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geschrieben von: Redaktion am 07.11.2013, 14:52 Uhr
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Alle Kinder in Berlin sollen die gleichen Bildungschancen haben. Dies wird allerdings nur im Zusammenwirken von Kita und Familie erreicht! Im Gründungs-Aufruf des Berliner Kita-Bündnisses aus dem Jahr 2008 heißt es:
„Als kleine Kinder machen Menschen die größten Schritte in ihrer Entwicklung. Ihre Lernfähig-keit, ihr Erkundungsdrang und ihr Wille sich die Welt zu erschließen werden im Laufe des Le-bens nie wieder so ausgeprägt sein, wie sie es in dieser Lebensphase sind.
Der Kindertagesstätte - als der Bildungsinstitution für dieses Lebensalter - kommt daher neben der Familie besondere Bedeutung zu.
• Deshalb haben alle Kinder das Recht auf eine gute und anregungsreiche Kita.
• Deshalb erwarten Eltern zu Recht die bestmögliche Förderung ihres Kindes in der Kita.
• Deshalb hat das Land Berlin ein anspruchsvolles Bildungsprogramm für Kitas beschlos-sen und das Sprachlerntagebuch eingeführt.
• Deshalb wollen Erzieherinnen und Erzieher diese pädagogischen Anforderungen umset-zen und den gestiegenen Erwartungen gerecht werden.“
Auf dieser gemeinsamen Grundlage formuliert das Bündnis dieses Sofort-Programm, damit je-des Kind in Berlin die Förderung erhält, die es benötigt.
1. Ausreichend Kitaplätze für ALLE Kinder bereithalten
Damit jedes Kind einen Platz in Anspruch nehmen kann, müssen zunächst genügend Plätze zur Verfügung stehen. Die derzeitigen Ausbauplanungen des Landes sehen eine Versorgung von 95% aller Kinder der Altersgruppe 3-6 vor. Dies reicht nicht aus! Um sicherzustellen, dass alle Kinder jederzeit einen passenden Platz im Rahmen des Wunsch- und Wahlrechts der Eltern er-halten können, müssen die Ausbauplanungen auf eine Versorgungsquote von 103% korrigiert werden.
2. Willkommenspaket zum 1. Geburtstag versenden
Nach §1 (3) des SGB VIII/KJHG besteht die Verpflichtung, Eltern und andere Erziehungsberech-tigte bei der Erziehung zu beraten und zu unterstützen. Vom Land sind Strukturen und Materia-lien zu entwickeln, die Eltern frühzeitig Orientierung geben und Ansprechpartner nennen. Zum 1.
Geburtstag erhalten alle Familien ein Informationspaket zu Kita und Tagespflege.
3. Bedarfsprüfung für 3-jährige durch ein mehrstufiges Einladungswesen ersetzen
Die Hürden der Gutscheinerteilung wie das komplizierte Antragsformular müssen für die Altersgruppe der 3-6-jährigen Kinder komplett fallen. Stattdessen erhalten alle Familien zum 3. Geburtstag ihres Kindes ein Willkommensschreiben mit
a) der Information, dass ihr Kind ab 3 Jahren in Berlin einen Anspruch auf einen kostenlosen Kitaplatz hat,
b) einem fertigen Gutschein für eine 5-7-stündige tägliche Förderung und
c) einem Überblick über die Kitas in ihrer Nachbarschaft.
Zum vierten Geburtstag erhalten Eltern, deren Kinder nicht die Kita besuchen, ein Erinnerungsschreiben mit einem Kitagutschein für eine 5-7stündige Förderung.
4. Beratungs- und Informationsstrukturen der Jugendämter ausbauen
Das Land baut Informations- und Beratungsstellen aus: Kitagutscheinstellen müssen so ausgestattet sein, dass sie zuverlässig erreichbar sind; Eltern benötigen niedrigschwellige Angebote. Dazu gehören auch Übersetzungen der oben genannten Willkommensschreiben in verschiedenen Sprachen und ein mehrsprachiges, übersichtliches Internetangebot.
5. Vorhandene Netzwerke stärken und Familienzentren ausbauen
Die Weiterentwicklung von Kindertagesstätten zu Familienzentren und der Ausbau vorhandener Strukturen (z.B. Stadtteilmütter, Netzwerk Frühe Hilfen …) ist eine konsequente Zielsetzung. Die Angebote der Familienzentren sind niedrigschwellig, interkulturell ausgerichtet und unterstützen insbesondere Familien mit kleinen Kindern im Sozialraum. Die im Haushaltsentwurf 2014/15 vorgesehenen Mittel sind nicht ausreichend. Der Ausbau von Familienzentren und die Ausfinanzierung anderer familienunterstützender Angebote müssen fortgesetzt werden.
6. Leitungsschlüssel verbessern
Information und Beratung der Eltern werden immer wichtiger. Die Leitung der Kindertagesstätte ist die erste Kontaktperson von „Kitaneulingen“ und bleibt Ansprechpartner/in für die Familien durch die gesamte Kitazeit hindurch. Auch kooperiert sie mit anderen Stellen, wie Jugendamt (z. B. Familienhilfe, Kinderschutz) und den Einrichtungen der Familienbildung und Erziehungsberatung. Für diese Beratungs- und Lotsenfunktion benötigt sie mehr Zeit.
In einem ersten Schritt muss deshalb die alte Leitungsfreistellung von einer vollen Stelle bei hundert Kindern wiederhergestellt werden.
7. Arbeit der Erzieher/innen wertschätzen
Nur dem großen Engagement von Erzieher/innen ist es zu verdanken, dass neue Aufgaben wie das Bildungsprogramm, Sprachlerntagebuch und viele weitere Anforderungen in den Kitas angenommen und bearbeitet werden.
Damit die Erzieher/innen ihre vielfältigen Aufgaben gut erfüllen können, müssen konkrete Maßnahmen ergriffen werden, wie z. B. ausreichende Personalkapazität, genügend Ressourcen für die mittelbare pädagogische Arbeit und Herstellung gesundheitsfördernder Arbeitsbedingungen. Die Wertschätzung der Leistung des Fachpersonals muss sich auch in der Bezahlung widerspiegeln.
Alle Träger von Kindertageseinrichtungen müssen hierzu in die Lage versetzt werden.
8. Bildungspartnerschaft und interkulturelle Öffnung in Kitas stärken
Um die Entwicklung der Kinder bestmöglich zu begleiten, arbeiten Familien und Kitas auf Augenhöhe zusammen. Die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft ist ein Kernelement unseres Berliner Bildungsprogramms. Die Beteiligung der Eltern an der (Weiter)Entwicklung der Kitakonzeption kann eventuell vorhandene Vorurteile abbauen. Dafür müssen den Kitas die notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden (Fachberatung, Fortbildungen, mittelbare pädagogische Arbeit). Insbesondere in sozialen Brennpunkten brauchen Kitas zur Umsetzung ihres Bildungsauftrages zusätzliche personelle Ressourcen.
Kita-Pflicht und verpflichtender Vorklassenbesuch in der Grundschule sind ungeeignet, um Chancengerechtigkeit in der Bildung sicher zu stellen.
Position des Berliner Kitabündnisses
Die aktuelle Bertelsmann-Studie zum Ländervergleich hebt Berlin in die Spitzengruppe der Länder mit den größten finanziellen Anstrengungen beim Ausbau der Kindertagesbetreuung und mit hohen Beteiligungsquoten. Dass diese Investitionen gut angelegt sind, belegt die Veröffentlichung der Ergebnisse aus den letzten Schuleingangsuntersuchungen: Ein mindestens zweijähriger Kita-Besuch vor der Einschulung verschafft den Kindern bessere Startchancen beim Schulbeginn. Ihre Sprachkompetenzen verbessern sich deutlich.
Obwohl diese Erkenntnis keineswegs neu ist, hat sie aktuell den politischen Raum erreicht und der Ruf nach einer Erfassung all jener Kinder, die bisher keine Kita besuchen, wird wieder lauter.
Raed Saleh, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus will sich mit dem freiwilligen möglichst frühzeitigen Kita-Besuch nicht zufrieden geben: Die Kita-Pflicht als nach vorn verlängerte Schulpflicht soll die Chancengleichheit der Kinder ermöglichen. Kai Wegner von der CDU kontert diesen Vorstoß und bringt eine verbindliche Vorklasse für Kinder ab dem vollendeten fünften Lebensjahr ins Gespräch. Beiden Vorschlägen ist eines gemein: Sie sind rein administrativ und ordnungspolitisch ausgerichtet. Sie sind damit nicht dem Problem angemessen. Das Berliner Kita-Bündnis fordert eine zielgenaue und an den jeweils besonderen Bedingungen der in Berlin lebenden Familien ausgerichtete Strategie.
Der Anteil von Kindern, die vor der Einschulung keine Kita besuchen, liegt bei etwa zwei Prozent oder 600 Kindern im ganzen Stadtgebiet. Und keineswegs alle diese Kinder haben Sprachdefizite. Allein dieser Umstand rechtfertigt keine Entscheidung, die alle Familien dieser Stadt mit einer Kita-Pflicht belegt.
Ein bedeutender Erfolg der Kita-Politik der vergangenen Jahre bestand gerade darin, dass Familien zunehmend den Nutzen von Betreuung und früher Bildung im Kindergarten erkannten. Die Kita sichert Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Den Kindern wird das Spielen und Lernen in der Gemeinschaft ermöglicht, verbunden mit einer guten Vorbereitung auf die Schule und Sprachförderung. Gegen die flächendeckende Verpflichtung spricht, dass die Familien um die es den Autoren geht, keineswegs gleichmäßig über die Stadt oder in einem Bezirk verteilt leben Es sind z.T. eng begrenzte Kieze, in denen nicht nur der Kita-Besuch zu schwach nachge-fragt wird. Auch andere Belastungsfaktoren wie z.B. Erfahrungen mit Kriminalität und Gewalt unter Erwachsenen und Jugendlichen, Drogenkonsum sind hier festzustellen.
Um allen Kindern zu ihrem Recht auf Bildung zu verhelfen, müssen die Ursachen analysiert und Problemlösungsstrategien entwickelt werden. Es kann nicht darum gehen, den Familien die Schuld an dem Missstand zuzuweisen. Es müssen die Gründe erforscht werden, die in Familien zu Vorbehalten gegen einen frühen Kita-Besuch führen. In der Regel haben alle Eltern ein großes Interesse an einer guten Zukunft für ihre Kinder. Sie wissen oder ahnen, dass gute Sprachkompetenzen ihrer Kinder in der deutschen Sprache hierfür die wichtigste Vorraussetzung sind. Hinderungsgründe für einen Kita-Besuch sind jedoch sehr vielschichtig: z.B. Familienkulturen, denen eine professionelle Betreuung und Bildung fremd sind, Befürchtungen vor Entfremdung der eigenen Kinder u.ä. Diese Vorbehalte und Befürchtungen lassen sich nicht administrativ und ordnungspolitisch beseitigen. Und es sind eben noch nicht alle Anreizinstrumente ausgeschöpft. Es kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die Jugendämter und die Gesundheitsämter immer in ausreichender Weise die Familien erreicht und betreut haben. Die dauerhaften Perso-naleinsparungen bei den kommunalen Aufgaben bringen die Jugendämter oft dazu, nur noch die allerwichtigsten Aufgaben mit Priorität zu erledigen, beispielsweise den Kinderschutz. Präventive Aktivitäten sind zeitaufwendig und sie lassen sich nicht so einfach in ihrer Wirksamkeit belegen wie die Zuständigkeit für eine bestimmte Anzahl von Familien in Kinderschutzfragen.
Dabei sind die Vorraussetzungen dafür, auch die Kinder zu erreichen, die bisher keine Kita besuchen, in Berlin nicht schlecht: Das Berliner Kita-System bietet nicht zuletzt wegen der Beitragsfreiheit und der Qualitätsvereinbarung zur Arbeit mit dem Berliner Bildungsprogramm, dem hohen Engagement der Trägerverbände und der Kita-Eigenbetriebe, wegen der ausgezeichneten Kooperation zwischen Kita-Trägern und Senatsbildungsverwaltung die notwendige Struktur für die Erreichung weiterer Politikziele wie einen möglichst vollständigen Kita-Besuch aller Kinder vor der Einschulung.
Dieses Ziel muss durch zusätzliche Maßnahmen gestützt werden. Es gibt gute Erfahrungen: Der Zugang zu Kitas wird besser, wo Familien mit Migrationshintergrund von nicht-behördlichen Vertrauenspersonen aufgesucht und zu wichtigen Fragen ihrer Lebenssituation beraten werden. Die Projekte der Stadtteilmütter, die über Jahre den Kontakt zu Migrantenfamilien hergestellt und gepflegt haben, sind ein gutes Beispiel für eine aktive Integrationsförderung. Ein anderes Beispiel zur Förderung von Bildung in besonders problembelasteten Kiezen hat Herr Saleh mit seinem Vorstoß zur Unterstützung von Schulen in diesen Brennpunktbereichen selbst gegeben.
Solche Schwerpunktsetzung ist auch zur Förderung des Kita-Besuchs dringend erforderlich. Bestimmte Problemlagen der Wohngegenden schlagen sich in der pädagogischen Arbeit in der Kita nieder. Dort wo die Bevölkerungsentwicklung in konkreten Kiezen zur Folge hat, dass beispielsweise 95% Kinder nicht-deutscher Herkunft in einer Kita betreut werden, kann die pädagogische Fachkraft ohne weitere Unterstützung nicht immer sicherstellen, dass alle Kinder auch wirklich bei Schulbeginn über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen. Aber dies ist ja gerade das Anliegen aller, die über eine Kita-Pflicht nachdenken. Kitas in diesen Einzugsbereichen müssen in besonderem Maße und durch zusätzliches Personal in ihren Bildungsbemühungen unterstützt werden. Individuelle Zuwendung und Förderung in kleinen Gruppen sind erforderlich. Die gegenwärtig in Berliner Kitas umgesetzte Bundesinitiative Frühe Chancen zeigt welchen positiven Einfluss der Einsatz zusätzlicher Kapazitäten mit hoher fachlicher Kompetenz auf die Bildungs-prozesse in der Kita hat.
Das Fatale an der Kitapflicht-Diskussion ist zudem, dass sie nicht nur ungeeignet ist, dem postulierten Problem abzuhelfen, sondern zudem auch noch die unstrittig großen Erfolge der letzten Jahre bei der Förderung von Kindern in den Kitas gefährdet. Diese beruhen wesentlich auf der guten und vertrauensvollen Zusammenarbeit von Kitas und Familien, die wiederum strukturell an die Freiwilligkeit des Angebots geknüpft ist.
Das Berliner Kita-Bündnis sieht sich als Partner der Politik und ist bereit, wie bisher, konstruktiv an Problemlösungen mitzuarbeiten. Es wendet sich jedoch gegen die aktuellen bildungspolitischen Bestrebungen statt zusätzliche pädagogische Ressourcen vorzusehen eine Kita-Pflicht ab drei Jahre oder eine verpflichtende Vorschule zu fordern.
Für das Berliner Kitabündnis: Roland Kern (DaKS), Christa Preissing (BeKi), Jürgen Schwochow (VETK), Klaus-Harald Straub (Kindergärten City)
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