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geschrieben von: Redaktion am 12.01.2007, 15:21 Uhr
paperpress541
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Mehr als ein Problem, fast schon eine Misere Wir haben gelernt, dass unser neuer Jugendsenator das Wort Misere nicht so gern hört. Was sich im Kinderschutz dieser Stadt abspielt, kommt aber der Bedeutung des Wortes schon sehr nahe. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue Mel-dungen durch die Medien gehen. Verdreckte Wohnungen, vernachlässigte Kinder. Die Jugendämter eilen hektisch von einem Fall zum nächsten. Und während sie dies tun, verlangt Finanzsenator Sarrazin von den Bezirken immer neue Kürzun-gen im Personalbereich. Während beispielsweise das Jugend-amt Tempelhof-Schöneberg in diesem Jahr erneut eine Reihe von Mitarbeiter/innen mit dem gefürchteten KW-Vermerk ver-sehen muss, werden gleichzeitig andere Beschäftigte höher gruppiert. Das ist jedem Einzelnen zu gönnen, verstehen mag das in diesen Zeiten aber wer will. Es gibt keine Neueinstellun-gen, der öffentliche Dienst vergreist vor sich hin, und den we-nigen, die noch übrig bleiben, verschafft man wenigstens eine bessere Pension. Es ist überhaupt keine Frage, dass es in Berlin zu viele Stellen im öffentlichen Dienst gab. Diese sind nun weitestgehend abgebaut worden, jetzt geht es an die Sub-stanz. Und so lange Stellen abgebaut werden müssen, können keine anderen Arbeitnehmer/innen höhere Gehalts- oder Be-soldungsgruppen bekommen. Viel wichtiger wäre mal wieder eine Gehaltserhöhung für alle. Es ist ja wohl ein Aberwitz, dass in vielen Branchen Gehaltserhöhungen stattfinden, nur der öffentliche Dienst traurig zuschauen muss.
Wie viele Kinder müssen noch im Dreck ihrer Eltern herumve-getieren, ehe diese Stadt die Jugendämter ausreichend mit Personal versieht? In der Berliner Morgenpost war kürzlich zu lesen „Berliner Senat startet Netzwerk für Kinderschutz“. Mor-genpost-Reporter Stefan Schulz schreibt: „Der Berliner Senat will den Schutz von Kindern vor Misshandlung und Missbrauch deutlich verbessern. Bereits Ende Januar 2007 soll das ‚Netz-werk Kinderschutz’ starten. Mit dieser bislang in Deutschland einmaligen Institution sollen vernachlässigte Kinder schneller Hilfe bekommen und Gefahrensituationen in Familien besser erkannt werden. Geplant ist ein Frühwarnsystem durch enge Zusammenarbeit von Kliniken, Hebammen, Jugendämtern, Polizei und Kinderärzten. Zudem soll eine zentrale 24-stündige ‚Hotline Kinderschutz’ geschaltet werden. Die Zeit drängt: Die Berliner Polizei hat mit immer mehr Fällen von Gewalt gegen Kindern zu tun. Das sagte Polizeipräsident Dieter Glietsch der Morgenpost. ‚Die Zahl der aufgeklärten Fälle von Kindesmiss-handlung und -vernachlässigung ist 2006 erneut deutlich höher als im Vorjahr.’ Glietsch wertete dies als Erfolg der polizeili-chen Arbeit, da die Anzeigenbereitschaft erhöht wurde und es damit gelang, die Dunkelziffer zu verkleinern.
Wie notwendig das neue Netzwerk ist, zeigen die veröffentlich-te Zahlen über misshandelte und vernachlässigte Kinder in den Bezirken. 2005 gab es in Berlin 856 Kinder, bei denen die Behörden einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung nach-gingen. 2004 waren es 739 Fälle. Polizei, Senatsjugendverwal-tung und Bezirke gehen davon aus, dass die Steigerung mit der erhöhten Sensibilität bei allen Beteiligten zu tun hat. 349 Kinder, die misshandelt oder vernachlässigt wurden, waren unter einem Jahr alt (2004: 309), 355 waren zwischen einem und sechs Jahre alt (2004: 277) und 172 älter als sechs. (2004: 153).
Die Zahl der Fälle in den Bezirken schwankte gewaltig zwi-schen Pankow mit zehn Fällen und Mitte mit 156 Fällen. Auch ein vergleichsweise wohlhabender Bezirk wie Steglitz-Zehlendorf zählte 94 Fälle von Kindeswohlgefährdung. Steglitz-Zehlendorfs Jugendstadträtin Anke Otto (Grüne) be-gründete die steigenden Zahlen mit mehr Anzeigen: ‚Kindes-misshandlung oder auch Verwahrlosung werden wir nicht ver-hindern können. Ungeachtet dessen haben wir 2006 deutlich mehr Hinweise aus dem Umfeld auf mögliche Problemfälle erhalten als bisher’, sagte Otto. Pankows Jugendstadträtin Christine Keil (Linkspartei.PDS) sagte zu den niedrigen Zahlen aus ihrem Bezirk: ‚Die Zusammenarbeit zwischen den Schulen und Kitas sowie dem Jugendamt konnte spürbar verbessert werden. So sind in allen Schulen und Kitas die jeweils zustän-digen Sozialarbeiter des Jugendamtes bekannt und jederzeit erreichbar. Zudem werden die mehr als 100 Mitarbeiter der Jugendhilfe regelmäßig geschult.’
Bei der Polizei sind die Straftatbestände Vernachlässigung, Misshandlung und sexueller Missbrauch von Kindern beim Spezialkommissariat 125 des Landeskriminalamts angesiedelt. Es ist bundesweit das einzige dieser Art mit knapp zwei Dut-zend Ermittlern. Der Anstieg der Fallzahlen in allen drei ge-nannten Bereichen wird indes nicht allein der zunehmenden Rohheit der Eltern, sondern zwei weiteren Aspekten zuge-schrieben. Erstens zeitigt die Arbeit des Kommissariats Früch-te und führt zur zunehmenden Aufhellung des Dunkelfelds ‚Gewalt gegen Kinder’. Zweitens ist der Anstieg auch im geän-derten Verhalten der Bevölkerung begründet. ‚Diese Delikte werden besonders intensiv wahrgenommen, Nachbarn und Fremde sehen nicht nur genauer hin. Sie greifen auch schnel-ler zum Telefon und melden Verdachtsfälle, sowohl bei uns als auch bei den Jugendämtern", schildert ein Ermittler seine Er-fahrungen.“
Die kinder- und jugendpolitische Sprecherin Der Linkspartei, Dr. Margrit Barth, äußert sich zu diesem Thema wie folgt: „Fäl-le von Kindesvernachlässigung, wie in Marzahn-Hellersdorf bekannt geworden, erschrecken zutiefst. Kein Kind darf ver-nachlässigt oder misshandelt werden und in menschenunwür-digen Verhältnissen aufwachsen. Vorurteile gegenüber den Betroffenen und Schuldzuweisungen gegenüber den Jugend-ämtern sind meist nicht angebracht und helfen kaum bei der Lösung der Probleme. Schnelles Reagieren zur Gefahrenab-wehr, Ursachenanalyse und ein ganzes Paket von Maßnah-men der Früherkennung und Prävention sind notwendig.“
Emine Demirbüken-Wegner, die jugend- und familienpolitische Sprecherin der CDU sagt: „Das Netzwerk Kinderschutz hat Löcher und deshalb funktioniert es nicht hinreichend. Der Schutz der Kinder ist nicht nur Privatsache, sondern auch Aufgabe von Jugendämtern, Schulen, Ärzten und anderen Verantwortungsträgern. Um Kinder besser zu schützen, sind daher einheitliche Regelungen notwendig. Wir fordern den Senat auf, Verantwortlichkeiten verbindlich festzulegen, kurze Informationswege durchzusetzen und die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Stellen zu stärken. Außerdem müs-sen die Vorsorgeuntersuchungen endlich zur Pflicht gemacht werden.“
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