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geschrieben von: Redaktion am 05.01.2018, 08:38 Uhr
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1965 lernte ich den Schlagzeuger einer Amateurbeatband auf der Handelsschule kennen. Seine aus der klassischen Beatles-Formation bestehende Gruppe, Lead-, Rhythmusgitarre, Bass und Schlagzeug, nannte sich „Selected Four“. Die Mitglieder kamen allesamt aus Neukölln. Und so machte ich mich eines Tages vom fernen Friedenau aus auf die Reise nach Neukölln, um alle Mitglieder der Band kennenzulernen. Im Keller einer Kirchengemeinde in der Nähe der Schillerpromenade übten die vier Jungs. Ein paar eigene Stück, aber vornehmlich das damals Gängige, Beatles und Rolling Stones, bestimmten ihr Repertoire. Sie traten häufig im nahe gelegenen Jugendzentrum Lessinghöhe auf.
Brauchte der Drummer neue Sticks oder der Gitarrist Ersatz-Saiten, war das Musikhaus Bading in der Karl-Marx-Straße die nächste Adresse. Schon seit Jahrzehnten gibt es die Selected Four nicht mehr, das Musikhaus Bading hat die Zeit und alle musikalischen Richtungen überstanden, fast bis zum 100-jährigen Bestehen. Dann kam die Silvesternacht 2017 und das Geschäft brannte weitestgehend aus. Nach allem, was man weiß, sorgten gezielt auf das Geschäft eingesetzte Feuerwerkskörper für den Brand, der Schallplatten und CDs zum Schmelzen brachte, Gitarren und Erinnerungsstücke an den Wänden unwiederbringlich vernichtete.
„Angreifer aus einer Gruppe von Randalierern, viel-leicht 50, vielleicht 100, die Zeugenaussagen schwanken, sprengte laut Polizei erst eine Schaufensterscheibe und warf dann Feuerwerkskörper in den Verkaufsraum.“, berichtet die Berliner Zeitung. „Ich bin wirklich traurig darüber, weil hier ein Stück Neuköllner Tradition zerstört wurde", sagte die Bürgermeisterin von Neukölln der Berliner Morgenpost. „Ich hoffe, dass der Täter bald gefasst und dann auch hart bestraft wird." Ja, das hoffen alle, nicht nur diejenigen, die das Musikhaus gut kannten.
Was sind das für Menschen, die gezielt Geschäfte zerstören, vermutlich auch den Bahnhof Zoo in Brand schossen und nachhaltig außer Betrieb setzten und Böller auf Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungskräfte werfen?
Das Silvesterfeuerwerk soll eigentlich dazu dienen, die bösen Geister zu vertreiben. Heute sind es die bösen Geister selbst, die die Lunten anzünden. Sicherlich ist es eine Minderheit, die die Knallerei nicht als Willkommensgruß für das neue Jahr versteht, sondern als Kriegsspiel. Diese Minderheit wird aber von Jahr zu Jahr größer. Vor allem der Angriff mit Silvesterfeuerwerk auf Menschen hat eine neue furchtbare Qualität erreicht. Billigend nehmen die Verursacher das Schädigen der Gesundheit ihrer Ziele in Kauf. Das sind keine Kinderspiele oder Dumme-Jungen-Streiche, es sind kriminelle Hand-lungen, die sehr hart bestraft werden müssen.
Dieses Verhalten zeugt von einer unglaublichen Respekt- und Empathielosigkeit, ich würde es sogar als Verwahrlosung bezeichnen. Bestraft werden müssen solche Taten natürlich, man muss aber viel früher ansetzen. Die Gesellschaft, also die Eltern und Verwandten, der Staat, also die Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, tun zu wenig, um den Heranwachsenden eine schlichte Botschaft zu vermitteln, nämlich, so etwas tut man nicht! Ist das so schwer zu begreifen?
Schon immer gab es Jugendliche, die nicht wussten, wohin mit ihrer Kraft. Das entlud sich aber in früheren Jahren irgendwie anders. Die Freude an der Zerstörung fremden Eigentums ist für viele fast gesellschaftsfähig geworden. Was sind das für Menschen, die nichts Besseres mit sich anzufangen wissen, als in der Silvesternacht die Schaufensterscheiben des Bürgerbüros der Abgeordneten Melanie Kühnemann in Lichtenrade einzuschmeißen? Es wäre zu kurz gegriffen, alles rechten Spinnern oder abgelehnten Asylbewerbern in die Schuhe zu schieben. Wir sollten zuerst in unseren eigenen vier Wänden damit beginnen, die nächsten Generationen zu friedlichen Bürgern zu erziehen, was kritisch sein nicht ausschließt. Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass das Silvesterfeuerwerk für Privatpersonen verboten gehört. In diesem Sinne wünsche ich ein friedliches Restjahr.
Ed Koch
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