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Aufwachen, Genossen

geschrieben von: Redaktion am 20.05.2018, 13:19 Uhr
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Wenn ich nicht nach 30 Jahren Mitgliedschaft in der SPD, 1998 wegen der stümperhaft und nur dem Parteienproporz von CDU und SPD geschuldeten Neuzusammenschnitt der Berliner Bezirke, ausgetreten wäre, hätte ich zur 50-jährigen Mitgliedschaft sicherlich im November dieses Jahres die Goldene Parteinadel ans Revers geheftet bekommen, sollte es diese Auszeichnung fürs Durchhalten geben.

Als jemand, der nach seinem Austritt der Partei – mangels geeigneter Alternativen – noch verbunden geblieben ist, schmerzt es mich in unregelmäßigen Abständen, wie viele dumme Menschen sich in der Berliner SPD tummeln. Dumm, weil es – wie Walter Momper immer so treffend sagt – das Gegenteil von schlau ist, immer wieder irgendwelche Papiere über den Tagesspiegel in die Stadt zu blasen, die vielleicht gut gemeint sein mögen, aber in der Öffentlichkeit nur das Bild der Zerrissenheit mit immer dickeren Farben zeichnen.

Die Berliner LINKE macht es vor. Innerparteilich wird um den besten Weg gestritten. Partei- und Fraktionsvorstand ziehen am selben Strang wie ihre Senatsmitglieder. Papiere werden auf den Parteitagen beraten und nicht vorher durch die Medien gepeitscht. Es ist so einfach, stärkste Partei zu sein. Nach der neuesten Umfrage liegen die LINKEN bei 22 Prozent und ihr Bürgermeister und Kultursenator Klaus Lederer ist seit Monaten Berlins beliebtester Politiker, auch wenn ihn die Hälfte der Wähler gar nicht kennt.

Inhaltlich ist die Kritik an dem SPD-Fraktionsvor-sitzenden Raed Saleh, wie sie im Januar 2017 von sechs der zwölf Kreisvorsitzenden und im November 2017 von 14 der 38 Fraktionsmitglieder geäußert wurde, sicherlich berechtigt. Hätte man das aber nicht intern klären können? Auch in dem Papier, das der scheidende Vize-Vorsitzende der Berliner SPD, Rackles, wie schon oft zuvor, medienwirksam verbreitete, steht fraglos einiges, worüber die Partei nachdenken könnte. Aber parteiintern. Als Nicht-Mitglied habe ich keine Veranlassung, mich an Meinungsbildungsprozessen innerhalb der SPD zu beteiligen. Aber nun: Es ist Pfingsten! Der Heilige Geist ergießt sich über uns. Und sorgenvolle Sozialdemokraten schütten ihre Ansichten – wie immer über die Medien – auf uns hernieder. Online stellen sieben „namhafte“ Sozialdemokraten ein Zukunftspapier vor und versäumen nicht, zwei Wochen vor der Wahl des neuen Landesvorstands den Landesvorsitzenden und Regierenden Bürgermeister Michael Müller „massiv“ zu kritisieren.

Unter www.zukunft-spd-berlin.de äußern sich Nicola Böcker-Giannini, Neukölln, Björn Böhning, Friedrichshain-Kreuzberg, Kevin Hönicke, Lichtenberg, Sven Kohlmeier, Marzahn-Hellersdorf, Bettina König, Reinickendorf, Joschka Langenbrinck, Neukölln, Lars Oberg, Tempelhof-Schöneberg. Ich vermute, liebe Leserinnen und Leser, dass sie von den meisten noch nie etwas gehört haben. Neben den beiden ausgewiesenen Müller-Dauer-Kritikern Oberg und Kohlmeier hat Ex-Senatskanzlei-Chef Björn Böhning mitgewirkt. Da fragt man sich schon, ob er in seinem neuen Job als Staatsekretär im Arbeits- und Sozial-ministerium vielleicht nicht ausgelastet genug ist. Müller hat, als er Regierender Bürgermeister wurde, Böhning von Wowereit übernommen. Das haben schon damals viele als Fehler angesehen. Müller wäre viel erspart geblieben, wenn er gleich einen anderen berufen hätte.

„Wir laden demnächst zu einem Diskussionsforum ein. Die Einladung hierzu erfolgt über diese Webseite“, kündigen die Verfasser an. Dann werden wir mal täglich auf die Seite schauen, um nichts zu versäumen. Eines ist aber schon jetzt klar: dieses Papier sichert nicht die Zukunft der SPD, ganz im Gegenteil. Wieder einmal sollen Diskussionen, die in die Partei gehören, außerhalb von ihr geführt werden. Die Autoren können doch nicht ernsthaft glauben, dass sie mit ihrer Prosa nur einen bisherigen Nicht-Wähler der SPD dazu bewegen, bei ihr sein nächstes Kreuz zu machen. „Die Berliner SPD hat den Anspruch, führende politische Kraft in der Stadt zu sein. Sie sieht sich als einzige Partei, die die Stadt zusammenhalten kann und die in der Lage ist, Ost und West ebenso wie die Innenstadt und die Außenbezirke zu repräsentieren. Diese Sicht speist sich auch aus einer stolzen Tradition. Keine andere Partei regiert in Berlin so lange und erfolgreich wie die SPD.“ Da kommen einem die Tränen. Aktuelle Umfrage. SPD 18% Berlin – 16% Ost – 20% West.

„Wir müssen aber eingestehen, dass dieser Anspruch hohl geworden ist. Davon zeugen nicht nur die schmerzhaften Wahlergebnisse in den letzten beiden Jahren. Das Grundproblem der SPD ist, dass sie keine klare Linie mehr hat, die ihr Tun beschreibt. Viel zu häufig verliert sich die SPD im Kleinklein einer tristen Verwaltungslogik oder in blumigen Worthülsen, die im Alltag der Berlinerinnen und Berliner rasch widerlegt werden. Es reicht eben nicht aus zu erklären, man stehe für bezahlbare Mieten, faire Arbeit und gute Bildung für alle, wenn gleichzeitig die Mieten explodieren, prekäre Beschäftigung zunimmt und sich viele Eltern Sorgen um die Qualität der Schulen ihrer Kinder machen.“ Soviel zum Thema: „Keine andere Partei regiert in Berlin so lange und erfolgreich wie die SPD.“ Man darf nicht vergessen, dass die Verfasser dieser Zeilen Teil des Problems sind, die sich nun aber offenbar als die Lösung empfehlen wollen.

„Es ist Klaus Wowereit zu verdanken, dass Berlin sich zur Welt öffnete. Der frische Wind entfachte eine Dynamik, die Berlin stark veränderte. Lange wurde die Veränderung fast wie ein Selbstzweck bejubelt und gefeiert. Dabei wurde zu spät erkannt, dass die wirtschaftliche Dynamik, der Zuzug von Hunderttau-senden und der Rückzug des Staates durch den zu spät eingeleiteten Stopp der Sparpolitik eine zunehmend polarisierte Stadt hinterlassen haben.“ Von Absatz zu Absatz werde ich wütender. Die sieben Autoren zwängen sich in den Beichtstuhl, mit welchem Zweck eigentlich? Wie es ist, wissen wir. Macht es doch gefälligst besser, oder löst Euch auf.

„Auf der einen Seite stehen nun die Menschen, die die Entwicklung positiv sehen, den Wandel vorantreiben, Neues ausprobieren und mehr Tempo bei der Veränderung einfordern. Auf der anderen Seite stehen Berlinerinnen und Berliner, denen ihre persönliche und soziale Situation Sorgen bereitet und die eine doppelte Erniedrigung erdulden müssen: Sie haben ihre materielle Sicherheit verloren, nicht zuletzt durch immer mehr unsichere Jobs, Langzeitarbeitslosigkeit und eine Wohnungsnot, die sie direkt und massiv bedroht. Zugleich erleben sie, wie der Ton von Leuten bestimmt wird, mit deren Lebensstil ihre Wirklichkeit nichts zu tun hat. Viele Menschen fühlen sich aus der politischen und öffentlichen Wahrnehmung ausgeschlossen. Auch durch die SPD. Sie erkennen sich weder auf den Plakaten noch in der Sprache führender Sozialdemokraten wieder.“ Mit deutlicheren Worten kann man seinen Selbstmord ja wohl kaum inszenieren.

„Es kann kein Trost sein, dass auch die anderen Parteien in Berlin über eine bestürzend geringe Integrationskraft verfügen, sich zunehmend in der Pflege ihrer Kleinstmilieus verlieren und dort auf maximale Mobilisierung bei Wahlen hoffen. Selbst wenn vor allem Linke und Grüne mit der Taktik aktuell erfolgreich zu sein scheinen, wäre es fatal, wenn die nach einer Linie suchende Sozialdemokratie auf diesen Kurs einschwenken würde.“

So ein hohes Maß an Selbstaufgabe habe ich noch nie gelesen. Es fällt schwer, aus dem ganzen Gelaber herauszufinden, was die Autoren eigentlich wollen und was ihre Konzepte sind. „Dafür ist nicht weniger als ein echter Neuanfang mit einer inhaltlichen Neuaufstellung notwendig…Auch im Inneren wird die Berliner SPD lernen müssen, inhaltliche Konflikte auszuhalten und personelle Konflikte endlich zu be-enden. Nur eine Partei, die sich selbst über den Weg traut, wird in der Stadt Vertrauen zurückgewinnen können.“ Aha. Da kommen wir der Sache schon nä-her. Vorschlag: Raed Saleh und Michael Müller treten zurück und werden durch einen Mann und eine Frau ersetzt, die sich mögen, zum Beispiel Iris Spranger und Jörg Stroedter. Kennen Sie nicht? Klaus Wowereit und Michael Müller kannte am Anfang auch niemand.

„Damit die inhaltliche Neuaufstellung klappt, müssen die Berliner endlich erfahren, wohin die SPD mit der Stadt will. Wie das Berlin aussieht, von dem die Sozialdemokratie träumt, für das sie arbeitet und kämpft.“ Ich weiß nicht, ob die Autoren des Drehbuchs für die nächste Folge von Rosamunde Pilcher das Wahlpro-gramm der SPD 2016 gelesen haben. Ich schon. Da steht alles drin, was wichtig ist. Ja, die Umsetzung ist nicht einfach, weil, was inzwischen bekannt sein soll-te, wir eine Dreierkoalition haben. Richtig ist auch, dass sich diese Koalition in vielen Fragen gegenseitig blockiert und alles etwas länger dauert. Aber, lieber Wähler, Ihr habt es so gewollt. Ihr hättet ja zu 51 Prozent SPD wählen können, dann wäre vieles einfacher. Habt Ihr aber nicht.

Das Gequatsche der Medien und der Opposition von der Richtlinienkompetenz des Regierenden Bürgermeisters, ist scheinheilig. Natürlich kann er Bausenatorin Katrin Lompscher rausschmeißen. Und dann?

Den Rest des Textes müssten Sie bitte selbst auf der Internetseite nachlesen, ich ertrage keine weiteren Zitate. Nur noch den Schlusssatz: „Die SPD braucht den Mut, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und eine eindeutige Richtung vorzugeben. Vor allem muss die SPD wieder liefern – Ideen, Lösungen und spürbare Verbesserungen.“ Außer Phrasen liefern die sieben Genossen nichts, Ideen und Lösungen sind im Text nicht erkennbar. Der Heilige Geist muss sich knapp an den sieben vorbei ausgeschüttet haben.

Ed Koch

  
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