Hauptmenü
Online
Es sind 34 Besucher und 0 _MEMBER0 online..
Anmeldung
Sprachen
|
|
geschrieben von: Redaktion am 05.02.2016, 17:33 Uhr
paperpress525
|
Es fällt mir schwer, bevor ich aber zu den wahrhaft furchtbaren Zuständen in Berlin komme, muss ich leider den großen deutschen Politiker und Denker Helmut Schmidt zitieren, der Vorgänge, die er zum Kotzen fand, so benannte. Ja, es ist zum Speien, diese ständige Schlechtmacherei, das ewige Meckern und die Betroffenheitsrituale der Medienvertreter.
Es ist so furchtbar, dass die Flüchtlinge am LaGeSo anstehen müssen. Es ist so furchtbar, dass man dort im Schlamm steht, während beim Fest des Bundespräsidenten sofort Matten auf den feuchten Boden gelegt wurden, damit bei keinem die Schuhe nass werden. Ja, Herr Hingst, Sie haben Recht. Welche Schande. Und gut, dass sie diesen Skandal in Ihrer Sendung mit Michael Müller am 4. Februar zur Sprache brachten. Die Mitarbeiter im Bundespräsidialamt haben eben den Blick für das Wesentliche, beim LaGeSo fühlt sich niemand zuständig für Schlamm vor der Tür. Ja, es ist furchtbar, dass Wartende vor dem LaGeSo frieren müssen, weil sie die Wärmebusse nicht als solche erkennen und Angst haben, dort einzusteigen. Sie könnten ja losfahren, in Richtung Syrien.
Ja, es ist furchtbar, dass es in einer Flüchtlingsunterkunft ein paar Tage lang Gulasch gab, weil andere Lebensmittel in einer Stadt mit hunderten von Supermärkten nicht aufzutreiben waren. Die Flüchtlinge kommen aus Kriegsgebieten. Ihre Häuser wurden ihnen weggebombt, die Infrastruktur ist zusammengebrochen, kein Strom, kein Herd, kein warmes Essen. Und strandet man hier, wo die Verhältnisse menschenunwürdig sind, schlimmer als im Libanon, wie THW-Präsident Broemme feststellte, kriegt man nichts anderes als Gulasch.
Niemand erwartet, dass sich die Flüchtlinge, die unter Lebensgefahr zu uns kommen, täglich dafür bedanken, dass wir sie aufnehmen und versorgen, mit einem Dach über dem Kopf, ein Bett und etwas zu Essen. Wenn aber jemand in die Kamera spricht und sagt, dass er sich das anders bei uns vorgestellt habe, und es unwürdig sei, dann platzt mir der Kragen. Wer bringt diese Menschen dazu, so etwas zu sagen? Die Flüchtlinge leben hier in Sicherheit, so sicher, wie Großstädte nun einmal sind. Dass es ein Potenzial an Verwirrten Menschen in Deutsch-land gibt, die Flüchtlingsheime anzünden, ist schlimm. Von aktuellen Todesfällen ist mir nichts bekannt. Es gab auch etliche Brandstiftungen, die von Asylbewerbern selbst gelegt wurden, und in Thüringen und Niedersachsen waren im Oktober 2015 zwei Todesfälle nach Auseinandersetzungen unter den Bewohnern zu beklagen. Auch schlimm.
In Berlin gibt es leider bestimmte Menschen, die regelrecht darauf warten, dass endlich einmal ein Flüchtling zu Tode kommt, um den Sozialsenator als Mörder beschimpfen und seinen Rücktritt fordern zu können. Und wenn von selbst niemand sterben will, dann lässt man halt einen Syrer fiktiv zu Tode kommen, um die Stimmung anzuheizen. Als sich nach einem Tag herausstellte, dass alles Lüge war, haben sich vermutlich die Mörderrufer und Rücktrittsforderer bei Mario Czaja entschuldigt. Sollte, was hoffentlich nie passiert, ein Flüchtling vor dem LaGeSo bei Rot über die Ampel gehen und zu Schaden kommen, wird man auch das Czaja vorwerfen. Schließlich hätte er dafür sorgen können, dass in Moabit der Autoverkehr eingestellt wird.
In der bereits erwähnten RBB-Sendung, in der Bürger Michael Müller befragen konnten, gab es viel Applaus für die klaren Antworten des Senatschefs. Eher beiläufig, ohne emotionale Regung, wurde seine Aussage zur Kenntnis genommen, dass man 2015 immerhin 80.000 Menschen aufgenommen, registriert und versorgt habe. Eine enorme Leistung der Verwaltung mit großartiger Unterstützung der so genannten Stadtgesellschaft. Das ist aber alles selbstverständlich. Ganz furchtbar hingegen, wenn man auf Leistungen warten muss. Bekomme ich es nur nicht mit, dass die Abendschau jeden Tag damit aufmacht, dass wieder einige Hundert Menschen registriert und versorgt wurden? Ich höre nur, wie viele unverrichteter Dinge wieder in ihre Unterkunft zurück mussten. Das Negative, das Problem ist die Meldung, die mich auch, aber nur auch interessiert, neben den Vorgängen, die erfolgreich gemeistert wurden.
Es gibt kein anderes von der Größe her vergleichbares Gebiet wie Berlin, in dem 80.000 Menschen aufgenommen wurden. Unsere früheren Finanzsenatoren blickten immer nach Hamburg als großes Vorbild. Schön. Aber in Hamburg sind 15.000 Flüchtlinge angekommen. Eine Verwaltung, die mit einer derartigen zusätzlichen Belastung fertig wer-den muss, kann das nicht mal so meistern. Dass neue Mitarbeiter eingestellt wurden, ist ein erster Schritt, sie müssen aber auch ausgebildet werden. Wie stellt sich das der schlichte Bürger vor? Da setzt sich irgendjemand an den Schreibtisch und schon bekommt der Flüchtling sein Essensgeld? Kann man nicht wenigstens ab und zu mal den Verstand einschalten, bevor man seinem vorlauten Mundwerk freien Lauf lässt?
Jede Diskussion um eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen verläuft, auf die Zuständigkeiten des Berliner Senats bezogen, ins Leere. Wir können in Berlin keine Quote festlegen. Und jeder, der das fordert und so tut, als läge das in der Entscheidung des Senats, redet dummes Zeug.
Ich schätze Barbara John sehr. Aber die Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes sollte, bevor sie anfängt Rechenbeispiele in die Welt zu setzen, sich erst einmal sachkundig machen. 80.000 seien keine 5 Prozent (Anteil nach dem Königsteiner Schlüssel für Berlin). Rechnerisch richtig, aber schlecht recherchiert. Berlin hat ein zusätzliches Problem, nämlich unsere Beliebtheit. Hier melden sich auch Asylanten, die nicht über die üblichen registrierten und den Verteilschlüssel nach Berlin kommen. Es gibt auch andere Wege. Diese Menschen kann man nicht wegschicken. Wer hier Asyl beantragt, bekommt sein Verfahren. So ein-fach ist das. Geändert werden kann das nur vom Bundestag und der Bundesregierung, nicht aber vom Abgeordnetenhaus und Berliner Senat.
Viele tun so, als seien Michael Müller und Mario Czaja für den Flüchtlingszustrom verantwortlich. Das ist eben nicht so. Sie müssen mit den Gegebenheiten fertig werden und haben keinen Einfluss auf die Zahl der Ankommenden. Ohne belastbare Fakten zu kennen, wird in die Welt gesetzt, dass der Senat 50 Euro pro Flüchtling pro Nacht in Hotels ausgeben will. Das mögen sich Hotelbesitzer wünschen, der Senat würde nie darauf eingehen. Aber, Frau John und andere, schimpfen erst einmal drauf los, als sei das schon beschlossene Sache.
Jeder weiß, wo Flüchtlinge auf keinen Fall untergebracht werden dürfen. Natürlich nicht in 50 von 1.050 Turnhallen. Der Sport in Berlin würde zusammenbrechen. Mit Sportlern legt man sich nicht an. Es werden tagtäglich Immobilien ob ihrer Tauglichkeit überprüft. Falls sie geeignet sind, muss man sie in Stand setzen. Die Brandschutzbestimmungen sind in den letzten Jahren – zu Recht - verschärft worden. Dazu sind beispielsweise Notausgänge einzubauen, die es vielleicht vorher nicht gab. Da kann man nicht drüber hinweggehen. Was denn, wenn jemand im Heim verbrennt, weil es keinen Notausgang gab?
Sara Klinke, Redakteurin beim Berliner Abendblatt, spricht in einem Kommentar von einer „Verzweiflungstat“, auf dem Tempelhofer Feld bis zu 7.000 Menschen unterbringen zu wollen. Ja, es ist eine Verzweiflungstat, wo aber ist die Alternative? Der Senat will nicht 7.000 Menschen in Tempelhof unterbringen, er wird es vermutlich tun müssen. Wer an der moderaten Aufweichung des Tempelhofer „Volksgesetzes“ angesichts der Umstände, in denen wir uns befinden, herummäkelt, ist für mich nicht mehr ernst zu nehmen.
Geärgert habe ich mich darüber, dass Frau Klinke ihren Kommentar mit „Berlin baut ein Ghetto“ über-schrieb. Liebe Kollegin, wissen Sie eigentlich, was ein Ghetto ist? Auch wenn umgangssprachlich besonders abgetrennte Gebiete als Ghetto bezeichnet werden, so ist die historische Bedeutung, gerade für uns Deutsche, ein andere. Besuchen Sie Warschau, liebe Frau Klinke, und begeben Sie sich auf Spurensuche nach dem dortigen Ghetto während des Zweiten Weltkrieges. Wenn Sie dann noch der Meinung sind, in Tempelhof würde ein Ghetto entstehen, würden Sie mir leidtun.
Ob mit oder ohne Obergrenze, wir müssen weiter-hin Flüchtlinge aufnehmen. Und die Mehrheit der Berliner steht dieser Hilfsbereitschaft positiv gegen-über. Gerade einer Stadt, der während der Blockade 1948/49 geholfen wurde, als es ums Überleben ging. So wie es heute den Flüchtlingen auch ums Überleben geht. Kein Verständnis habe ich für die Pfennigfuchserei und die panische Angst, wir könnten finanziell untergehen. Trotz Flüchtlinge können wir uns die Beitragsbefreiung in Kita und Hort leis-ten. Und es werden Wohnungen gebaut, nicht allein für Flüchtlinge. Und davon, dass wir durch 80.000 Flüchtlinge übervölkert werden könnten, sind wir noch sehr sehr weit entfernt in einer Stadt mit 3,5 Mio. Einwohnern. Rechenaufgabe für Frau Professor John: knapp 3 Prozent.
Es gibt weder ein Flüchtlingsproblem, noch eine Krise, noch einen Notstand, noch steht der Unter-gang unseres Abendlandes bevor. Wir haben eine große Herausforderung zu bewältigen, nicht die erste in den letzten rund 780 Jahren Berlins.
Ed Koch
|
|
|
|
Anmeldung
Impressum
p a p e r p r e s s Ed Koch (Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt) Träger: Paper Press Verein für gemeinnützige Pressearbeit in Berlin e.V. Vorstand: Ed Koch - Mathias Kraft Postfach 42 40 03 12082 Berlin Email: paperpress[at]berlin.de PDF-Newsletter-Archiv: www.paperpress-newsletter.de
|