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"Getrennter Quark wird breit, nichts satrk."

geschrieben von: Redaktion am 07.10.2006, 06:41 Uhr
paperpress519 
Der Bündnisgrüne Bezirksverordnete Ralf Kühne sandte uns einen Leserbrief zum Thema Stadtplanung in Tempelhof-Schöneberg.
Lieber Ed Koch,

"Getretener Quark wird breit, nicht stark"; das gilt auch und immer wieder
für die Hypothese, die zum wiederholten Mal im Artikel "Es bleibt bei
Rot-rot" strapaziert wird:

"Man kann nur hoffen, dass dann endlich wieder das Stadtplanungsamt in die
Bauabteilung integriert wird. Dass es zu einer Blockadepolitik kommen würde,
als man vor fünf Jahren das Stadtplanungsamt der Grünen Elisabeth Ziemer
zuschrieb und den Rest der Bauabteilung CDU-Mann Gerhard Lawrentz überließ,
wusste jeder vorher. Politik ist aber oft nicht in der Lage, vorhersehbare
Katastrophen zu vermeiden."

Ein Blick auf die Tatsachen hilft hier wie so oft weiter:

Historisch gesehen wurde die Bauabteilung 1995/96 in Schöneberg -- auf
Wunsch der SPD -- von der Stadtplanung und dem Bau- und Wohnungsaufsichtsamt
getrennt. Zusammen mit dem Wirtschafts- und dem Umweltamt sollte ein
"Zukunftsressort" unter Stadtrat Otto Edel gebildet werden, mit dem rot-grün
aktiv die Wirtschafts- und Strukturpolitik im Bezirk gestalten wollte.

Nun kann man heute sicherlich darüber diskutieren, ob die Stiefel nicht eine
Nummer zu groß waren. Man kann sich auch darüber wundern, dass sich eine
Mehrheit in der BVV Schöneberg (nicht deckungsgleich mit der damaligen
rot-grünen Zählmehrheit!) in der Folge lieber passiv in den
strukturpolitischen Irrungen und Wirrungen der späten 90er Jahre treiben
ließ, statt aktiv kommunale Strukturpolitik zu betreiben. Die Grundidee,
sich mit dem Ressortzusammenschnitt angesichts aktueller Problemlagen
fachpolitische Synergien zu erschließen, ist deshalb nicht falsch. Wenn man
sich mit dem Hammer auf den Finger haut, deutet das nicht auf eine
Fehlkonstruktion des Hammers hin, sondern auf die eigene Ungeschicklichkeit.

Genau diese Grundidee, fachpolitisch Synergien zu erschließen, wurde mit
geänderter Zielsetzung auch 2001 aufgegriffen, als die Stadtplanung mit
Gesundheit und Quartiersmanagement zusammen gelegt wurde -- mit einigem
Erfolg. Inzwischen sind die neu entstandenen Vernetzungen zwischen den
Fachbereichen auch so stabil, dass die Synergien nicht zwangsläufig verloren
gehen, wenn es zu einem anderen Zuschnitt kommt. Nebenbei bemerkt täte es
einigen Fachbereichen, die sich teils seit Jahrzehnten einigeln und den
Kontakt zu anderen Teilen der Bezirksverwaltung auf das nötigste beschränken
(ihm teils sogar regelrecht aus dem Weg gehen), durchaus gut, mal mit ganz
anderen Zuschnitten konfrontiert zu sein. Die Insider wissen schon, welche
ich meine, ich halte mich da in der derzeitigen Situation aber lieber mit
öffentlichen Äußerungen etwas zurück.

Betrachtet man es aus der fachpolitischen Sicht, bleibt am Ende nur ein
einziges Argument für die geforderte Zusammenlegung: "Haben wir schon immer
so gemacht". Schon die Formulierung "das Stadtplanungsamt in die
Bauabteilung" zu integrieren ist putzig. "the tail wagging the dog" ist
Ihnen ein Begriff, oder?!

Woraus besteht denn diese Bauabteilung, was sind die Schnittstellen zu
Planen, Genehmigen und Denkmalschutz?

Das Umweltamt wird zwar im Rahmen der Bauleitplanung als Träger öffentlicher
Belange (TöB) beteiligt, ist aber in erster Linie eine Ordnungsbehörde ohne
größere Schnittstellen zur Stadtplanung. (Zu den TöB gehören übrigens auch
die Wasserwerke, Feuerwehr, Kirchen und Gewerkschaften; müssen die jetzt
auch in die Bauabteilung integriert werden?!)

Die untere Straßenverkehrsbehörde ist ebenfalls eine reine Ordnungsbehörde
und in vielen Bezirken in das Ordnungsamt integriert.
Im Zuge der Bildung des Ordnungsamtes gab es im Bezirk durchaus
Überlegungen, ob diese ordnungsbehördlichen Aufgaben nicht sinnvollerweise
ins Ordnungsamt gehören (One-Stop-Agency für Straßenfeste etc. sei nur als
ein Aspekt genannt).

Der weitaus größte Teil der Bauabteilung derzeitigen Zuschnitts besteht im
Grund genommen aus Facility-Management im weitesten Sinn, also der
technischen, infrastrukturellen und kaufmännischen Verwaltung immobiler
Vermögenswerte. Da sind neben der Serviceeinheit Immobilien mit der
Gebäudewirtschaft und der Informations- und Kommunikationstechnik der
Bereich öffentliche Straßen und Plätze, der Bereich öffentliche Grünanlagen
und der Bereich Friedhöfe. (Sie merken schon, die Begriffe Tiefbauamt,
Hochbauamt, Gartenbauamt, Friedhofsamt tauchen hier gar nicht mehr auf, weil
sich moderne Verwaltungen anders organisieren, als aus den Zeiten des
Freiherren von und zum Stein gewohnt.) Schnittstellen zur Stadtplanung
bestehen hier nur, insofern alles mit allem zusammenhängt.

Bleiben nur noch die Bereiche Landschaftsplanung sowie die Verkehrsplanung
als einzige Teile der Bauabteilung übrig, die sinnvollerweise zur
Stadtplanung gehören. Doch angesichts der geringen Ressourcen und der
bedauerlichen Bedeutungslosigkeit beider Politikfelder kann man das getrost
vernachlässigen.

In Zahlen ausgedrückt macht der Bereich Facility-Management im oben
dargestellten Sinn etwa 70 % der Abteilung aus, der Bereich Ordnungsbehörde
etwa 25 % und der planende Bereich, der tatsächlich zur Stadtplanung gehört,
etwa 5%. Wegen dieser 5 % den Fachbereich Planen, Genehmigen und
Denkmalschutz "in die Bauabteilung zu integrieren", das ist vielleicht
zwanghaft, aber nicht zwangsläufig. Eine fachliche Begründung findet sich
jedenfalls nicht. Ich kann mir eine ganze Reihe von Zuschnitten vorstellen,
werde aber auch hier den Teufel tun und das derzeit öffentlich ausbreiten.

Wer eine wirkliche Neuordnung der planenden und bauenden Bereiche hin zu
einer modernen, leistungsstarken Kommunalverwaltung will, der muss sie
mittel- und langfristig eher auseinander dividieren, statt sie wie zu
Kaisers Zeiten zusammenzufassen und zu zentralisieren -- und zusätzlich noch
neue Bürokratieebenen einzuziehen wie in § 35 Abs. 5 BezVG durch rot-rot
geschehen (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin 62. Jahrgang Nr. 28 21.
Juli 2006 Seite 819; viel Spaß beim Nachschlagen).

Mich würde auch mal interessieren, woran denn die postulierte
Blockadepolitik zwischen CDU und Grünen festzumachen ist. Nur weil diese
Propaganda seit Jahren als Stille Post und Flüsterparole durch sämtliche
SPD-Gremien des Bezirkes geistert, ist sie noch lange nicht wahr. Angesichts
der Unzuverlässigkeit der SPD-Fraktion in der zu Ende gehenden Wahlperiode
im Sachen Stadtentwicklung halte ich das eher für ein Ablenkungsmanöver, um
sozialdemokratisch gesinnte Befürworter von rot-grün von der eigenen
Illoyalität gegenüber dem grünen Zählgemeinschaftspartner abzulenken.
Das ist wohl wie bei Nessi: hinterher sind alle davon überzeugt, ein
Ungeheuer gesehen zu haben, die eins sehen wollten, obwohl sich nur die
Wellen gekräuselt haben.

Tatsächlich hat Herr Lawrentz immer wieder versucht, SPD und Grüne im
Bezirksamt gegeneinander auszuspielen, seit es seit 1989 in Schöneberg und
seit 2001 in Tempelhof-Schöneberg rot-grüne Mehrheiten im Bezirksamt gab.
Ich kenne ihn nicht anders. Er fand nicht immer BA-Mitglieder, die darauf
reinfielen...

Mit einem haben Sie wahrscheinlich recht: Politik ist oft nicht in der Lage,
vorhersehbare Katastrophen zu vermeiden. Wir sind vor fünf Jahren
dementsprechend guten Glaubens und überzeugt die Zählvereinbarung mit der
SPD eingegangen, auch wenn manche spätere Entwicklung Ihrer Meinung nach
damals schon vorhersehbar gewesen wäre.

Ich bin weiterhin überzeugt von Rot-Grün, trotz aller Wut angesichts der
Mutlosigkeit und des Machtopportunismus mancher Berliner Provinzpolitiker
auf Landesebene. Vielleicht gelingt es ja auf der kommunalen Ebene des
Bezirkes dem einen oder anderen Akteur in Zukunft, sich selbst ein wenig
mehr zurück zu nehmen und die Sache in den Vordergrund zu stellen, als ihm
das in der Vergangenheit möglich war. Ich jedenfalls bin weiterhin
hoffnungsvoll.

  
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