen Sprecher seiner Fraktion Nicolas Zimmer und den CDU-Generalsekretär Bernd Krömer.
Krömer sieht in der Social Profit-Berechnung eine wichtige Rechtfertigung für die Branche und eine Grundlage für die Wirksamkeit der Projekte. Kein Teilnehmer, der sich in den Plena oder Foren gänzlich ablehnend gegenüber dem Kienbaum-Modell zeigte. Bedenken gab es allerdings reichlich. „Es ist natürlich immer ein bisschen schwierig, den Erfolg eindeutig zuzuordnen", sagt Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Eichhorn, Emeritus an der Universität Mannheim gegenüber dem „Handelsblatt“. „Darum hätten sie ‚eher konservativ gerechnet’, sagt er. Auch Rückfallquoten seien berücksichtigt. Der Betriebswirt forscht seit vielen Jahren auf dem Gebiet; auf seiner Idee fußt das Kienbaum-Konzept.“
Dr. Annette Fugmann-Heesing (SPD), ehemalige Finanzsenatorin in Hessen und Berlin und heutige Abgeordnete, sagte dem „Handelsblatt“: „Das Modell kann sehr gut als Grundlage dienen. Man muss das jetzt erproben." „Mehrere öffentliche Träger haben“, laut „Handelsblatt“, „bereits Interesse angemeldet, etwa die Diakonie oder die Arbeiterwohlfahrt. Die Branche der sozialen Dienstleister ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Allein Caritas und Diakonie haben mehr als 90.000 Dienste und Einrichtungen und mehr als eine Million hauptamtliche Mitarbeiter. ‚Der Sektor ist ein riesengroßes Geschäft’, sagt Alexander Kraus vom Berliner Bund der Steuerzahler. ‚Die haben natürlich auch ein Interesse daran, sich wirtschaftlich zu zeigen.’
Im Beitrag des „Handelsblatts“, der drei Tage vor der Fachtagung erschien, heißt es weiter: „Wissenschaftler betrachten das Konzept allerdings kritisch. ‚Es ist im Ansatz gut und richtig, aber ich halte das nur für bedingt durchsetzbar’, sagt Nikolaus Dimmel, Professor am Salzburger Institut für Social Profit Management. Nicht jede Leistung sei volkswirtschaftlich berechenbar; die moralischen, ethischen Aspekte dürften nicht zu kurz kommen. Der Grenzen des Ansatzes ist sich Eichhorn bewusst. ‚Wir haben keine Weltformel gefunden’, sagt er. Es sei ein rein haushaltspolitischer Ansatz, der erste empirische Versuch aus Haushaltssicht. ‚Wir geben den Haushältern und den sozialwirtschaftlichen Unternehmen eine Hilfe an die Hand, aber natürlich muss man andere Aspekte auch berücksichtigen’, sagt er. ‚Wirtschaftlichkeit soll nicht über soziale Verantwortung gestellt werden’, ergänzt Tom Feldkamp. Seiner Meinung nach lässt sich das Konzept auf jedes sozialwirtschaftliche Unternehmen übertragen, wenn nur die richtigen Faktoren und Ziele berücksichtigt werden. ‚Ich sehe durchaus noch die Herausforderung, das generell verbindliche Konzept für einzelne Träger umsetzbar zu machen.’ Bei jeder Organisation müsse man wieder neu nachjustieren. Sein hehres Ziel: ‚Wir wollen uns dahin entwickeln, dass diese Kennzahl ein Muss ist“.
Viele freie Träger sehen sich durch dieses Projekt getrieben. Zwar habe niemand gegenwärtig vor, daraus ein Gesetz zu machen, aber wenn sich die Formel durchsetzt, könnte es dazu führen, was Michael Müller in seinem Statement befürchtet, nämlich eine dramatische Veränderung der Trägerlandschaft.
Steuergelder sind Steuergelder, sollte man meinen. Ganz so einfach ist die Betrachtung jedoch nicht. Es ist natürlich nicht so, dass derjenige, der 100 Prozent der Sozialkosten aufwendet, mit einem Rückfluss von 115 Prozent rechnen kann. Denn, so heißt es in einer Pressemitteilung von Kienbaum: „Größter Profiteur des von der Treberhilfe erwirtschafteten Social Profit sind die Sozialversicherungsträger und hier insbesondere die Arbeitslosenversicherung. Gut zwei Drittel des erwirtschafteten Social Profit fließen in die Arbeitslosenversicherung. Diese profitiert in zweierlei Hinsicht: einerseits durch die Einsparung von Leistungen, andererseits durch zusätzliche Beitragseinnahmen.“ Und was hat das Land Berlin davon? Rechnerisch nichts, denn es zahlt die volle Summe ohne dafür etwas angerechnet zu bekommen. Also doch ein schlechtes Geschäft? Belohnen die Sozialversicherungsträger das Land Berlin? Wohl kaum.
Aber wichtiger als dieser Aspekt sind ganz andere. Es gibt große und kleine Träger. Die Treberhilfe kann sich die Unterstützung von Kienbaum leisten. Aber auch andere? Was ist mit den vielen kleinen Trägern, die eine ebenso hervorragende Arbeit leisten wie die Treberhilfe? Und was passiert mit einem Träger, der nicht 15 Prozent Plus, sondern 5 Prozent Minus macht. Wohl gemerkt, nicht in seiner Bilanz, sondern nach der Kienbaum-Formel. Der Staat muss darauf achten, dass ein freier Träger wirtschaftlich arbeitet. Aber, Jugend- und Sozialhilfeleistungen müssen meines Erachtens erst einmal als abgeschrieben gelten, das gilt für den präventiven Bereich ebenso wie für den konkreter Einzelfallhilfen. Die so genannten Rückflüsse sind rein theoretisch. Wenn ein jugendlicher Treber betreut wird und diese Hilfe den Betrag X kostet, dann muss dem Saat das Wert sein. Wenn der Jugendliche nach der Hilfe eine eigene Wohnung beziehen kann und einen Job findet, dann ist das erst einmal das Ziel der Hilfe, worauf alle hinarbeiten. Das ist Sinn und Zweck der Maßnahme. Wem nützt es zu errechnen, wie viel der Staat nun einspart, wenn er nicht mehr eine Heimunterbringung und Arbeitslosengeld zahlen muss? Die große Gefahr dabei sehe ich in dem Punkt, dass der Staat nur noch auf die Formel schaut und die Träger bevorzugt, die eine hohe Rendite nicht nur versprechen, sondern auch nachweisen können. Es gibt mit Sicherheit Fälle, wo eine Eingliederung in die Gesellschaft nicht möglich ist, der Klient aber betreut werden muss. Hier entstehen nur Kosten, und es fließt nichts zurück in die Sozialkassen.
Noch einmal: Freie Träger müssen Rechenschaft über ihre Arbeit und die Verwendung der Steuermittel ablegen. Sie müssen auch wirtschaftlich handeln. Was aber erforderlich ist, um einen Menschen in einer Notlage zu helfen, MUSS unabhängig von jeder Renditeerwartung aufgewendet werden. Ich halte viel von Wirtschaftlichkeit, aber nichts davon, Sozialunternehmen wie Wirtschaftsbetriebe zu führen. Was sagte Nikolaus Dimmel, Professor am Salzburger Institut für Social Profit Management: Nicht jede Leistung sei volkswirtschaftlich berechenbar; die moralischen, ethischen Aspekte dürften nicht zu kurz kommen!“
Ed Koch
Die Studie kann bei der Treberhilfe für 7 Euro plus Versandkosten bestellt werden: www.treberhilfe.de. Weitere Infos unter www.social-profit.de
paperpress hat zwei Exemplare von der Treberhilfe käuflich erworben und vergibt diese an Interessenten, die sich bei uns per E-Mail: paperpress@berlin.de, per Fax: 705 25 11 oder schriftlich: Postfach 42 40 03melden. Gehen mehr als zwei Nachrichten ein, werden die Exemplare am 26.2.2010 verlost.
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