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Schlimmer konnte es nicht kommen

geschrieben von: Redaktion am 20.05.2017, 08:27 Uhr
paperpress541 
Der verheerende Terroranschlag am 19. Dezember 2016 auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz hat nicht nur die Menschen in Berlin, sondern in ganz Deutschland und weit darüber hinaus in vielen anderen Ländern erschüttert. Als wäre das nicht alles furchtbar genug, kristallisiert sich nun heraus, dass dieser Anschlag zu verhindern gewesen wäre, wenn man den Attentäter rechtzeitig aus dem Verkehr gezogen hätte. Rechtliche Grundlagen dafür gab es offenbar nach ersten Ermittlungen.

Dass unser Sicherheitsgefühl durch den Anschlag erschüttert wurde, ist verständlich. Die Politiker versprachen uns jedoch, dass die Sicherheitslage ins-gesamt gesehen gut sei. Man habe alles im Griff, könne aber eben nicht alles verhindern. Unser letzter Strohhalm war das Vertrauen in die Sicherheitskräfte, in Polizei und Staatsanwaltschaft. Dieser Stroh-halm ist nun zerbrochen. Anis Amri nicht rechtzeitig festgenommen zu haben, ist mehr als nur eine Ver-kettung unglücklicher Umstände. Es hat auch nichts mit der Überlastung der Behörden zu tun. Viele unterschiedliche Stellen waren an Amri dran, der Informationsaustausch war augenscheinlich miserabel. Selbst wenn es „nur“ ein Versagen von Polizei, Staatsanwaltschaft und anderen war, hätte man das noch nach dem Versprechen, dass so etwas nie wieder passieren wird, verzeihen können. Dass aber Vorgänge manipuliert wurden, um eben dieses vermutete Versagen zu vertuschen, ist der zweite, gleichgroße Schlag in unser Sicherheitsgefühl.

Dass sich der amtierende Innensenator Andreas Geisel genötigt sieht, Strafanzeige gegen Mitarbeiter des Landeskriminalamtes zu stellen, zertritt das zarte Pflänzchen Sicherheitsgefühl, das gerade wieder am Gedeihen war. Einerseits blieb Andreas Geisel gar nichts anderes übrig, andererseits ist es ein äußerst mutiger Schritt gegen die eigenen Leute vorzugehen. Es wird Polizisten geben, die Geisels Vorgehen befürworten, zu befürchten ist aber auch, dass es welche gibt, die das gar nicht gut finden.

Der vom Senat eingesetzte Sonderermittler Bruno Jost hat als Einzelkämpfer in kurzer Zeit mehr zu Tage gefördert, als das einem Untersuchungsaus-schuss nur annähernd möglich gewesen wäre. In Untersuchungsausschüssen, die nach Parteienpro-porz besetzt sind, spielt häufig weniger der Aufklärungsgrund eine Rolle als vielmehr die politische Strategie. Außerdem kommt hinzu, dass nach einer Reihenfolge der Vorsitz an die Partei vergeben wird, die gerade dran ist. Und das wäre bei einem Anis-Amri-Untersuchungsausschuss die AfD. Man kann nur hoffen, dass dies – sollte es zu einem Ausschuss kommen – durch parlamentarische Möglichkeiten verhindert wird. Nicht auszudenken, wenn gerade dieses Thema über Monate und Jahre von der AfD als Plattform für ihren Rechtspopulismus genutzt werden könnte.

Die Mitglieder der demokratischen Parteien im Abgeordnetenhaus sollten in diesem Falle ihre Profil-neurosen zurückstellen und den Sonderermittler seine Arbeit machen lassen. Mehr als Bruno Jost würden die Berliner Abgeordneten auch nicht ermitteln können. In NRW, wo Aufklärung im Fall Amri auch Not täte, hat sich die Ausschussfrage durch die Landtagswahl erst einmal erledigt. Ob der Bundestag einen Ausschuss einsetzen wird, ist fraglich.

Natürlich werden schon jetzt Rufe nach Rücktritten laut. Die Medien heizen diese Forderungen an. Gei-sel bewährt sich als Fels in der Brandung, der erst die internen Ermittlungen abwarten will, bevor über personelle Konsequenzen gesprochen wird. Das ist der richtige Weg. Und danach wird sich entscheiden, ob der Polizeipräsident, der Chef des Landeskriminalamtes oder auch Personen aus der Justiz zurück-getreten werden. Niemand wird jedoch daran gehindert, selbst zurückzutreten. Wäre Frank Henkel heute noch Innensenator, so stünde sein Name auf der Rücktrittsforderungsliste vermutlich an erster Stelle.

Andreas Geisel war erst elf Tage im Amt, als Anis Amri mit einem gestohlenen polnischen LkW in den Weihnachtsmarkt raste und zwölf Menschen tötete und 67 teils schwer verletzte, die nun ein Leben lang mit diesem Trauma zurechtkommen müssen. Geisel hatte keine 100 Tage Schonfrist. Wir können aller-dings froh sein, in diesen schwierigen Zeiten ihn und keinen anderen als Innensenator zu haben.

Wenn sich letztlich wirklich belegbar herausstellt, dass das Attentat hätte verhindert werden können, wird das Nachspiel für Berlin sehr teuer. Schon jetzt wittern die Anwälte Morgenluft und legen für dieses mögliche „Staatsversagen“ die Latte auf 100 Millionen Euro. Das macht keinen Toten wieder lebendig, wäre aber ein Zeichen für den Staat, sich künftig keine Fehler mehr erlauben zu dürfen.

Ed Koch

  
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