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geschrieben von: Redaktion am 24.09.2013, 20:47 Uhr
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Um sich diesem Thema zu nähern, muss man ein wenig ausholen und mal wieder mit der Floskel „Damals war es so…“ beginnen. Der stärksten Fraktion in einer Bezirksverordnetenversammlung standen widerspruchslos der Vorsteher und der Bezirksbürgermeister zu. In Tempelhof-Schöneberg durfte schon mal ein Mitglied der zweitstärksten Fraktion Vorsteher werden, was in diesem speziellen Fall nicht schlecht war, aber dennoch ein Sündenfall. Zumal hier deutlich wurde, dass diese Funktion als Verhandlungsmasse bei der Bildung einer Zählgemeinschaft eingesetzt wurde.
Sucht man das Berliner Bezirksverwaltungsgesetz nach dem Begriff „Zählgemeinschaft“ ab, erhält man keinen Hinweis. Was ist also eine Zählgemeinschaft? „Eine Zählgemeinschaft dient dem Zusammenführen von Stimmen für mehrere Listen einer Wahl zur Erlangung eines besseren gemeinsamen Ergebnisses. Ob dies für eine bestimmte Wahl zulässig ist, wird in den entsprechenden Gesetzen oder Verordnungen geregelt. Gelegentlich kommt es zu juristischen Auseinandersetzungen darüber mit dem Argument, dass Zählgemeinschaften zu Verzerrungen des Wahlergebnisses führen könnten. Die Stimmenzuführung bei der Wahl führt hier nicht zu einer Koalition. Die dadurch gewählten Vertreter sind also nach der Wahl keinen gemeinsamen Verträgen verpflichtet.“ (Quelle: wikipedia)
Zählgemeinschaften werden hauptsächlich gebildet, um einen Bezirksbürgermeister zu wählen, dessen Partei nicht unbedingt die stärkste Fraktion bildet. In Tempelhof-Schöneberg haben die CDU 19, die SPD 16, die Grünen 15, die Piraten drei und die Linke zwei Bezirksverordnete. Auf dem ersten Blick erkennt man, dass die CDU nach alter Lesart Vorsteher und Bürgermeister stellen könnte. SPD und Grüne haben jedoch eine Zählgemeinschaft gebildet und eine Sozialdemokratin zur Bürgermeisterin gewählt. Auch das ist, was die Personen anbelangt, nicht zu kritisieren, vor allem, wenn man auf den CDU-Kandidaten schaut. Dennoch: Die Rot-Grüne Zählgemeinschaft verzerrt den Wählerwillen, denn die Mehrheit der Bürger wollte einen CDU-Rathauschef.
Früher verfuhr man bei der Ressortverteilung nach einem Zugriffsverfahren. Also: die stärkste Partei stellt den Bürgermeister und darf zuerst eines der zur Verfügung stehenden Ressorts „greifen“. Dann ist die zweitstärkste Partei dran und dann die nächste, sofern sie Anspruch auf eines der Bezirksamtsmandate hat, früher sieben, zwischendurch mal sechs, jetzt fünf. Mit diesem Zugriffsverfahren wurde unterstrichen, dass das aus allen Parteien bestehende Bezirksamt, denen ein Mandat prozentual zusteht, eine Einheit bildet. In der Bezirksverordnetenversammlung, die kein Parlament ist, sich aber häufig für die UN-Vollversammlung, mindestens aber das Europäische Parlament hält, gibt es eigentlich keine Regierung und keine Opposition. Die BVV hat das Bezirksamt zu kontrollieren. Die Realität ist aber, dass Fraktion A meistens nur das Bezirksamtsmitglied von Fraktion B kontrolliert und so weiter. Durch die Zählgemeinschaften entstehen im Plenum der BVVen aber dennoch so etwas wie Regierungsfraktionen und Oppositionsfraktionen. Das ist fatal, weil diese politischen Ränkespiele nicht dem Wesen der Bezirksverordnetenversammlung entsprechen.
Die Zählgemeinschaften haben das bewährte Zugriffsverfahren abgeschafft. Die Zählgemeinschaft, also die Mehrheit in der BVV, entscheidet, welche Partei welches Ressort bekommt. Für die Partei, die nicht zur Zählgemeinschaft gehört, bleibt stets nur das übrig, was die anderen nicht haben wollen. Danach, ob die Minderheit diese Ressorts aber haben will, wird nicht gefragt. So entschieden SPD und Grüne in Tempelhof-Schöneberg, nachdem sie sich ihre Wunschressorts zusammengestellt hatten, womit sich die CDU als eigentlich stärkste Kraft während der Legislaturperiode beschäftigen darf.
Wenn man eine Zählgemeinschaft bildet, um sich ein Bezirksamt zu basteln, wie es einem gefällt, dann ist das die eine Geschichte. Wenn sich aber eine Zählgemeinschaft eine Vereinbarung gibt, die einem Koalitionsvertrag gleich kommt, dann ist dies erst recht nicht im Sinne dessen, was eine BVV sein soll. Ein besonders literarisch anspruchsvolles Werk haben SPD und Grüne in Tempelhof-Schöneberg zusammengeschrieben. Nach fast zwei Jahren Rot-Grün ist diese Zählgemeinschaft eigentlich am Ende, sie hat sich aufgebraucht, inhaltlich wie persönlich.
Diese Zählgemeinschaft, an der aus verständlichen Gründen die Grünen ein höheres Interesse haben als die Sozialdemokraten, schaffen es aber immer wieder, die SPD-Bezirksverordneten mitzureißen, um nach außen hin dokumentieren zu wollen, dass ihre Zählgemeinschaft das beste ist, was Tempelhof-Schöneberg je passieren durfte.
Jüngstes Beispiel ist die Verabschiedung des Bezirkshaushalts am letzten Freitag. Zwischen Freitag und heute lag die Bundestagswahl, bei der die Grüne Tempelhof-Schöneberger Bundestagskandidatin Renate Künast vom zweiten auf den dritten Platz abrutschte, 6,2 % Minus bei den Erst- und 5,9 % Minus bei den Zweitstimmen. Während Frau Künast die einzige richtige Konsequenz gezogen hat und ihren Rückzug als Fraktionsvorsitzende erklärte, tun die Bezirksgrünen so, als gehe sie die Wahl nichts an. Große Klappe auf dem Weg nach unten.
„Rot-Grüne Zählgemeinschaft setzt soziale und ökologische Schwerpunkte trotz knapper Kassen.“, lautet die Überschrift einer Pressemitteilung der SPD von heute. „Mehr Bürgerbeteiligung und Mieterschutz in Tempelhof-Schöneberg.“, heißt es weiter. Und, Sie ahnen es, all das ist NUR mit Rot-Grün möglich.
„’Es ist uns trotz einer schwierigen Haushaltslage gelungen, unsere Ziele einer rot-grünen Zählgemeinschaft für mehr Bürgerbeteiligung und Mieterschutz abzusichern’, erklären der Fraktions-vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Jörn Oltmann und die Haushaltspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Melanie Kühnemann nach dem Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung in Tempelhof-Schöneberg vom 20.09.2013 zum Doppel-Haushalt 2014/15.“, heißt es in der Pressemitteilung.
Oltmann: „Der Bezirkshaushalt hat eine rot-grüne Handschrift. Er sichert ökologisch wichtige Energiesparmaßnahmen im Wert von 750.000 EUR pro Jahr ab, sichert die Ressourcen für Stadtteilforen und Bürgerhaushalt und schafft für aktiven Mieterschutz die notwendigen Ressourcen.“ Wie gesagt, glückliches Tempelhof-Schöneberg, denn das ist nur mit Rot-Grün möglich.
Jetzt wird es spannend: „Melanie Kühnemann betont die Gesamtverantwortung von Rot-Grün für den Bezirk am Beispiel der Bibliotheken“. Aha. Denn, die Bibliotheken werden von einer CDU-Bezirksstadträtin verantwortet. Schön, dass sich Rot-Grün darum kümmert, denn „Wir wollen ein modernes Konzept und kein Aussitzen, wie es die CDU kultiviert.“
Und Grünen-Fraktionschef Oltmann, der eine gewisse Routine beim Beschimpfen, nicht nur des politischen Gegners, hat, setzt noch einen drauf: „Die Zukunft kann nur durch das entschlossene Handeln der rot-grünen Zählgemeinschaft sichergestellt werden. Die CDU hat sich mit Anträgen - die nur darauf abzielten CDU-Ressorts zu verstärken - aus einer seriösen haushaltspolitischen Debatte vorerst verabschiedet.“
Wenn wir das richtig verstehen, hat sich die CDU-Fraktion um die Ressorts gekümmert, die von ihren beiden Stadträten verantwortet werden. Ein wirklich schlimmer Vorgang. Hätte sich die CDU beispielsweise um Gesundheit und Soziales oder Stadtentwicklung, wofür die Grünen zu-ständig sind, oder um Wirtschaftsförderung, was die Bürgermeisterin verwaltet oder Ordnungs- und Bürgeramt, die einen SPD-Dezernenten an der Spitze haben, mit Anträgen gekümmert, hätte Oltmann vermutlich der CDU wutschnaubend vorgehalten, dass sie das nichts angehe.
Die CDU muss sich aber keine Sorgen machen, denn alle ihre Anträge sind von Rot-Grün abgelehnt worden.
Nochmals: Die Tempelhof-Schöneberger Rot-Grüne Zählgemeinschaft konterkariert das, was eine Bezirksverordnetenversammlung sein soll. Gemeinsam, unabhängig von ideologischen Ausrichtungen, soll man den besten Weg finden. Die ideologische Verbrämtheit der Grünen in diesem Bezirk, ist einfach nur unerträglich. Die SPD sollte sich aus der Umklammerung mit den Grünen sehr schnell lösen, sonst gerät man bei deren Untergang selbst mit in den Abwärtsstrudel.
Ed Koch
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