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geschrieben von: Redaktion am 26.08.2017, 08:52 Uhr
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Das muss man Young Euro Classic lassen, kein Festivaltag gleicht dem anderen, ähnelt ihn nicht mal. Erlebten wir noch am 24. August ein „Old School“-Konzert wie es im Buche steht mit Tschaikowski und Beethoven, tauchte der Konzertsaal einen Tag später unter die Meeresoberfläche. In blaues und gelbes Licht war der Raum gehüllt, Möwenkrächzen und plätscherndes Wasser als Untermalung. Die jungen Musiker der „Baltic Sea Philharmonic“ betreten lang-sam und bedächtig die Bühne als wateten sie durchs Wasser. In ihrem Strom schwimmt unbemerkt der Dirigent Kristjan Järvi mit bis zu seinem Pult, an dem er plötzlich steht und das Spektakel eröffnet. Die Fahrt der Nautilus startet und Kristjan Järvi gibt den Kapitän Nemo.
Das Konzert beginnt, passend zum Titel „Water-works“, mit Händels Wassermusik von 1717, eingerahmt und kombiniert von Gene Pritskers „Water Possessed Afresh“, ein Stück, das exakt 300 Jahre später, nämlich in diesem Jahr entstand, und Charles Colemans „Drenched“ von 2014. Womit Händels Werk „durchnässt“, aber nicht verwässert, sondern auf vollen Orchestersound mit viel Schlagzeug geflutet wird, erfahren wir aus dem Programmheft. Das gelang sehr gut.
Dann betrat der heute 80-jährige Komponist Philip Glass das Podium, wenn auch nicht persönlich. Glass hat dutzende von Instrumentalwerken, Opern, Ballett- und Filmmusiken komponiert und gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Minimal Music. Nun, davon war an diesem Abend nichts zu merken, es ging eher maximal zur Sache. Vor der Pause wurde auf der Nautilus sein Violinenkonzert zu Gehör gebracht. Der anspruchsvolle Titel „The American Four Seasons“ erfüllte nicht die Erwartungen, die sich im Hinterkopf gesammelt und mit Vivaldi verbunden hatten.
„Águas da Amazônia“ heißt die Komposition, die den zweiten Teil des Abends ausfüllte. Das seien „musikalische Impressionen aus dem Dschungel“, lesen wir im Programmheft. Philip Glass hat dieses Werk als Ballettmusik geschrieben. Das hätte ich gern gesehen. Stattdessen tanzte das Scheinwerferlicht durch den Saal, blendete, jedenfalls den Besuchern auf dem Rang, immer wieder in die Augen, und sorg-ten für Wahrnehmungsstörungen. Hektische nervöse Musik mit ebensolchem Licht zu kombinieren, war ziemlich anstrengend zu ertragen. Auf der Bühne, zwischen den Musikern, waren kleine Lichtleisten mit jeweils fünf Leuchten, horizontal und vertikal installiert worden, diese flimmerten, ein Lämpchen nach dem anderen leuchtend, und schwirrten durch die Musik wie Glühwürmchen. So ein psychedelisches Farbspektakel bin ich aus Discotheken, die heute Clubs heißen, gewohnt. Da ist mir allerdings die Musik egal, nicht aber im Konzerthaus, da steht die Musik im Vordergrund und nicht die Beleuchtung.
Die Lichtshow war sicherlich gut gemeint, größten-teils technisch auch gut gemacht, aber einfach viel zu viel des Guten. Die nicht gerade leichte Kost der Musik auf die Sinne wirken zu lassen, war schon nicht einfach, in Kombination mit dem Licht, wurden die Sinne, jedenfalls meine, überfordert.
Dennoch oder gerade weil: eine überragende Leistung der jungen Musiker aus dem Ostseeraum, von den skandinavischen über die baltischen Staaten bis zu Russland, Polen und Deutschland. Der 45-jährige Dirigent Kristian Järvi wurde in den USA geboren und hat estnische Wurzeln. Auch sein Vater Neeme ist Dirigent. Kristian ist seit 2012 Chefdirigent des MDR Sinfonieorchesters mit Sitz in Leipzig und leitet nach wie vor das von ihm gegründete New York Absolute Ensemble. Er ist ein Energiebündel, das die Werke eher tanzt als dirigiert.
Mit dem Schlussapplaus im Konzertsaal war der Abend noch längst nicht zu Ende. Denn, es stand das traditionelle Publikumsfest auf dem Gendarmenmarkt an. Bevor sich die YEC-Fans, die das Konzert mit frenetischem Beifall quittierten, Bier und Brezeln hingaben, beschenkte das Orchester sein Publikum mit einigen Zugaben unter freiem Himmel. Einige meinten, dass dies der beste Teil des Konzerts gewesen wäre. Vor allem, weil die Musiker Mitten im Publikum standen. Und was für ein Glück mit dem Wetter, endlich mal ein Tag ohne Regen und mit angenehmer Temperatur. Zur Chronistenpflicht gehört allerdings dazu, dass etliche Gäste schon in der Pause das Konzerthaus verließen. Ich habe im zweiten Teil des Abends überwiegend die Augen verschlossen gehalten, die Gefahr einzuschlafen bestand ja nicht bei dem Höl-lenlärm auf der Bühne. Wir haben den Trip durch die Weltmeere mit der Nautilus überstanden und sind nicht untergegangen. Nun blicken wir gespannt auf die nächsten Tage von YEC. Das Konzert am heutigen Samstag wird unter die Haut gehen. Chor und Orchester der Elisabeth University of Music, Hiroshima, haben sich angekündigt. Schon beim Namen Hiroshima bekommt man Gänsehaut. Als sei es die Fortsetzung des gestrigen Abends mit anderen Mitteln, wenn das Konzert mit Beethovens „Meeresstille und glückliche Fahrt“ beginnt. Gefolgt von Franz Schuberts „Unvollendeter“, bei der man immer wieder traurig darüber wird, dass nur zwei Sätze vorhanden sind. Wie schön hätte das Werk vollendet werden können. Im zweiten Teil kommt dann auch der Chor zum Einsatz bei „Sternlose Nacht“ des 62-jährigen japanischen Komponisten Toshio Hosokawa, der in Hiroshima zur Welt kam.
Tickets gibt es noch – gleich zum Ausdrucken am heimischen Computer mit Wunschplatzauswahl – www.young-euro-classic.de
Ed Koch
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