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geschrieben von: Redaktion am 17.11.2016, 12:27 Uhr
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Den Spruch, „Wenn sich durch Wahlen etwas ändern würde, hätte man sie schon längst abgeschafft“, sollten wir vergessen. Es wird sich etwas ändern, also verbessern, müssen. Drei Bürgermeister auf dem Weg zu neuen Ufern. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) mit den beiden Bürgermeistern (-in) Ramona Pop (Grüne) und Dr. Klaus Lederer (Linke). Dass Pop und Lederer die Stellvertreterposten von Müller mit Büros auch im Roten Rathaus übernehmen werden, stand zwar noch nirgendwo, wird aber so sein. Wer sonst sollte diese Posten übernehmen, wenn nicht die beiden Spitzenkandidaten und Verhandlungsführer. Da in etlichen Zeitungen die Ressortverteilung nicht ganz korrekt wiedergegeben wurde, zitieren wir an dieser Stelle das Original aus dem Koalitionsvertrag, letzte Seite 177.
Die SPD stellt den Regierenden Bürgermeister einschließlich der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung sowie die Senatsverwaltung für Finanzen, die Senatsverwaltung für Inneres und Sport, die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie sowie die Senats-verwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung.
DIE LINKE stellt eine*n Bürgermeister*in und die Senatsverwaltung für Kultur und Europa, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, sowie die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Sozia-les.
BÜNDNIS 90/ Die GRÜNEN stellt eine*n Bürgermeister*in und die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz sowie die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung.
Namen werden natürlich auch schon gehandelt, obwohl sie noch nicht beschlossen und verkündet sind. SPD und Grüne legen den Koalitionsvertrag ihren Parteitagen vor, alle Mitglieder der Linken bekommen diesen per Post zugesandt und können sich dann äußern. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass am 8. Dezember alles in trockenen Tüchern ist, Michael Müller zum Regierenden Bürgermeister gewählt wird und er anschließend zehn Senatorinnen und Senatoren ernennt, vier von der SPD und je drei von Linken und Grünen.
Dass Michael Müller das geliebte Kulturressort abgeben musste, schmerzt ihn. Es wird ihn trösten, dass er dennoch zu den Premieren der Opernhäuser eingeladen wird. Dass Herr Dr. Lederer so scharf auf die Kultur ist, verstehe wer will. Bislang ist er in diesem Bereich nicht besonders aufgefallen. Seine Äußerungen am 17. November zur Kultur-Politik in Berlin, im InfoRadio-Interview, waren sehr allgemein gehalten. Frau Pop als Wirtschaftssenatorin ist ebenfalls eine Besetzung aus dem Katalog „Wünsch Dir was“. Wirtschaft, Energie, Betriebe, Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, Justiz und Verbraucherschutz in grüner Hand, das kann spannend und unterhaltsam werden.
Kultur, Europa, Stadtentwicklung, Wohnen, Integration, Arbeit und Soziales unter Linker Regie dürfte auch für die eine oder andere Überraschung sorgen. „Europa“? Warum nicht „Welt“? Wird Klaus Lederer unser neuer Außen- und Reisesenator?
Gut ist, dass Wissenschaft und Forschung wiedervereint werden. Wissenschaft gehörte in der letzten Legislaturperiode zum Bildungsressort und Forschung zur Wirtschaftsverwaltung. Es ist mutig, dass der Regierende Bürgermeister diese wichtige Aufgabe zusätzlich übernimmt und damit zur Chefsache erklärt. Dass die Finanzen beim stärksten Koalitionspartner bleiben, ist sinnvoll. Ein Regulativ muss es schließlich geben.
Das größte Konfliktpotenzial sehe ich bei der Innenverwaltung, auch beim Sport, denn dort will Klaus Böger „seine“ Turnhallen endlich zu-rückhaben. Es ist wirklich schade, dass das Innenressort nicht an die Grünen geht. Benedikt Lux oder Dirk Behrendt wären doch ausgezeichnete Kandidaten. So muss Andreas Geisel dieses schwierige Amt übernehmen und sich künftig mit vielen Klugscheißern und wenigen Fachleuten herumärgern. Das wird kein Vergnügen sein. Die SPD wird das „Gedöns“-Ressort Jugend und Schule einfach nicht los. Gerhard Schröder, von dem diese Bezeichnung stammt, bereut allerdings heute, von „Familie und Gedöns“ gesprochen zu haben. Vor allem mit Schule kann man keinen Blumentopf gewinnen. Sandra Scheeres belegte in der Beliebtheitsskala immer den fast letzten Platz. Und, wenn man ehrlich ist, lag das weniger an ihr als an diesem schwierigen Ressort, wo es noch mehr Klugscheißer und noch weniger Fachleute gibt. Sie hat ihren Job ordentlich gemacht, kämpfte aber häufig aussichtlos auf den vielen Baustellen, und das kann man angesichts maroder Schulen wörtlich nehmen.
Die CDU findet kein gutes Haar am künftigen Senat. Florian Graf sagt: „Rot-Rot-Grün ist impulslos, hoffnungslos, trostlos.“ Fehlt nur noch atemlos. Er fügt aber hinzu: „Ich hoffe nicht, dass es das Motto der rot-rot-grünen Koalition ist.“ Graf weiter: „Rot-Rot-Grün scheitert schon mit dem Koalitionsvertrag am eigenen Anspruch des Aufbruchs. Das Links-bündnis setzt Signale des Verhinderns und Behinderns von Zukunfts-chancen. Statt einer überspannenden Idee für die wachsende Metropole Berlin, ein Programm der wachsenden Stadt vorzulegen, erschöpft sich die Vereinbarung in Klein-Klein. Seriöse Haushaltspolitik, unser Credo ist ‚Sparen und Gestalten‘, wird über Bord geworfen, um jede Parteiströmung einzukaufen und Ideologie – etwa im Bereich Bildung oder Verkehr – zu finanzieren. Es wird wahr: Stillstand bedeutet Rück-schritt! Berlins Kurs der letzten Jahre und die Entwicklung der Stadt waren weitaus besser als ihr Ruf. Die Wünsch-Dir-was-Politik der neuen Koalitionäre steht schon heute im Verdacht, die wirtschaftliche Gesundung und die weltstädtische Entwicklung Berlins zu hemmen.“
Warten wir es ab. Niemand kann ernsthaft davon überrascht sein, was jetzt SPD, Linke und Grüne mit Berlin vorhaben. Am meisten Angst werden wohl die Autofahrer haben, und das sind nicht wenige. Ob sich die Fahrradfahrer wirklich freuen können, wird sich zeigen. Ganz großes Kino werden wir erleben, wenn es um weitere Flächen geht, die bebaut werden könnten. Wenn die Mitwirkungsmöglichkeiten bei Bauvorhaben durch „betroffene“ Bürger erweitert werden, na dann viel Spaß liebe Bauwirtschaft und Wohnungssuchende. Gespannt darf man auch sein, was das Stadtwerk betrifft. Gespannt sein dürfen wir, aber nicht überrascht. All das, was jetzt passiert, steht in den Wahlprogrammen der Parteien. Wer liest das schon? Anfang März dieses Jahres hatte die Große Koalition aus SPD und CDU letztmalig die Umfragemehrheit von 50 Prozent. Schon Ende März war es damit ein für alle Mal vorbei. Es ging stetig bergab, während auf der anderen Seite Rot-Rot-Grün immer stärker wurde – im April schon bei 56 Prozent, im Juli 62 und am 18. September 52,4 Prozent. Die Forschungsgruppe Wahlen hatte übrigens für R2G 52,5 Prozent am 15. September vorausgesagt. Chapeau!
Rot-Grün hatte nie eine wirkliche Chance, auch wenn sich Michael Müller das noch so sehr gewünscht hatte. Das auch noch öffentlich zu sagen, hat der SPD Stimmen gekostet, auch aus dem Lager der CDU. Die Große Koalition hatte am Wahlabend noch einen Zuspruch von 39,2 Prozent.
Also: Jeder, der rechnen kann, hat gewusst, was passiert. Der Wähler hat so entschieden und nicht anders. Prognose: Berlin wird Rot-Rot-Grün fünf Jahre lang überstehen, ohne dass es uns schlechter geht. Vielleicht ein wenig besser bei der Terminvergabe auf den Bürgerämtern? Vielleicht trauen sich die Kinder wieder auf die Toiletten in ihren Schulen, weil diese renoviert wurden? Jede neue Regierung hat einen Anspruch auf Vorschussvertrauen, und ich finde, auch länger als nur 100 Tage.
Ed Koch
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