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Von der Kunst, sich gegenseitig auszuhalten

geschrieben von: Redaktion am 18.11.2017, 02:44 Uhr
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Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin macht gegenwärtig eine schwere Zeit durch. Und das alles nur, weil sich 14 Abgeordnete bei ihrem Chef über dessen Amtsführung beschwert haben. Wenn in so einem Fall die Vorwürfe berechtigt sind, und das ist wohl hier der Fall, dann könnte man erwarten, dass sich der Chef die Sache zu Herzen nimmt, vernünftig mit seinen Leuten spricht und alles ins Lot bringt. Trotz einer stundenlangen Fraktionssitzung, auf der alle Probleme angesprochen wurden, ist jedoch nicht erkennbar, dass sich etwas ändert. Raed Saleh und die ihm verbliebenen Anhänger machen so weiter wie bisher. Das „System Saleh“ wird durchgezogen, auch wenn es der Partei schadet. Abgeordnete sollen nach der Veröffentlichung ihres Briefes beschimpft und bedroht worden sein.

In dieser Phase ist der Fraktionsvorsitzende Raed Saleh am Freitag bei der Diversity-Konferenz des Tagesspiegels im Verlagshaus am Askanischen Platz aufgetreten und sprach dort „von der Kunst, ‚sich gegenseitig auszuhalten‘– auch im Arbeitsleben.“ Gemeint war nicht das Verhältnis zwischen ihm und seiner Fraktion, vielmehr ging es um Integration im Betrieb. Die Menschen dort sollen sich „angenommen und zugehörig fühlen.“ Mehr erwarten eigentlich die SPD Abgeordneten auch nicht von ihrem Vorsitzenden.

Saleh scheint ziemlich Schnuppe zu sein, was Teile seiner Fraktion bemängeln bzw., was die Partei beschließt. Am 11. November sprach sich die Berliner SPD eindeutig gegen eine Leitkultur aus. In dem Antrag, der im Konsens verabschiedet wurde, steht der Satz des Philosophen Jürgen Habermas: „Eine liberale Auslegung des Grundgesetzes ist mit der Propagierung einer deutschen Leitkultur unvereinbar.“ Das hinderte Raed Saleh nicht daran, beim Tagesspiegel „über seine Idee einer Leitkultur“, die auch Thema seines Buches „Ich deutsch“ ist, zu sprechen.

Dabei sei Saleh, so ein Bericht im Tagesspiegel, zu „alter Form aufgelaufen.“ „Zwar haben ihm die vergangenen Tage, im existenziellen Streit mit der eigenen Fraktion, sichtbar zugesetzt: Ein müdes Gesicht, Ringe unter den Augen und ein verspanntes Lachen bei der Begrüßung. Aber dann legt Saleh, der über „eine neue Leitkultur für die Arbeitswelt“ reden sollte, befreit los. Als wäre nie etwas gewesen. Als kämpfe er nicht um sein politisches Überleben“, schreibt der Tagesspiegel. „Saleh spricht über ‚die Kunst, sich gegenseitig auszuhalten‘, und über seine Hoffnung auf ‚ein neues Wir-Gefühl‘ in der Gesellschaft.“ In der Fraktion würde ja vorerst ausreichen.

„Viele Genossen in Partei und Fraktion, die nicht mehr gut auf ihn zu sprechen sind, hätten an dieser Stelle wohl nicht applaudiert, weil Worte und Taten des SPD-Fraktionschefs aus ihrer Sicht zu weit auseinanderklaffen. Egal. Die zahlreich erschienenen Konferenzgäste sind sehr angetan von dem fulminanten Vortrag, in freier Rede und mit großer Geste.“ Er beherrsche seine Rolle und spiele sie „ausgezeichnet“, ist zu lesen.

Und „Dass ihm der SPD-Landesparteitag vor einer Woche mit einem Beschluss gegen eine ‚Leitkultur von links‘ rigoros ins Wort fiel, ist Saleh offenkundig egal. Sein Bemühen, dem ursprünglich konservativ besetzten Begriff neues sozialdemokratisches Leben einzuhauchen, setzt er auch am Freitag fort. Es sei doch egal, wie man es nenne. ‚Meinetwegen auch Leitfaden oder Hausordnung, es geht um gemeinsame Regeln, auf die sich alle einigen sollten.‘“ Vielleicht hält Saleh am kommenden Dienstag, wenn die nächste Selbst- oder Neufindungssitzung der SPD-Fraktion stattfindet, den Vortrag, den er beim Tages-spiegel hielt, noch einmal.

„Mit dem Mikrofon in der Hand läuft er auf dem Podium hin und her, seine Hände sprechen mit. Das Impulsreferat wird zur Dichterlesung, es fehlt nur noch das Klavier. ‚Brust raus‘, ruft der SPD-Fraktionschef. ‚Selbstbewusstsein ist was Gutes!‘“ Zur Klarstellung, das ist nicht die „heute show“, sondern ein Auftritt von Raed Saleh bei der Diversity-Konferenz des Tagesspiegels. Schlussabsatz des Tagesspiegel-Artikels:

„Am Dienstag, dem 21. November, wird sich die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus erneut mit der Frage befassen, wie sich die drohende Spaltung der Regierungsfraktion abwenden lässt. Mit oder ohne den Chef Saleh, dessen politische Zukunft nach sechs Jahren im Amt am seidenen Faden hängt. Er versuche unermüdlich, mal mit massiven Drohungen, mal mit guten Worten, die Abgeordneten wieder hinter sich zu sammeln, hört man in SPD-Kreisen. Ein Kämpferherz ist Saleh nicht nur beim Thema Leitkultur, sondern auch in eigener Sache. Er will unbedingt vermeiden, in absehbarer Zeit nur noch Buchautor zu sein“, was keine Schande wäre.

Zusammenfassung: Ed Koch

  
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