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Beiträge: "Auf tragische Weise misslungen"

geschrieben von: Redaktion am 15.10.2006, 15:28 Uhr
paperpress538 
Der Fall Kevin und die Folgen.
Ein Haus in einer Bremer Wohnanlage, wie es sie zu Hunderttausenden in unserem Lande gibt. Was hinter den Wohnungstüren geschieht, wissen nur wenige. Aber immer mehr Nachbarn schrecken auf, wenn sie den Schrei eines Kindes hören. Dieser kann ganz harmloser Natur sein. Kinder schreien nun mal, aus Freude und aus Leid. Nicht immer muss elterliche Gewalt die Ursache von Schreien sein. Hat man als Nachbar die Courage, an der Wohnungstür, hinter der die Schreie zu vernehmen waren, zu klingeln und einfach mal nachzufragen? Oder ruft man lieber gleich die Polizei und macht sich unbeliebt, wenn es sich um ein völlig harmloses Schreien gehandelt hat. Die Entscheidung fällt nicht leicht. Aber immer mehr Menschen achten darauf, wie es den Kindern in ihrer Nachbarschaft geht. Die Zahl der Anrufe bei Polizei und Jugendämtern hat zugenommen. Nicht zugenommen hat die Zahl der Beschäftigten in den Behörden. Ganz im Gegenteil. Wo man hinschaut, überall teilweise massiver Stellenabbau.

Hätten aufmerksame Nachbarn oder ein personell besser ausgestattetes Bremer Jugendamt dem kleinen Kevin das Leben retten kön-nen? Der Fall des kleinen Kevin, dessen misshandelte Leiche im Kühlschrank gefunden wurde, wirft eine Reihe zusätzlicher Fragen auf. Vom Bürgermeister über die Jugendsenatorin und dem Jugendamtsleiter bis hin zu den Sachbearbeitern wusste jeder um die Gefahr, in der sich Kevin befand. Wenn ich lese, dass es die Bremer Linie sein soll, Kindern lieber bei ihren drogenabhängigen Eltern zu belassen als in einem Heim unterzubringen, kann ich nur entsetzt reagieren. Das Jugendamt Bremen als Vormund des Kindes, als Ersatzmutter und –vater, hat sträflich versagt. Die Einsicht, den Jungen aus der Wohnung zu holen, kam zu spät. Deshalb ist es vollkommen richtig, dass die Jugendsenatorin Karin Röpke sofort zurückgetreten ist. Damit mach man Kevin zwar auch nicht wieder lebendig, aber ein Zeichen an die Öffentlichkeit ist es doch. Karin Röpke sagte der Presse, dass sie „tief erschüttert“ über den Fall sei. Der Tod des Jungen belaste sie persönlich, da ihr die Vorgeschichte bekannt gewesen sei. Da das Jugendamt als Vormund eingesetzt war, habe der Staat wesentlich die Verantwortung für das Kind übernommen. Dies sei in diesem Fall auf tragische Weise misslungen.

Auch der Leiter des Jugendamtes wurde inzwischen suspendiert und gegen andere Mitarbeiter der Behörde wird ermittelt. Das sind alles richtige Reaktionen. Der Fall muss detailliert aufgeklärt werden, schließlich gab es Hinweise und Warnungen, so zum Beispiel aus dem Heim, in dem Kevin zeitweise untergebracht war. Der Heimlei-ter wandte sich an Bürgermeister Jens Böhrnsen, der seine Senatorin davon in Kenntnis setzte und wohl davon ausging, dass damit der Fall in guten Händen liegt. Er hätte ab uns zu mal nachfragen sollen. Seit Juli hat Kevin niemand mehr gesehen. Und niemand kam offenbar in den letzten Monaten und Wochen auf die Idee, einmal nachzuschauen. Und als man sich dann dazu entschloss, war es zu spät.

Es ist in solchen Fällen immer dasselbe Ritual, das Politiker nach der Katastrophe der Öffentlichkeit zur Beruhigung anbieten. „Wir werden alles tun, damit sich so ein Vorgang nicht wiederholt!“, lautet der Standardsatz. Alles? Was soll das heißen? Alles kann überhaupt nicht getan werden. Man kann ja schließlich den Eltern nicht ihre Kinder gleich nach der Geburt wegnehmen, weil Eltern potenzielle Kindesmisshandler sein könnten. Und wer garantierte dann den Kindern, dass sie in Heimen unbeschädigt aufwachsen? Alles Unsinn. Die weitaus meisten Eltern planen und freuen sich über ihren Nachwuchs und tun viel, damit diese ordentliche Mitglieder in unserer Gesellschaft werden. Es muss dem Staat jedoch gelingen, die ersten Monate und Jahre der Kinder im Auge zu behalten. Das erreicht man nicht dadurch, dass in den Säuglingsfürsorgen das Personal drastisch abgebaut wird. Der Berliner Weg, gegen alle Widerstände, Kindertagesstätten kostenfrei anzubieten, das Schuleintrittsalter zu senken und mit Ganztagsschulangeboten für eine Grundversorgung der Kinder zu sorgen, ist richtig und hoffentlich unumkehrbar. Der Personalabbau in den Jugendämtern muss sofort gestoppt und teilweise rückgängig gemacht werden.

Es ist ehrenwert, dass sich die Bundesjugendministerin Ursula von der Leyen in die Diskussion einschaltet und ein neues Frühwarnsys-tem einführen will. „Im Fall Kevin hat das Zusammenspiel der staatlichen Hilfen sträflich versagt. Das können wir nicht länger hinnehmen“, sagte Ursula von der Leyen der Presse zum Fall Kevin. „Um künftig vernachlässigte und misshandelte Kinder früh zu finden und ihnen zu helfen, will das Familienministerium zehn Millionen Euro in ein Frühwarnsystem investieren, kündigte die Ministerin an. Familien, die mit der Erziehung eines Kindes überfordert seien, sollen im Rahmen von Modellprojekten vor oder auch ab der Geburt intensiv begleitet werden. Die Projekte würden mit Ländern und Kommunen entwickelt. Ein Kompetenzzentrum zur Koordinierung der Aktivitäten solle noch in diesem Jahr eingerichtet werden.“ Das sind richtige Ansätze, die nicht auf die lange Bank geschoben werden dürfen. Ob 10 Millionen dafür ausreichend sind, wird sich zeigen. Es darf jedoch nicht erneut zur Tagesordnung übergegangen werden. Häuser wie in Bremen gibt es überall im Land. Wie viele Kinder müssen noch misshandelt werden, ehe es wirksame Methoden gibt, die ihnen die Qualen und Leiden oder auch den Tod ersparen?

Der Fall Kevin hat die Diskussion um die Verbindlichkeit der Teil-nahme von Kindern an Früherkennungsuntersuchungen erneut entfacht. „Der familienpolitische Sprecher der CDU/CSU, Johannes Singhammer, forderte eine höhere Verbindlichkeit für die Teilnahme von Kindern an Früherkennungsuntersuchungen. Defizite könnten so früh erkannt werden. Die jugendpolitische Sprecherin der SPD, Christel Humme, wies die Forderung hingegen zurück. Eine Pflicht zur Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen für Kinder könne wenig zur Aufdeckung solcher Fälle wie dem des zweijährigen Kevin beitragen. Besser seien mehr Angebote durch Schwan-gerschaftsberatungen, Geburtsvorbereiter und Familienhebammen. Insofern sei die Ankündigung von der Leyens zu begrüßen. Frühwarnsysteme seien hervorragend geeignet, um gefährdeten Kindern und ihren Familien rechtzeitig Hilfe zukommen zu lassen.“

„Der Kriminologe und ehemalige niedersächsische Justizminister Christian Pfeiffer will laut einem Bericht des Berliner „Tagesspiegel“ am 1. November in fünf Regionen Niedersachsens und Bremens ein Programm zur Rettung sozial bedrohter Kinder starten. Die nach amerikanischem Vorbild gestaltete Stiftung „Pro Kind“ könne sich 280 sozial bedrohter Mütter in den ersten Schwangerschaftsmona-ten annehmen und sie über Jahre hinweg mit Hebammen und Fami-lienhelfern begleiten. Das Projekt soll inklusive der Begleitforschung in den ersten zwei Jahren rund drei Millionen Euro kosten.“ Es ist immer erfreulich, wenn sich Politiker Gedanken machen und Projek-te ankündigen. Hoffen wir also alle gemeinsam erneut, dass den Ankündigungen auch Taten folgen und vor keine Haustür mehr ein Schild mit der Aufschrift „Warum“ gestellt werden muss.

Ed Koch

Text-Quelle: Focus Online.

  
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