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30 Jahre Jugendbegegnungsreisen in die USA

geschrieben von: Redaktion am 26.03.2015, 05:29 Uhr
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Auf den Tag genau vor 30 Jahren starteten acht junge und ein älterer Berliner vom Flughafen Tegel aus über den Atlantik in die so genannte Neue Welt. Ihr Ziel: The City of Marion, Kansas, USA. Die Stadt, eher ein größeres Dorf mit rund 2.000 Einwohnern, wurde nicht nach einem Mädchen namens Marion benannt, sondern nach einem General aus dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, Francis Marion, Spitzname der „Sumpf-Fuchs". Ein Sumpfgebiet ist die kleine Stadt zum Glück nicht, sondern eben eine typische amerikanische Kleinstadt, liebenswürdig und etwas spießig, keine Kneipen, dafür an (fast) jeder Ecke eine Kirche.

Am 26. März 1985 begann das Abenteuer USA für uns. Zwei waren schon einmal in den Staaten. Für mich war es die erste Atlantiküberquerung. Station Nr. 1: New York City. Was für eine Stadt. Es gibt nur zwei Bewertungen über den Big Apple, entweder man kann ihn nicht leiden und reist dort nie wieder hin, oder man fällt vor Begeisterung fast in Ohnmacht und muss immer wieder hin. Ich hatte mich schon am ersten Tag für den Ohnmachtsanfall entschieden und war inzwischen mindestens 25mal auf der schmalen Insel zwischen Hudson- und East-River. Der Dollarkurs war 1985 sehr hoch, ungefähr 4 DM für einen Dollar. Und die Reisekosten dement-sprechend. Also entschieden wir uns für die preis-werteste Unterkunft, YMCA, und noch preiswertere Reise durchs Land im Trailways-Bus.

Nach drei Tagen Manhattan nahmen wir Platz im immerhin recht bequemen Überlandbus. Als Zielort stand vorn am Bus Los Angeles. Soweit wollten wir nun doch nicht. Unser Reiseziel hieß Kansas. Warum Kansas, fragte uns jeder, mit dem wir über unsere Reise sprachen. Grund war ein junger Mann namens Mathias Nitschke, der ehrenamtlicher Helfer im Jugendfreizeitheim Mariendorf war, das ich da-mals leitete. Er wollte ein Jahr in den USA verbringen, und es verschlug ihn in eben jenes Nest in der Mitte von Nirgendwo. Immerhin kam er bei der Bürgermeisterin des Ortes, Peggy Blackman, unter. Diese half ganz wesentlich dabei, Gast-familien für uns zu finden. Eigentlich sollte es ja nur ein Besuch bei Mathias über Ostern werden. Daraus sind bis heute 46 Jugendbegegnungsprojekte mit 556 Teilnehmer/innen geworden.

Der Weg nach Marion war weit. Über 20 Stunden zuckelten wir durch das Land und erreichten unseren Zwischenstopp St. Louis am Zusammenfluss von Missouri und Mississippi. Eine Nacht blieben wir dort und setzen dann unsere Expedition Richtung Westen fort. Am nächsten Tag kamen wir gegen Mittag in der größten Stadt von Kansas an, Wichita, berühmt aus so manchem Westernfilm mit John Wayne. Die Gastfamilien begrüßten uns und brachten uns nach Marion, was noch einmal rund einein-halb Stunden dauerte.

Lauter nette Leute in dem kleinen Ort, vom Sheriff bis zum Pfarrer, und die Bürgermeisterin so und so. Wir verlebten zwei unbeschwerte Wochen im Wilden Westen und stellten sehr schnell fest, dass es hier alles andere als langweilig war. Die Rückfahrt aber war noch abenteuerlicher als die Hinreise. Es ging zuerst direkt nach Washington D.C., wo wir über-nachteten und vorher alles ansahen, was man dort gesehen haben muss. Am nächsten Tag weiter nach Chicago. Neun Stunden Aufenthalt. Und dann zu-rück nach New York, von wo aus wir nach einem zweitägigen Stopp die Reise nach Berlin antraten.

In den folgenden Jahren wurde der Dollarkurs immer günstiger und die Reisen komfortabler. Zwischenstationen überwanden wir mit dem Flugzeug oder wir mieteten uns Kleinbusse und kurvten durch das Land. 1991 lernten wir in Marion Zach Brooks kennen, der dort zur Schule ging und aus dem Nachbarstaat Colorado stammte. Schon ein Jahr später luden wir uns zu ihm ein. Bis 2001 fanden jährlich nun zwei Begegnungsreisen statt, danach nur noch Denver. 2001 war aus den bekannten Gründen ein Einschnitt.

1990, dem ersten Jahr nach der Wende, und 1991 nach der Wiedervereinigung, erfuhren unsere Reisen einen ungeahnten Zulauf, denn die bislang in den Ostbezirken Berlins lebenden Jugendlichen wollten nun auch endlich ins gelobte Land. Zwischen 1992 und 2001 erlebten wir die beste Zeit unserer Begegnungsreisen. 1995 kam für zwei Jahre sogar noch ein drittes Projekt in Buffalo, New York State, hinzu.

Zwischen 1987 und 1999 boten wir zusätzlich 39 Studienreisen für Erwachsene an. Boston, New York, Washington D.C., Chicago, Atlanta, Houston, Las Vegas, Los Angeles, San Francisco und Hawaii hießen die Ziele.

Wenn ich von „wir“ rede, dann ist in den Anfangsjahren der Paper Press e.V. gemeint, der neben der Herausgabe der Publikation auch einen Bereich Studienreisen unterhielt. 1988 wurde das Komitee zur Förderung von Jugendaustauschprojekten e.V. (CPYE) gegründet, das 1992 die Jugendbegegnungsprojekte übernahm. Paper Press Studienreisen bot bis 2013 nur noch Gedenkstättenfahrten an. Übrig geblieben von all den Reiseaktivitäten sind die Jugendbegegnungsprojekte in Denver. Die diesjährige Reise, die laufende Nummer 24, beginnt am 27. März, einen Tag und 30 Jahre nach dem Start der ersten USA-Reise.

Über das, was wir in den USA erlebt haben, könnte ich ganze Bücher schreiben, was ich nicht tun werde. Unter www.cpye.de kann man vieles nachlesen, ebenso unter www.paperpress.org.

Bei der Verleihung der Goldenen Kamera vor einigen Tagen an Arnold Schwarzenegger wurde ich an unsere erste Reise 1985 durch einen Satz von ihm erinnert. Gehe Deinen Weg, höre nicht auf die, die Nein sagen und Dir von Deinen Plänen abraten. Mitte der achtziger Jahre war das Verhältnis zwischen unserem Verein und dem damaligen CDU-Jugendstadtrat äußerst angespannt. Wir hatten sehr unterschiedliche Auffassungen von dem, was freie Jugendarbeit bedeutet. Als ich 1980 eine Jugendbegegnungsreise als Mitarbeiter des Jugendamtes nach Norwegen leitete und vorschlug, auch das begonnene Projekt im folgenden Jahr fortzusetzen, wurde das mit angeblich fehlenden Mitteln abgelehnt. Daraufhin fanden wir einen Weg, die Begegnungsreise frei finanziert durchzuführen. Bis 1995 reisten Berliner und norwegische Jugendliche hin und her, organisiert von unseren Vereinen und finanziert durch andere staatliche Quellen, nur nicht jene des Jugendamtes Tempelhof.

1984 wiederholte sich der Vorgang in ähnlicher Form. Wir schlugen dem Stadtrat vor, ein Gemeinschaftsprojekt in den USA aufzubauen, denn der Bezirk Tempelhof hatte keine Partner in den USA. Nur um nicht mit uns zusammenarbeiten zu müssen, stampfte der Stadtrat eine eigene Begegnung aus dem Boden, die eher an eine Klassenfahrt erinnerte. Dem Stadtrat gelang es tatsächlich, im Herbst 1984 mit einer Jugendgruppe in die USA zu reisen. Sein Wunsch, als erster Tempelhofer Jugendhilfeträger dort angekommen zu sein, hatte sich erfüllt. Nachhaltig war sein Projekt nicht, schon nach wenigen Jahren wurde es eingestellt, während unsere Projekte, wie gesagt, in diesen Tagen ihr 30-jähriges Jubiläum feiern. Die Senatsjugendverwaltung und das Amerika-Haus Berlin gaben uns für unsere erste Reise 1985 einen Zuschuss.

In die Zukunft blicken wir besorgt. Das Bundesjugendministerium setzt inzwischen andere Schwer-punkte, als Jugendbegegnungsreisen in die USA zu fördern. Die deutsch-amerikanische Freundschaft ist nicht mehr viel Wert in dieser Stadt. Der CPYE e.V. ist inzwischen der einzige freie Träger, der Jugend-begegnungsreisen außerhalb von Schulfahrten an-bietet. Es kann also sein, dass nach 30 Jahren die Reisen nicht mehr stattfinden können, denn frei finanziert, ohne irgendeine Förderung, wären die Kosten für den Einzelnen vermutlich zu hoch. Versuchen werden wir es natürlich, weiterhin die Reisen anbieten zu können.

Ed Koch

  
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