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Die Jagd ist eröffnet

geschrieben von: Redaktion am 27.09.2017, 11:21 Uhr
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Die schlimmste Äußerung, die ich je nach einer Bundestagswahl anhören musste, war das wutschnaubende Gegröle eines alten Mannes im braunen Jackett und „Deutscher Schäferhund“-Krawatte. Deutlicher kann man seine politische Ausrichtung nicht zur Schau stellen. „Wir werden sie jagen!“ Und: „Wir holen uns unser Land und unser Volk zurück.“ Ich zumindest habe nicht bemerkt, dass „unser Land“ und „unser Volk“ weg waren. Wenden wir uns aber der Jagd zu. Dass dieser Schreihals auch noch Gauland heißt, verstärkt nur den Brechreiz. Gemeint hat er Angela Merkel, alte und sicherlich auch neue Bundeskanzlerin. Ist es im Getöse untergegangen, oder ging der Satz noch weiter? „Wir werden sie jagen“ und? „Erlegen“? Nein: seine Wortwahl wäre ja eine andere: „Entsorgen.“ In Anatolien wollte er die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), entsorgen. Nun, bei Angela Merkel würde ja Mecklenburg-Vorpommern reichen. Es ist bei Gauland immer das gleiche Schema, er haut irgendeine Unverschämtheit heraus, lässt diese von den Medien breit treten, um sie danach zu relativieren und zu versprechen: „Er werde diese Metapher aber künftig nicht mehr benutzen, da ihm ‚auch vernünftige Menschen‘ davon abgeraten hätten.“ Quelle: Merkur

„Am Tag nach der Bundestagswahl hat AfD-Parteivize Alexander Gauland eine Debatte darüber angefacht, ob das Existenzrecht Israels zur deutschen Staatsräson gehören müsse.“ Quelle: Süddeutsche Zeitung

Im ARD-Brennpunkt am Montag nach der Wahl erhielt Gauland Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Wortreich relativierte er mal wieder alles und der Moderatorin Tina Hassel fiel dazu nichts anderes ein als sich dafür zu bedanken, dass er seine Äußerungen klar gestellt habe. Was ist das für eine Art von Journalismus? Die Antwort auf sein Geschwafel hätte lauten müssen, dass sein Verhalten Methode ist, die immer und immer wieder angewendet werden wird. Irgendjemand und irgendetwas beleidigen und sich bei seinen Anhängern dafür feiern lassen und es dann für die 87 Prozent Nicht-AfD-Wähler zu relativieren.

Inzwischen hat sich in den sozialen Netzen eine Initiative „Wir sind 87 Prozent“ gebildet. Manchmal sind diese Medien auch zu irgendetwas Nutze.

Jagdszenen aus Berlin

Es ist sicherlich politisch nicht besonders korrekt, von Gaulands Jagdgelüsten auf die Jagdszenen in Berlin überzuleiten. Sei es drum. In Berlin hat die Jagdsaison begonnen. Jäger: Einige Medien und Heckenschützen aus der eigenen Partei. Beute: Der Regierende Bürgermeister und SPD-Parteivorsitzende.

Was haben eigentlich die Medien von Michael Müller nach dem vorhersehbaren Erfolg des Pro-Tegel-Volksentscheids erwartet? Aufkündigung aller Verträge und Vereinbarungen mit dem Bund und Brandenburg? Der Volksentscheid fordert den Senat auf, „die Schließungsabsichten aufzugeben und alle Maßnahmen einzuleiten, die erforderlich sind, um den unbefristeten Fortbetrieb des Flughafens Tegel als Verkehrsflughafen zu sichern!“ Klare Ansage, allerdings mit zwei Fallstricken. Kann Berlin wirklich allein entscheiden, Tegel am Netz zu belassen? Was geschähe, wenn Berlin einseitig den Landesentwicklungsplan mit Brandenburg aufkündigte? Was, wenn der Senat den Widerruf der Betriebsgenehmigung widerrufen würde? Rechtsgutachten gibt es Pro und Kontra. Die Entscheidung eines Gerichts kennt je-doch niemand. Geklagt würde im Falle der Offenhaltung von vielen. Ausgang ungewiss.

Müller hat angekündigt, sich mit dem Bund und Brandenburg in Verbindung zu setzen. Auch wenn es von einigen Zeitungen belächelt wird, für derartige Kontaktaufnahmen sind Briefe nun mal ein sehr geeignetes Mittel. Mit Brandenburg kann man sicherlich sehr schnell ins Gespräch kommen. Auf Bundesebene sieht es etwas anders aus. Alexander Dobrindt ist nunmehr Vorsitzender der CSU-Landesgruppe, fällt also als Verkehrsminister aus. Und Angela Merkel hat im Augenblick besseres zu tun, als sich um einen Flughafen zu kümmern, der ohnehin noch mindestens zwei Jahre offenbleiben wird.

Der FDP und ihrem Flughafen-Bündnispartner CDU geht es, wie wir wissen, nicht um Tegel. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Florian Graf hat den Volksentscheid Tegel zur Abstimmung über die Rot-Rot-Grüne Koalition erklärt. Zwar ist diese in der Stadt immer noch alternativlos, aber – aus lauter Lust und Dollerei – sollte man doch wenigstens versuchen, den Regierenden Bürgermeister abzuschießen. Und an nichts haben bestimmte Medien mehr Spaß, als am Politiker-Versenken.

Speerspitze der Jagdgesellschaft

Die Speerspitze der Jagdgesellschaft ist der Tagesspiegel. Nachdem am 26. September ein in Berliner Journalistenkreisen nur mit Kopfschütteln quittierter Kommentar, schon mal die Richtung vorgab, wird der Weg heute, am 27. September, genauer vorgegeben. Hier ein paar Ausschnitte:

„Nur noch weg aus dieser Stadt. Gleich nach dem Fest zur deutschen Einheit, am 4. Oktober, fliegt Michael Müller nach Los Angeles.“ Kein Wort dar-über, dass diese Reise seit Monaten feststeht und das 50-jährige Bestehen der Städtepartnerschaft begangen wird.

„Der Regierende Bürgermeister reist gern, seitdem er im Roten Rathaus sitzt. In diesem Jahr war er schon in Montreal und Ulan Bator, in Moskau und Kiew. Aus der Ferne erscheint der politische Alltag in Berlin nicht ganz so katastrophal.“ Solche Zeilen suggerieren den Bürgern, dass hier jemand aus Spaß an der Freude auf ihre Kosten gern verreist. Kein Wort zu den Hintergründen der Reisen und kein Wort dar-über, dass diese weit entfernt von vergnüglichem Tourismus sind. Reine Hetze und Stimmungsmache. Hat das Der Tagesspiegel wirklich nötig, sich auf das Niveau von Gunnar Schupelius downzugraden.

„Das Regieren ist für ihn zur politischen Überlebensfrage geworden. Müller ist längst ein Partei- und Regierungschef auf Abruf, aber noch findet sich keiner, der den ersten Stein wirft.“ Jeder Politiker ist auf Abruf tätig. Dafür sind die Wähler zuständig, nicht die Medien. Und wenn sich kein anderer findet, werfen halt Journalisten den ersten Stein.

Kurzum: Müller muss weg. Wer die Tagesspiegel-Berichterstattung liest, kann nur diese eine Aufforderung erkennen. Unverhohlen setzt der Tagesspiegel sein Bewerbungsverfahren für Fraktionschef Raed Saleh fort. „Raed Saleh trifft den richtigen Ton“, erklärt uns das Blatt.

„Im Roten Rathaus soll bis 2021 rot-rot-grün weiter-regiert werden. Ob und wie lange noch mit Michael Müller an der Spitze, ist eine Frage, die sich auch viele Genossen stellen.“ Ja, bis 2021 hat die Rot-Rot-Grüne-Regierung ein Mandat der Wähler. Und auch Michael Müller als Regierender Bürgermeister.

„Selbst jene Funktionäre aber, die nicht zum Müller-Lager gehören, scheuen sich vor den schwer kalkulierbaren Konsequenzen eines Putsches.“ Da hat man doch wenigstens Mal das Wort Putsch ins Spiel gebracht. Fehlt nur noch eine Bastelanleitung des Tagesspiegels.

Es folgt das Bewerbungsschreiben für Raed Saleh für das Amt des Regierenden Bürgermeisters, das der Tagesspiegel schon mal vorformuliert hat.

„Ganz Wowereit – und das Gegenteil von Müller. Raed Saleh: Einer, der nicht zulassen wollte, dass seine SPD in der neuen Koalition gleich unsichtbar wird. Einer, der glaubt, dass er es besser kann als Müller. Raed Saleh gilt noch als Mann im Warte-stand, auch wenn sich innerparteilich die Zweifel mehren, ob er den Sprung noch rechtzeitig wagt.“ Der Tagesspiegel trägt förmlich Saleh zum Jagen.

Ein Stimmungsbild aus der Lyrik-Abteilung des Tagesspiegels: „Vor ein paar Tagen steht Saleh auf einem der grässlichsten Plätze Berlins, dem Kurt-Schuhmacher-Platz. Im Fünf-Minuten-Takt donnern die landenden Passagierflugzeuge über ihn hinweg. Ein paar hundert Meter weiter beginnt die Lande-bahn. Eben hat Saleh mit Antje Kapek und Silke Gebel von den Grünen und Carola Bluhm und Udo Wolff von der Linken ein ‚Tegel schließen‘-Trans-parent in die Kameras gehalten. Jetzt schlendert er durch die wabernde Mischung aus Abgasen und Pommesbudendunst und redet mit jedem, der mit ihm reden will. Das sind so einige.

Eine alte Frau steht vor Raed Saleh und hält ihm die Hand hin. Zwei Tage vor der Bundestagswahl und der Tegel-Abstimmung wirbt der Fraktionschef für die Position des Senats. Saleh nimmt die Hand der Frau und fragt, wie sie abstimmen werde. ‚Für die Schließung‘, sagt sie. Saleh lächelt und fragt, woher sie komme. ‚Reinickendorferin‘, sagt sie stolz, ‚seit 81 Jahren!‘ – ‚Was?! Das glaube ich nicht!‘, sagt Saleh. Jetzt lächelt auch die Frau.“ Anmerkung: Das ist nicht die heute-show, sondern der Tagesspiegel. Und weiter:

„Da ist Saleh das Gegenteil von Müller, ganz wie Klaus Wowereit: kein Wunsch nach Abstand, kein Schritt zurück, eher die Hand, die sich auf den Arm des Gegenübers legt. Ein Mann fragt, warum der Senat erst so spät auf die Pro-Tegel-Kampagne der FDP reagiert habe. ‚Sie haben Recht‘, sagt Saleh. Man habe spät reagiert, dann aber mit Wucht.“ Die Tagesspiegel-Redakteure haben offenbar nie Müller auf offener Straße im Gespräch mit Bürgern erlebt. Dass am Ende nur 56 von anfangs rund 80 Prozent Tegel-Befürworter übrig geblieben sind, hat die SPD nicht dem Tagesspiegel und nicht Saleh zu verdanken, sondern doch wohl eher Michael Müller. Das passt aber nicht ins Bild.

Ed Koch

  
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