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Erinnerungen an Erika Heß

geschrieben von: Redaktion am 30.05.2016, 07:04 Uhr
paperpress529 
Am 30. Mai 1986 starb Erika Heß. Sie wurde nur 52 Jahre alt. In einem Nachruf in paperpress Nr. 212 vom 19.06.1986 würdigten wir die Kommunalpolitikerin, die wir als Jugendstadträtin in Zehlendorf kennenlernten und auf ihrem Weg als Weddinger Bezirksbürgermeisterin begleiteten. Sie war für uns mehr als nur eine Politikerin, über die es lohnte zu berichten, sondern eine sehr gute Freundin und häufig Rat gebende. In ihren beiden Funktionen in Zehlendorf und Wedding setzte sie Maßstäbe. In zwei Bezirken, die unterschiedlicher nicht sein können.

In einem Interview, das wir im Oktober 1984 mit ihr führten, äußerte sie sich zu einer Reihe von heute noch aktuellen Themen. Seit fast vier Jahren war Erika Heß zum Zeitpunkt unseres Interviews damals erste Bürgerin des Wedding. Zuvor arbeitete sie in einem ganz anders strukturierten Bezirk, nämlich Zehlendorf. Man merkte ihr allerdings im Gespräch an, dass ihr die Arbeit im Wedding sehr viel mehr Spaß machte als in der vor-nehmen Südregion. Dort ging es oft im Gremium der Bezirksstadträte sehr ideologisch zu. Im Wedding hatte Erika Heß eine „Große Koalition“ im besten Sinne für die Bürger geschaffen.

Und unbestritten war, dass die damalige Konstruktion der Bezirksämter – wie heute – auf Einigung angelegt ist. Erika Heß hielt das auch für gut, wenn die großen Parteien geradezu verpflichtet sind, für den Bürger in dessen Interesse Einigungen zu erzielen. Dennoch schloss sie damals nicht aus, dass sich eines Tages diese Konstruktion ändert und es so genannte politische Bezirksämter geben könnte, was hieße, Koalitionen möglich wären und nur die Parteien, die dieser Koalition angehören, Stadträte stellen könnten. Aus diesem Plan ist nie etwas geworden. Heute gibt es Zählgemeinschaften, die nur einem Zweck dienen, die attraktiven Ressorts an die Parteien im Bezirksamt zu vergeben, die der Zählgemeinschaft angehören.

Viel wichtiger allerdings als die Überlegung, ob es ein politisches Bezirksamt geben sollte oder nicht, war für Erika Heß die Frage nach den größeren Kompetenzen der Bezirksämter und der Bezirksverordnetenversammlungen. Die Bezirksämter sollten beispielsweise selbst darüber entscheiden können, ob sie fünf oder sieben Stadträte benötigen. Die BVV sollte nicht grundsätzlich überall – damals – aus 45 Mitgliedern (heute 55) bestehen, sondern an der Bevölkerungszahl des jeweiligen Bezirks gemessen werden. Auch regte sie an, die Wahltermine des Abgeordnetenhauses von denen der Bezirksverordnetenversammlungen zu trennen, um die Bezirkspolitik stärker in den Fokus zu rücken. Das waren alles kluge Vorschläge, von denen keiner umgesetzt wurde, was Erika Heß im Wesentlichen auch ihrer eigenen Partei, der SPD, zu verdanken hat.

Heute haben wir in Berlin 12 Bezirke, von ursprünglich 20, bzw. nach der Wende 23, weil sich die DDR noch drei dazu bastelte. Ein Foto mit Willy Brandt, Erika Heß und Hans Nisblé vor einer Veranstaltung im Rathaus Wedding, hat für mich persönlich eine große Bedeutung, zeigt es doch zwei Menschen, von denen mich der eine dazu bewegt hatte, 1968 in die SPD einzutreten, nämlich Willy Brandt, und der andere mich dazu gebracht hat, 1998 wieder auszutreten. Gemeint ist Hans Nisblé. Nisblé war erst Abgeordneter, dann 1986 unter Erika Heß Sozialstadtrat im Wedding und von 1994 bis 2001 Bürgermeister des Bezirks. 1998 beschloss die damalige Große Koalition aus CDU und SPD (Regierender Bürgermeister Diepgen, Fraktionschefs von CDU und SPD Landowsky und Böger) aus 23 Bezirken zwölf zu machen. Für eine Reduzierung der Anzahl der Bezirke war ich auch. So wie aber das neue Berlin von CDU und SPD zusammengeschustert wurde, war und ist das völlig inakzeptabel. Nisblé spielte eine ganz besondere Rolle in dieser Mauschelei aus Parteiinteressen und Machtgehabe. Er wollte unbedingt den Wedding mit Tiergarten und Mitte im neuen Zentrum Berlins in einen Hauptstadtbezirk integrieren. Das ist ihm auch gelungen, lassen wir an dieser Stelle einmal die unschönen Begleiterscheinungen weg. Da platzte mir der Kragen: Da es nicht um die Stadt, sondern nur um eigene Interessen von Bezirksfürsten ging, und das alle anderen bereitwillig mitmachten, war für mich in der SPD kein Platz mehr. Nur zwei Sozialdemokraten, darunter die heute noch streitbare Gerlinde Schermer, stimmten gegen die Bezirksfusion. Fotos Seiten 26/27: Mathias Nitschke

Übrigens: Hans Nisblé wurde nicht – wie gewünscht – Bürgermeister von Mitte. Er musste sich mit dem Vizeposten abfinden, verlor ihn aber nach den Neuwahlen 2001 sehr schnell wieder. Von 2004 bis 2015 war er Landesvorsitzender der AWO. Eine meiner schönsten Erinnerungen an Erika Heß ergibt sich dennoch aus diesem Foto. Vor jener Veranstaltung im Rathaus Wedding tranken Erika, Willy und ich erst einmal einen Cognac. Und ich durfte diesen Willy Brandt ins Glas füllen. Was für ein Tag. Was für ein Erlebnis. Von Erika Heß bleibt natürlich viel mehr, auch wenn heute die meisten lediglich das Eisstadion im Wedding mit ihr in Verbindung bringen. Die Erinnerung von uns „Älteren“ an sie bleibt bestehen. Schmerzlich, denn Kommunalpolitiker von ihrem Schlag findet man heute ganz selten, auf Anhieb fällt mir, ehrlich gesagt, keiner ein.

Ed Koch

  
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