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Wie viele Plätze fehlen für Obdachlose?

geschrieben von: Redaktion am 20.12.2013, 10:55 Uhr
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Es ist inzwischen zur Tradition geworden, dass Harald Ehlert kurz vor Weihnachten in den Kinosaal der Filmbühne am Steinplatz Journalisten einlädt. So auch am 19. Dezember 2013. Nun gut, die Beteiligung der Journaille war schon mal üppiger, aber einige kommen noch immer. Denn das Thema Obdachlosigkeit ist nach wie vor ein schwieriges. Und es ist nicht besser geworden, nachdem die Treberhilfe vorsätzlich in die Insolvenz getrieben wurde.

Die so genannte Neue Treberhilfe, NTH, kommt aus den Negativschlagzeilen nicht heraus. Der Diakonieverein sollte eigentlich die Nachfolge der ursprünglichen Treberhilfe antreten. Ein Versuch, der kläglich gescheitert ist, letztlich an der Inkompetenz der Betreiber. Die Berliner Morgenpost meldete am 10. Dezember: „Der Rettungsversuch für die Treberhilfe ist gescheitert“, woraufhin der Träger trotzig in einer Presseerklärung mitteilte „Sanierung schreitet voran“.

Für das Abschießen von Nebelkerzen ist der Träger bekannt. Transparenz ist allerdings ein Begriff, von dem er wenig hält oder noch nie etwas gehört hat. Fakt scheint aber zu sein, dass sich die NTH aus dem „Geschäft mit Obdachlosen“ zurückzieht, wie es die Morgenpost meldete. Auf die Vorwürfe bezüglich einer Gruppenvergewaltigung in einer betreuten Wohngemeinschaft reagiert die NTH wie folgt: „Die Ermittlungen richten sich nicht gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Neuen Treberhilfe oder gegen den Träger. Die Neue Treberhilfe hat im Übrigen – wie in der ‚Morgenpost’ behauptet – zu keinem Zeitpunkt betreute Wohngemeinschaften betrieben, eine Vergewaltigung hat also weder in einer Einrichtung noch in einer Trägerwohnung der Neuen Treberhilfe stattgefunden. Der vorgenannte Fall hat lediglich insoweit einen Bezug zur Neuen Treberhilfe, als dass einer der Täter im Rahmen der allgemeinen Betreuung von Wohnungslosen von der Neuen Treberhilfe ambulant betreut worden ist.“

Aber: „Die Gruppenvergewaltigung in der WG sei nur der eklatanteste Fall einer ganzen Reihe von Mängeln. Das sagen ehemalige Mitarbeiter der Neuen Treberhilfe (NTH), das wird auch in Kreisen des Diakonischen Werkes bestätigt“, schreibt die Morgenpost und die NTH kontert: „Die Behauptungen zu einer ‚Ganzen Reihe von Mängeln’ in der Arbeit der Neuen Treberhilfe geht vor allem auf anonyme Quellen zurück, hinter denen gekündigte Mitarbeiter zu vermuten sind. Alle angeblichen Mängel wurden untersucht, alle – meist anonymen Vorwürfe – konnten geklärt werden. Die zuständigen Senatsstellen wurden stets informiert. Diese habe jeweils ihr Vertrauen gegenüber dem Träger, der Geschäftsführung und vor allem gegenüber den handelnden Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern ausgesprochen.“ Schuld an der Misere sind natürlich die ehemaligen Mitarbeiter und weitere anonyme Quellen. Dazu gehört vermutlich auch ein offener Brief der Beschäftigten, der vor einiger Zeit veröffentlicht wurde und eine lange Liste von Mängeln enthält. „Illoyale Mitarbeiter" seien ein großes Problem gewesen, so der NTH-Geschäftsführer gegenüber der Morgenpost. Eine kühne Behauptung, denn das Hauptproblem der NTH ist die inkompetente Geschäftsführung selbst.

Diese verbreitet weiterhin Optimismus: „Wesentliche Geschäftsbereiche der NTH Hilfe in Berlin gGmbH haben sich im Rahmen des am 18. April 2013 eingeleiteten Schutzschirmverfahrens erfreulich entwickelt und werden fortgeführt: Dazu zählen die beiden Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe Panorama Nord und Süd, das SToP-Projekt sowie die Jugendkriseneinrichtung ‚Chance Mitte’, die im Sommer dieses Jahres eröffnet werden konnte und sehr gut gestartet ist. Im Bereich Soziales (betreutes Einzelwohnen, Wohnungserlangung und Wohnungserhalt) endet der Trägervertrag mit dem Senat zum 31. Dezember 2013. Die Geschäftsführung hat sich entschlossen, diesen Vertrag nicht zu verlängern, um sich auf die Konzeption neuer Betreuungsangebote und diejenigen Bereiche zu konzentrieren, die eine erfreuliche Entwicklung aufweisen. Zur Sicherung der Kontinuität der Betreuungsverhältnisse sollen die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die betreuten Klienten und Trägerwohnungen an einen oder mehrere Träger übergeben werden. Erste Gespräche haben bereits stattgefunden; die Senatsverwaltung für Soziales ist über den Vorgang informiert“, heißt es in der Presseerklärung der NTH. Ja, man bastelt sich alles so zurecht, wie es gut klingt. Kein Wort der Demut oder Selbstzweifel, kein Eingeständnis, dass man die Sache in den Sand gesetzt und hunderttausende von Euro verbrannt hat. Zur Weihnachtszeit könnte man ja mal ein wenig in sich gehen. Dazu ist der Diakonieverein leider nicht Willens.

Die Zahlen

Diese sind verwirrend und für Außenstehende kaum noch nachvollziehbar. Fakt ist, dass die Treberhilfe des Harald Ehlert rund 750 Wohnungen hatte und über 1.000 Obdachlose betreute. Vor einem Jahr, am 6. Dezember 2012 erklärte der Präsident des Landesamtes für Gesundheit und Soziales in einer Sitzung des Rats der Bürgermeister, dass 1.000 Plätze für Obdachlose fehlen. Wie kann das sein?

Dazu meldet sich ein weiterer Optimist in der Berliner Morgenpost zu Wort: „Martin Matz, Vorstand des Diakonischen Werkes, dem Dachverband des Diakonievereins und der NTH, bedauert das Scheitern des Versuches, die Treberhilfe zu retten. Wichtig sei aber, dass es über die gesamte Zeit des Übergangs von der alten Treberhilfe bis jetzt ausreichend Plätze für Wohnungs-lose gegeben habe. Die Behauptung des früheren Treberhilfe-Chefs Ehlert, mit der Zerschlagung seines Unternehmens sei auch die Struktur der Hilfe für Wohnungslose kaputt gegangen, ‚entbehrt jeder Grundlage’, so Matz.“ Harald Ehlert bemerkte auf seinem vorweihnachtlichen Treffen dazu kurz und knapp: „Quatsch“, das habe er nie gesagt, denn „nur“ rund zehn Prozent der Plätze seien durch die Insolvenz der Treberhilfe weggefallen.

Wie viele Plätze gab und gibt es denn nun? Berliner Morgenpost: „Die Senatsverwaltung gibt die Zahl der Wohnplätze, in denen Betreuer immer vor Ort sind oder regelmäßig nach dem Rechten sehen, mit 5.500 an. Diese Zahl sei konstant geblieben über die letzten beiden Jahre, heißt es aus der Sozialverwaltung.“ Ehlert: „Am 28.02.2012 gab es rund 6.500 Plätze zur reinen Unter-bringung für Wohnungslose, die zu diesem Zeitpunkt beim Landesamt für Gesundheit und Sozia-les gemeldet waren.“ Es muss doch möglich sein, belastbare Zahlen zu benennen. Ein Märchen ist es allerdings, dass nach der Insolvenz der Treberhilfe keine Lücken in der Betreuung entstanden seien.

Kein Wort sagte Harald Ehlert bei seinem Pressegespräch zum gegenwärtig stattfindenden Verfahren vor dem Landgericht Berlin. Darauf angesprochen, kam erwartungsgemäß die Floskel: „Zu einem laufenden Verfahren äußere ich mich nicht.“ Nur so viel: bis in den Februar 2014 hin-ein wird es weitere Verhandlungstage geben, einer davon findet heute, am 20. Dezember, statt.

Ansonsten äußert sich Harald Ehlert dort, wo er gefragt wird. So zum Beispiel in „Wohlfahrt intern – Das Entscheider-Magazin für die Sozialwirtschaft.“

In dem Interview, das „Wohlfahrt intern“ mit Harald Ehlert führte, geht es gleich in der ersten Frage um Geld. Wie er es geschafft habe, im Jahre 2008 1,2 Mio. Euro Überschuss erwirtschaftet zu haben? Die Antwort ist hinlänglich bekannt. Ehlert hat es geschafft, seine Einrichtungen auszulasten. Das lag auch am Management und an der Attraktivität der Angebote. Wenn andere Träger klagen, dann verstehen sie offenbar ihr Geschäft nicht richtig. Ja, Geschäft. Kommen wir mal runter von der Sozial-Verklärung. Schon Mutter Teresa sagte „Je mehr Du gibst, desto mehr empfängst Du.“ Oder, je besser Dein Angebot, desto höher der Profit.

„Die Entgelte galten für alle Träger der Wohnungslosenhilfe in Berlin. Viele Träger waren deutlich schlechter ausgelastet als die von der Finanzverwaltung geforderten und in den Entgelten zugrunde gelegten 95 bis 97 Prozent. Das erreicht man nur, wenn die Strukturen stimmen und wenn die Qualität stimmt“, sagte Ehlert dem Entscheider-Magazin für die Sozialwirtschaft.

Und wie erreicht man beispielsweise die Attraktivität, die der Zielgruppe weiterhilft? Ehlert: „Wir haben beispielsweise die Wohnungserstausstattung vorfinanziert, bis die Bewilligung vom Amt kam. Das war für die Klienten attraktiv. Das ging nur, weil die Treberhilfe wirtschaftlich stark war.“

„Die Kostenträgerseite und die Branche sollten endlich mit dem doppelmoralischem Unfug aufhören und nicht suggerieren, dass die Arbeit nichts mit Geld verdienen zu tun hat. Sie sollten endlich die Leistung und nicht die Kosten bewerten, wie es im Gesetz steht. Die Sozialwirtschaft muss aber auch bereit sein, ihre Leistung messen zu lassen. In Berlin erbringen Träger steuerfinanzierte Leistungen von 1,6 Milliarden Euro. Ich habe 2010 gefordert, dass diese große Summe in ihrer Wirkung kontrolliert wird, damit das Geld dort ankommen kann, wo es den Menschen tatsächlich nutzt.“ Ehlert hat diese Messeinheit mit seinem „Social Profit“-Projekt entwickelt. Die Antwort darauf kennen wir. Ehlert und mit ihm gleich die ganze Treberhilfe wurde nach allen Regeln der Kunst vom Markt verdrängt.

„Die Sozialwirtschaft, eine Branche wie jede andere?“, fragen die Interviewer Harald Ehlert. „Warum denn nicht? Es gibt mittlerweile große Träger, die ihren gemeinnützigen Status abgelegt haben. Das ist nur nicht bekannt. Die bezahlen für zehn Jahre ihre Steuern nach und können jetzt die Gewinne privatisieren. Die Entgelte sind ja nicht an die Gemeinnützigkeit gebunden. Die Unterbringung von Wohnungslosen wird in Berlin zu rund 84 Prozent gewerblich betrieben, nur 16 Prozent der Finanzierungen fließen in die Kassen gemeinnütziger Unternehmen. Offensichtlich funktioniert die Hilfe auch ohne den Status der Gemeinnützigkeit sehr gut.“ Harald Ehlert hat diese Erkenntnis leider zu spät gewonnen. Er hätte von Anfang an sein Unternehmen gewerblich führen sollen, und vor allem nicht als Mitgliedsverein in der Diakonie. Dann hätte sich niemand über seinen Maserati aufgeregt, wie sich auch niemand über den Porsche eines Geschäftsführers eines Straßenbauunternehmens aufregt, das fast ausschließlich von öffentlichen Aufträgen lebt.

Gerade die kirchlichen Träger mit ihrem Heiligenschein tun so, als strichen sie ihre Gewinne mit Gottes Segen ein. „Man verliert die Beziehung zu Gott, wenn man die Beziehung zum Geld hat“, sagte Mutter Teresa. Mit diesem Zitat haben die Kirchen sicherlich große Probleme. Mutter Teresa irrt allerdings mit einem weiteren Satz aus ihrer unerschöpflichen Zitatesammlung: „Mein Bankier ist der liebe Gott. Er sorgt dafür, dass immer etwas da ist.“ Nein, dafür, dass für die Kirchen immer etwas da ist, sorgen die Steuerzahler, freiwillig als Mitglied oder unfreiwillig als Atheist.

Ed Koch

  
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