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Ehrung für Marlene Dietrich - Eigentlich peinlich

geschrieben von: Redaktion am 27.06.2018, 08:03 Uhr
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Barry Gibb, letztes lebendes Mitglied der „erfolgreichsten Familienband der Welt“ (Millennium Edition des Guinness-Buchs der Rekorde) erhielt von Prinz Charles den Ritterschlag. Das nenne ich eine Ehrung. So etwas ist natürlich nur in einer Monarchie möglich und auch nur mit noch lebenden Menschen. Marlene Dietrich ist bereits 1992 verstorben. Sie ist, wie der Tagesspiegel schreibt, „Eine Tochter Schönebergs mit Weltruhm.“ Vermutlich die einzige, oder habe ich jemand übersehen? Natürlich habe auch ich viele Filme mit ihr gesehen, was allerdings schon sehr lange her ist, vorwiegend in schwarz-weiß.


Vor allem aber ist mir Marlene Dietrich als eine besondere Art von Widerstandskämpferin im Gedächtnis geblieben. Schon vor der „Machtübernahme“ emigrierte sie in die USA und trug für gute Laune und Stimmung der amerikanischen Soldaten bei, die für die Befreiung Deutschland vom Faschismus kämpf-ten. Sie trat vor den Soldaten auf uns sang. Das mag mancher als etwas lächerlich empfinden, im Krieg geht es aber immer auch um die Moral der Truppe. Diese zu stärken war eines ihrer Verdienste, auch durch Besuche bei verwundeten Soldaten am Krankenbett. 1901 kam sie in der damals noch selbständigen Stadt Schöneberg zur Welt. Gestorben ist sie 91 Jahre später in Paris. Ihr Grab befindet sich auf dem Friedhof in der Stubenrauchstraße im Schöne-berger Ortsteil Friedenau. An ihrem Geburtshaus in der Leberstraße 65 befindet sich eine Gedenktafel. Immerhin.

Die Leberstraße ist nach dem sozialdemokratischen Widerstandskämpfer Julius Leber benannt. Ihm zu Ehren trägt die benachbarte Brücke und der S-Bahnhof seinen Namen, ebenso wie die Bundeswehrkaserne im Wedding. Man hätte also die Leber-straße auch in Marlene-Dietrich-Straße umbenennen können, ohne Julius Lebers Verdienst zu schmälern. Das stand aber nie zur Debatte. Stattdessen wollte man einen Teil der Naumannstraße am Bahnhof Südkreuz nach ihr benennen. Der Bahnhofsvorplatz trägt übrigens den Namen von Hildegard Knef, zwar in Ulm geboren, aber 2002 in Berlin gestorben. Man hätte auch die lange Straße vom Bahnhof Südkreuz bis zur Kolonnenstraße nach Marlene Dietrich benennen können, stattdessen entschied man sich dafür, Straßenschilder mit dem Namen des ziemlich unbedeutenden Schöneberger Bürgermeisters Wil-helm Kabus herstellen zu lassen. 1992 erhielt Kabus für seine Verdienste um den Bau von Wohnungen für Einkommensschwache und die Einrichtung von Sozialstationen und Behinderten-werkstätten das Große Bundesverdienstkreuz. Das hätte als Ehrung ausgereicht. Als Bürgermeister musste ihn seine Partei, die CDU, 1983 förmlich aus dem Amt tragen, weil er nicht einsehen sollte, dass seine Zeit abgelaufen war.

Die Erben von Marlene Dietrich wehrten sich gegen die Teilumbenennung der Naumannstraße erfolg-reich. Ich weiß nicht, ob sich ihre Erben einmal den Kinosaal im Rathaus Schöneberg angesehen haben. Ja, tatsächlich, das Rathaus Schöneberg verfügt über einen Kinosaal. Ich weiß nicht, ab welcher Grö-ße man einen Raum als Saal bezeichnen darf. Dieser Kinosaal hat bestenfalls die Größe eines dieser Mini-Kinos in den großen Filmzentren. Auch finden hier keine regelmäßigen Vorführungen statt. Höhepunkt im Jahr ist die Pressekonferenz der Bezirksbürger-meisterin, bei der ein rund sechs Minuten dauernder Image-Film über den Bezirk Tempelhof-Schöneberg gezeigt wird.

Rechts hinten in der Ecke, ein paar Stufen rauf und dann links, ist die Wegbeschreibung der Pförtner, wenn man nach dem „Saal“ fragt. Ich habe meinen Augen nicht trauen wollen, als ich die Pressemitteilung der SPD-Fraktion las: „Auf Initiative der SPD-Fraktion hat die Bezirksverordnetenversammlung beschlossen, den denkmalgeschützten Kinosaal im Rathaus Schöneberg nach Marlene Dietrich zu benennen. Wer in den Kinosaal schaut, erblickt sofort die Berlinkarte mit der Aufteilung der Stadt in die alliierten Sektoren und wird damit an die Folgen des von Nazi-Deutschland initiierten Zweiten Weltkrieges erinnert.“ „Die Filmschauspielerin Marlene Dietrich ist bestens als Namenspatronin für den Kinosaal geeignet. Nicht nur wegen ihrer schauspielerischen Fähigkeiten, sondern auch, weil sie allen gezeigt hat, dass man gegen das Naziregime Haltung zeigen konnte“, erklärt die Bezirksverordnete Manuela Harling. „Ge-rade in Zeiten, in denen die AfD mit populistischen Pöbeleien versucht die Bevölkerung aufzuwiegeln und Fakten durch Meinungen ersetzt werden sollen, ist Haltung zeigen angesagt. Marlene erinnert uns daran – nun auch im Kinosaal des Rathauses Schöneberg“, erklärt Harling abschließend.

Ein durchaus ehrenwerter Ansatz, der für die Benennung einer Straße oder eines Platzes geeignet wäre. Braucht Schöneberg heute noch einen Kaiser-Wilhelm-Platz? Der liegt unweit der Leberstraße. Wir wissen aber, dass, wenn es um Monarchen geht, die Berliner keinen Spaß verstehen. Die Umbenennung des Kaiserdamms 1967 in Adenauerdamm scheiterte. Im Rathaus Schöneberg gibt es den Willy-Brandt- und Louise-Schroeder-Saal. Das sind Säle. Die Benennung des „Kinosaals“ nach Marlene Dietrich empfinde ich eher als peinlich.

Ed Koch

  
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