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geschrieben von: Redaktion am 30.08.2018, 09:57 Uhr
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Der August wird uns als Sommer pur in Erinnerung bleiben. Besser schwitzen als erfrieren. Die Ereignis-se und Themen zum Monatsende lassen das Blut in den Adern abwechselnd kochen und einfrieren. Räumen wir zunächst Herrn Löw ab. „Arroganz“ und „Falsche Taktik“ waren die Schlagworte auf seiner Pressekonferenz. Wer so einsichtig in seine Inkompetenz ist, sollte sich einen anderen Job suchen.
Heute stellt, wer sonst, Heinz Buschkowsky, das neue Buch von Thilo Sarrazin vor. 120.000 Bücher sind schon ausgeliefert worden. Vermutlich wird es am Rande der Demonstrationen in Chemnitz einen Bücherstand geben: „Feindliche Übernahme – Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“, heißt das Buch. Wer uns aktuell behindert und bedroht, versuchen wir in den folgen-den Zeilen zu beschreiben.
In Berlin soll die Mauer wieder aufgebaut werden. Endlich kann der alte Spruch „Geh doch rüber“ reaktiviert werden. Leider nur für vier Wochen. Dass dieses Kunstprojekt ausgerechnet die Staatsoper, den Pierre Boulez Saal mit der Barenboim-Said Akademie, die Alten Kommandantur, die Bertelsmann-Repräsentanz und das Kronprinzenpalais, also die Mitte der Mitte einmauern will, ist etwas größen-wahnsinnig. Nach Angaben des Tagesspiegels ist vor einigen Tagen wenigstens die Hedwigskathedrale ausgestiegen, was Sinn macht, denn innerhalb der DDR-Mauer wurden Kirchen ja häufig abgerissen. Sollte dieses Projekt, an dem sich dann vor allem Touristen aus den USA „How nice“ erfreuen dürften, genehmigt werden, können täglich bis zu 3.000 Besuchs-Visa ausgestellt werden. Die kosten 15 Euro für zwei Stunden oder 25 für den ganzen Tag. Wer 72 Stunden braucht, um das Projekt zu verstehen, muss 45 Euro auf den Tisch legen. Anders als in der DDR wird man dafür aber keine Ostmark bekommen, mit der man immerhin einen Restaurantaufenthalt finanzieren konnte. Am 12. Oktober soll der Mauerbau beginnen und am 9. November wird die Mauer, vermutlich von David Hasselhoff und Pink Floyd wie-der zum Einsturz gebracht werden. Großartig. So etwas gibt es nur in Berlin.
Nicht bekannt ist, wie realistisch man das Innenleben im Mauerbereich nachahmen will. Fluchtversuche wird es nicht geben, man kommt ja ungehindert wie-der raus, was den Schießbefehl überflüssig macht. Und die Staatssicherheit? Wird man endlich wieder bespitzelt? Ich leide heute noch darunter, wie mich die Stasi behandelt hat. 1987 schloss man meine Akte, weil ich zu unwichtig war. Das lesen zu müssen, traf mich hart.
Für den Wiederaufbau der Mauer bin ich sehr. Aber nicht in Mitte und warum immer in Berlin? Es gibt doch in Brandenburg so viele schöne alte, riesengroße ehemalige Truppenübungsplätze. Die könnte man ummauern und jene Leute dort ansiedeln, die die freiheitliche demokratische Ordnung unseres Landes nicht verstehen oder einfach nicht haben wollen. Aus Cottbus und Chemnitz könnten Sonderbusse die betreffenden Leute hinbringen und all jene rechtsradikale Touristen aus dem ganzen Land, die immer dort dabei sind, wo Stimmung gegen Ethnien gemacht wird, die nicht in dem nationalsozialistischen Arier-Verzeichnis aufgeführt sind. Das Traumbild des guten Deutschen, blond und blauäugig, hat sich nicht zum Besseren entwickelt. Heute trägt der gute Deutsche Glatze.
Mal sehen, ob ich die Geschichte noch zusammen-bekomme. Ein Mann kommt in Chemnitz zur Welt. Da hieß der Ort noch Karl-Marx-Stadt. Er kommt mit der DDR nicht zurecht. Er will Freiheit. Verreisen können, wohin er will. Er landet im Gefängnis und wird mit Hilfe westdeutscher Steuergelder freigekauft. Er zieht nach Bayern. Nach der Wende hat er Sehn-sucht nach der alten Heimat und zieht zurück nach Chemnitz. Alles ist in Ordnung. Es geht im gut. Aber dann: 2015. Die Stadt wird überschwemmt von Flüchtlingen. Nichts ist mehr so wie vorher. Er reiht sich ein in die Demonstrationen, die aus einem widerwärtigen Mix von Menschen mit rechtsradikalen faschistischen Ansichten organisiert werden. Er selber ist sicherlich kein Faschist, nur ein Wutbürger. Unklar bleibt, ob es ihm seit 2015 schlechter geht. Weniger Geld? Die Geschäfte leergekauft von Flüchtlingen?
2015 hielt Chemnitz 2.623 Plätze für Asylsuchende bereit. Belegt waren 1.432. Ende 2017 standen 730 Plätze zur Verfügung, von denen 330 belegt waren. Das sind 0,13% von 246.353 Einwohnern der Stadt. Eine wahrhafte Überschwemmung. Diese Zahlen spielen aber keine Rolle, wenn jemand ermordet wird. Es ist juristisch unerheblich, wer von wem er-mordet wird. Mord ist Mord. Und der Mord an einem Deutschen ist genauso abscheulich wie an irgendeinen anderen Menschen. Täter ist in unserem Rechtsstaat nur der, der rechtskräftig von einem unabhängigen Gericht verurteilt wurde.
Ob Cottbus, Dresden oder Chemnitz, stets scheint die Polizei überfordert zu sein. Die Veröffentlichung des Haftbefehls gegen den mutmaßlichen Täter von Chemnitz im Internet, stellt den Höhepunkt des Staatsversagens in Sachsen dar. „Sachsens früherer Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) hat angesichts der ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz die Bürger zu mehr Engagement für ihre Heimat aufgerufen. ‚Das ist neben dem Schutz durch den Staat eine unverzichtbare Anstrengung der Bürger selbst‘, sagte er in der ARD-Sendung ‚Maisch-berger‘ am Mittwochabend. ‚Wenn man die Sache dem Staat überlässt und der Polizei, dann wird das nicht gelingen.‘“ (Quelle: Tagesspiegel) Wie bitte? Was soll das heißen? Bürgerwehr gegen Rechtsradikale, weil Polizei und Staat (gibt es da einen Unterschied?) das nicht in den Griff kriegen? Ein wenig mehr Wahrnehmung des Gewaltmonopols durch den Staat könnte nicht schaden. Ist der bei der Polizei beschäftigte Schreihals in Dresden, der ein ZDF-Team fest-halten ließ, ein Einzelfall? Wie viel Sympathie ist seitens der Staatsorgane gegenüber den Parolen von Pegida und AfD vorhanden? Dass sich nun ausgerechnet Kurt Biedenkopf zu Wort meldet, ist peinlich. Biedenkopf war von 1990 bis 2002 Ministerpräsident des Freistaates Sachsen. Was hat er in dieser Zeit gegen die damals bereits vorhandenen rechten Strömungen in seinem Land unternommen? Er und seine Nachfolger haben es schleifen lassen anstatt konsequent dagegen vorzugehen.
Wenn sie ein Kind aus einer Hartz-IV-Familien fragen, was es einmal werden möchte, kann die Antwort lauten „Hartz IV“. Viel Freizeit, das Geld reicht zum Überleben, einschließlich Fernsehgerät und Handy. Was braucht man mehr? Und ein Jugendlicher, der im Hause von Rechtsradikalen aufgewachsen ist, wird sich kaum zum freiwilligen Dienst in einem Flüchtlingsheim melden.
Die Mauer wurde von DDR-Seite als „Antifaschistischer Schutzwall“ gegen den Westen begründet. Nun stellt sich heraus, dass diese Mauer den Westen vor den vielen faschistoiden Brüdern und Schwestern beschützt hat. Natürlich ist es nur ein sehr kleiner Teil der 17 Millionen ehemaligen DDR-Bürger, der rechts abgedriftet ist. Und natürlich ist nicht jeder AfD-Wähler ein Faschist. Obwohl immer gesagt wird, man solle die AfD-Wähler nicht pauschal verurteilen, sondern versuchen, sie zurückzugewinnen, was richtig ist, bezeichne ich jemand als dummen Menschen, der AfD wählt, weil er nichts Gutes für sein Land tut und sich dem Gedankengut von Leuten anschließt, die unsere freiheitliche, demokratische und tolerante Grundordnung abschaffen wollen. In Polen und Ungarn, übrigens zwei EU-Staaten, ist man stringent dabei, die unabhängige Justiz abzuschaffen und die öffentlich-rechtliche Presse gleichzuschalten. Zumindest haben wir jetzt wieder zwei Ländern in der Nachbarschaft, die sich bestens für den alten Spruch „Geh doch rüber“ eignen.
2019 finden sehr viele Wahlen statt. Am 26. Mai die Europawahl und der Landtag in Bremen. Darüber hinaus Kommunalwahlen (in Klammern die Umfragewerte für die AfD) in Baden-Württemberg (12%), Brandenburg (21%), Hamburg (7%), Mecklenburg-Vorpommern (22%), Rheinland-Pfalz (13%), Saar-land (15%), Sachsen (25%), Sachsen-Anhalt (21%) und Thüringen (23%). Kommunalwahlen werden häufig als unwichtig abgetan. Das ist ein Fehler. Während die Landesregierungen oft weit weg vom Bürger und etwas abgehoben sind, stehen die Bürgermeister und Landräte ihrer Bevölkerung Auge in Auge gegenüber. Die geringe Wahlbeteiligung spielt den Rechten in die Hände. Es wird sich 2019 zeigen, in wie vielen Städten und Gemeinden die AfD zur starken Macht geworden ist.
Am 1. September 2019 finden in Sachsen und Brandenburg Landtagswahlen statt, am 27. Oktober in Thüringen. Die aktuellen Prognosen sehen wie folgt aus (C=CDU, S=SPD, G=Grüne, F=FDP, L=Linke, A=AfD): Sachsen: C 30, S 11, G 6, F 5, L 18, A 25%. Brandenburg: C 18, S 23, G 8, F 5, L 18, A 21%. Thüringen: C 30, S 10, G 6, F 5, L 22, A 23%. Die AfD ist in allen drei ostdeutschen Bundesländern zweitstärkste Partei. Ein Viertel der Stimmen gehen also an eine Partei, die nichts zu bieten hat außer Fremdenfeindlichkeit. In dem kürzlich ausgestrahlten ZDF-Sommerinterview mit AfD-Chef Gauland machte dieser eindrucksvoll klar, dass seine Partei zu den Themen der Zeit nichts auf Tasche hat. Nicht zur Rente, nicht zur Digitalisierung, nicht zum Wohnungsbau.
Es geht mir nicht in den Kopf, wie man eine Partei ohne Programm wählen kann, die nur eine Vision hat, Deutschland ausländerfrei zu bekommen. Natürlich kann man der Parole „Merkel muss weg“ nicht folgen. Aber einmal angenommen, Angela Merkel würde auf ihren Mann hören und sich entschließen, mit ihm mehr Zeit zu verbringen. Kanzlerin war sie ja lange genug. Und nach Bayreuth würde sie auch weiterhin eingeladen werden. Was dann? Der AfD fehlte plötzlich das Feindbild. Bräche sie dann in sich zusammen? Mission erfüllt und alle AfD-Mitläufer gehen zu den Parteien zurück, aus denen sie kamen? Die Rückholaktion würde CDU (1.070.000), SPD (500.000), Grüne (40.000), Linke (430.000) und FDP (50.000) prozentual guttun. Die Zahlen stammen aus der Wählerwanderung 2017. Und für die 1.280.000 Menschen der Nichtwählerpartei könnten die anderen ja auch mal etwas tun.
Zum Schluss hätte ich noch ein paar Kandidaten für einen dauerhaften Aufenthalt im neuen Mauerbereich, nämlich diejenigen, die einen Mitarbeiter der Justiz in seinem Büro belästigten und bedrohten, weil zu Recht Inhaftierte angeblich schlecht behandelt werden. (Quelle: Berliner Morgenpost)
Ed Koch
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