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geschrieben von: Redaktion am 25.07.2013, 11:27 Uhr
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Kaum hat man sich von der Nachricht, dass BILD und BZ zusammengelegt werden sollen, erholt, kommt die nächste Hiobs-Botschaft aus dem Springer-Verlag. Das „Hamburger Abendblatt", die „Berliner Morgenpost" und die Fernsehzeitung „Hörzu" sollen verkauft werden. Das meldet heute SPIEGEL-ONLINE Wirtschaft.
„Es ist ein Paukenschlag in der Medienbranche: Der Springer-Verlag trennt sich von den Regionalzeitungen Berliner Morgenpost und Hamburger Abendblatt“, schreibt SPIEGEL-ONLINE. „Käufer ist der Verlag der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (Funke Mediengruppe), der Kaufpreis beträgt 920 Millionen Euro. Auch das einstige Flaggschiff Hörzu wird veräußert.“
„Es sei ein entsprechender rechtsverbindlicher Vorvertrag geschlossen worden“, heißt es weiter. „Der Verkauf müsse noch von den Kartellbehörden genehmigt werden. Damit sei nicht vor Ende des Jahres zu rechnen. Die Regionalzeitungen und Zeitschriften sollen mit wirtschaftlicher Wirkung zum 1. Januar 2014 verkauft werden.“
Als geradezu zynisch ist die Äußerung des Springer-Verlags zu bewerten, wenn dieser den Verkauf als „weiteren bedeutenden Schritt bei der Umsetzung der Strategie, das führende digitale Medienunternehmen zu werden" bezeichnet. „Die Regional-, Programm- und Frauenzeitschriften trugen laut Verlag 2012 knapp 95 Millionen Euro zum Gewinn und 512 Millionen Euro zum Umsatz bei.“ Warum verkauft man etwas, was Gewinn bringt?
Dahinter steckt eine besondere Strategie der Zusammenarbeit zwischen Springer und Funke. Sie hätten vereinbart, „Gemeinschaftsunternehmen für Vertrieb und Vermarktung zu gründen.“ Wie viele Arbeitsplätze dadurch verloren gehen, ist noch nicht bekannt.
BZ und Berliner Morgenpost sind die alten Berliner Ullstein-Blätter. Axel Springer hegte stets eine besondere Beziehung zu Ullstein. Vermutlich würde er im Grab rotieren, wenn er mitbekäme, dass das Traditionsblatt Berliner Morgenpost verscherbelt wird. Was wird nun aus der Redaktionsgemeinschaft Berliner Morgenpost – DIE WELT? DIE WELT dürften Springers Erben wohl kaum verkaufen dürfen.
Die Berliner Morgenpost ist nicht irgendeine Zeitung. Sie ist Bestandteil des Dreiklangs der Abonnementzeitungen Der Tagesspiegel, Berliner Zeitung und eben Berliner Morgenpost. Die Morgenpost hat sich bei ihrem Verlag immerhin sehr lange gehalten. Schaut man sich die Geschichte des Tagesspiegel und der Berliner Zeitung an, wird einem durch den ständigen Wechsel der Eigentümer ganz schwindelig. Das Verlagswesen ist weit verzweigt und verzahnt, Tagesspiegel und Berliner Zeitung erschienen teilweise in einem Verlag, wenn auch eher durch die Hintertür, da die Kartellwächter es nicht zuließen, dass beide Zeitungen bei Holtzbrinck erscheinen sollten. Nun gehören die Berliner Zeitung zur DuMont Mediengruppe und der Tagesspiegel zu Holtzbrinck. Herausgeber der einen Zeitung sind Chefredakteure einer anderen, alles sehr verworren. Die Hin- und Herverkäufe haben zwar die Zeitungstitel erhalten, aber doch mit großen Reibungsverlusten beim Personal. Auch qualitativ haben die Verkäufe keine positiven Auswirkungen gehabt.
Natürlich versuchen sich die Zeitungen über ihre Welt-, Deutschland- und Wirtschaftsteile zu profilieren, um möglichst oft in den Presseschauen erwähnt zu werden. Vernachlässigt wurde und wird der Lokalteil. Die Stadtpolitik kommt zwar in der Berichterstattung vor, die Kleinteiligkeit bleibt jedoch auf der Strecke. Berlin hat zwölf Bezirke von Großstadtformat. Aus diesen zwölf Bezirken erfährt man in den Tageszeitungen wenig. Kleine Randspalten sind übrig geblieben. Dabei sind die Ereignisse in einem Bezirk für die dort Wohnenden besonders wichtig. Die einzige Quelle, die bleibt, sind die Wochenblätter. Die Berliner Woche hat allein 33 Lokalausgaben, kleinteiliger geht es nun wirklich nicht, auch wenn vornehmlich anzeigentechnische Überlegungen dahinter stecken. Aber, die Leute erfahren, was in ihrem Kiez geschieht. Das erfahren sie in dem Umfang aus den großen Tageszeitungen nicht, was sehr schade ist.
Die Berliner Woche gehört zum Springer-Verlag, das Berliner Abendblatt zum Berliner Verlag bzw. zu dem Tochterunternehmen BVZ Berliner Anzeigenzeitungen GmbH. Die komplette Redaktion des Berliner Abendblattes wurde vor einiger Zeit rausgeworfen. Jetzt wird das Blatt von einer Agentur gemacht. Das jetzige mit dem früheren Abendblatt ist nicht vergleichbar, vor allem ist der Umfang der lokalen Berichterstattung geschrumpft. Immer mehr Durchläufer, also Artikel, die in allen Ausgaben erscheinen, bestimmen das Bild. Somit ist die Berliner Woche die einzige verbliebene ausführliche Lokalzeitung der Hauptstadt.
Einst erfüllte diese Aufgabe die Berliner Morgenpost. Die Lokalredaktion war sehr gut besetzt. Es gab lange Zeit sogar vier Lokalausgaben, die man an Sternchen auf der Titelseite erkannte. So gab es eine Ausgabe für Neukölln, Tempelhof und Steglitz. Da war genügend Platz vorhanden, um über alle interessanten Kleinigkeiten aus der Nachbarschaft zu berichten. Übrig geblieben ist ein Bezirksradar, in dem in wenigen Zeilen über Lokales berichtet wird, ohne Tiefgang und mit wenigen Hintergrundinformationen. Es gibt, wenn man Lokalinformationen haben möchte, keinen Grund mehr, eine Tageszeitung zu abonnieren.
Die Morgenpost hat zumindest das ständige Verlagswechseln wie bei den anderen bislang überstanden. Damit ist nun auch Schluss. Eine Berliner Traditionszeitung wird verscherbelt. Über die Auswirkungen werden wir in den nächsten Monaten mehr erfahren. Dass erneut ein Personalabbau stattfinden wird, ist wahrscheinlich. Und mit weniger Personal geht stets weniger Qualität einher. 1998 hatte die Morgenpost eine Auflage von 180.000 Exemplaren, 2012 nur noch 120.000. Man müsste sich einmal etwas überlegen, um die Zahlen wieder nach oben zu bringen, beispielsweise durch eine umfangreichere Lokalberichterstattung. Daran scheinen die Strategen kein Interesse mehr zu haben.
Früher hatte man die Verlegerpersönlichkeiten im Haus. Über Axel Springer (Morgenpost) und Franz Karl Maier (Tagesspiegel) kann man denken, was man will. Sie waren ihre Zeitung. Sie allein. Heute blickt bei den ganzen Verflechtungen, Vorständen, Aktionären und sonstigen Mitmischern niemand mehr durch, am allerwenigsten vermutlich die Journalisten der Zeitungen selbst. Franz Karl Maier war ein knochiger Zeitgenosse, mit dem man gut in Streit geraten konnte. Aber, er war eine gestandene Persönlichkeit mit einer Botschaft und einer Überzeugung. Da ging es um hohe journalistische Ansprüche, um Qualität. Da war es eine Freude, Artikel zu lesen. Diese konnte man als vorbildliche Beispiele des Umgangs mit der deutschen Sprache im Schulunterricht verwenden. Und heute? Schwamm drüber.
Schauen wir zum Schluss noch ein wenig auf die Geschichte der Berliner Morgenpost, wie sie bei wikipedia beschrieben ist.
Die Berliner Morgenpost ist eine 1898 gegründete Berliner Tageszeitung, die heute zum Axel-Springer-Verlag gehört (bald nicht mehr, Anm.d.Red.). Chefredakteur ist Carsten Erdmann. Die Morgenpost hat eine verkaufte Auflage von 118.037 und erreicht damit im Durchschnitt 360.000 Leser. Die Zeitung erscheint täglich.
Die erste Ausgabe erschien am 20. September 1898. Ihr Gründer und Verleger war Leopold Ullstein.
Nach Hitlers Machtantritt 1933 wurde der Ullstein-Verlag schrittweise »arisiert« und 1937 in Deutscher Verlag umbenannt. Zwar erschien die Berliner Morgenpost weiter, doch nun de facto als ein Organ des Nazi-Pressetrusts Franz Eher Nachf. München, des Zentralverlages der NSDAP. Zahlreiche jüdische Mitarbeiter von Verlag und Redaktion der Berliner Morgenpost wurden entlassen und verfolgt, in die Emigration getrieben oder deportiert und ermordet. Stellvertretend für sie alle genannt seien Paul Hildebrandt (1870–1948), der von 1943 bis 1945 im KZ Buchenwald eingekerkert war, und Elise Münzer (1869–1942), die in Malý Trostinec umgebracht wurde.
Im Zweiten Weltkrieg wurde der Berliner Lokal-Anzeiger mit der Berliner Morgenpost vereinigt. Nach der Niederlage des Deutschen Reiches wurde das Weitererscheinen 1945 vom Alliierten Kontrollrat verboten, bis die Berliner Morgenpost im September 1952 von Rudolf Ullstein, einem Sohn des Verlagsgründers, im wiederhergestellten Ullstein-Verlag neu herausgebracht wurde. Der Verlag wurde schrittweise 1956 bis 1959 von Axel Springer übernommen.
Die Traditionszeitung bietet neben ihrer überregionalen Berichterstattung einen großen Regional-teil. (Darüber kann man geteilter Meinung sein, Anm.d.Red.) Darüber hinaus hat die Berliner Morgenpost den größten Immobilien- und Stellenmarkt unter Berlins Tageszeitungen sowie einen umfangreichen Automarkt. Am Sonnabend liegt der Zeitung seit 2006 die Berliner Kinderpost bei. Am Sonntag erscheint die Berliner Morgenpost mit der traditionsreichen Berliner Illustrierten Zeitung. Seit September 2008 erscheint zudem jeden Sonnabend Berliner Morgenpost Wochenend-Extra, eine Wochenzeitung in Millionenauflage, die kostenlos an die Berliner Haushalte verteilt wird.
Die Berliner Morgenpost wird gemeinsam mit der WELT und der Welt am Sonntag herausgegeben. Seit 2006 nutzen alle drei Zeitungen eine Gemeinschaftsredaktion. (Was wird daraus?, Anm.d.Red.)
Am 26. Oktober 2012 gab der Verlag Axel Springer bekannt, die Redaktion der Berliner Morgenpost noch vor dem Jahresende mit der des Hamburger Abendblattes zusammenzulegen. Diese Zentralredaktion soll in Berlin angesiedelt werden. In Hamburg bleibt dann nur noch eine Abendblatt-Lokalredaktion bestehen. Diese Maßnahme ist auch im Zusammenhang mit der am 30. Juni 2013 auslaufenden beim Berlin-Umzug der Bild-Zeitung gegebenen fünfjährigen Standortgarantie für Hamburg zu sehen.“
Ed Koch
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