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Wie die Saat, so die Ernte

geschrieben von: Redaktion am 23.02.2019, 02:33 Uhr
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Es lässt sich nicht vermeiden, in einem Bericht über die Friedrich-Bergius-Schule in Friedenau, ein paar autobiografische Anmerkungen einfließen zu lassen. Zwischen 1961 und 1965 führte mich mein täglicher Weg, abgesehen von Ferien und Sonntagen, durch dieses Schultor, über dem Ciceros Spruch „Wie die Saat, so die Ernte“ in Stein gemeißelt steht. Schon Cäsars Zeitgenosse wusste rund 50 Jahre vor Chris-ti, dass man investieren muss, um eine Rendite zu erlangen. Obwohl ich mir schon früh dessen bewusst war, war ich ein mäßiger Schüler, dem das endlose Rumsitzen und Zuhören im Unterricht schwerfiel. Was mir Spaß machte, war das Mitwirken und Gestalten der Schulfeste und der Schülerzeitung. So gesehen war die Friedrich-Bergius-Schule so eine Art Keimzelle für meine spätere berufliche Tätigkeit beim Jugendamt als Organisator aller möglichen Veranstaltungen. Und, nicht zu vergessen, begann hier meine Leidenschaft am Schreiben, die sich später über inzwischen 43 Jahre in paperpress fortsetzte.

Nun folgt die Überleitung zu Michael Rudolph, dem heutigen Direktor der Friedrich-Bergius-Schule. Im Gegensatz zu ihm, der seit 14 Jahren unter Ciceros mahnenden Worten das Haus betritt, hatte ich nur vier Jahre lang die Pflicht dazu. Zwar waren meine schulischen Leistungen nicht der Rede wert, zwei Hinweise im Zeugnis waren aber immer positiv, die Erwähnung als Klassensprecher, die mit einem Lob quittiert wurde, und die Zeile Pünktlichkeit. Ich er-schien zum Unterricht immer! pünktlich. Nichts anderes hätten mir meine Eltern durchgehen lassen. Pünktlich, Anwesenheit und ein erforderliches Maß an Ordnung sind Tugenden, die Michael Rudolph erfolgreich von seinen Schülerinnen und Schüler nicht zu erwartet, sondern auch verlangt. Zu Recht. Denn, im späteren Berufsleben sind es eben auch genau diese Tugenden, die jeder Arbeitgeber erwartet.

Es sind Selbstverständlichkeiten, die Rudolph seinen Schülern abverlangt, und dennoch ist es heute offenbar so, dass es sich hier um etwas Besonderes handelt. Ich bin fest davon überzeugt, dass es an vielen Schulen in Berlin genauso ordentlich zugeht, wie an der einstigen Friedenauer Schule des „Tech-nischen Zweiges“ zu meiner Zeit, später Realschule und heute Sekundarschule. Damals hießen die Schultypen tatsächlich „Praktischer Zweig“ für Hauptschule und „Wissenschaftlicher Zweig“ für das Gymnasium. Praktisch, real und wissenschaftlich, da wusste man, woran man war.

Und mit Sicherheit gibt es an sehr vielen Schulen genauso engagierte Direktoren wie Michael Rudolph einer ist. Und dennoch: „Er gilt als einer der erfolgreichsten Schulleiter Berlins“, schreibt die Berliner Morgenpost. „Häufig handelt es sich bei dem Schul-typ um Problem-Bildungseinrichtungen, mit hohen unentschuldigten Fehlzeiten der Kinder und Jugendlichen sowie wenigen qualifizierten Abschlüssen. Nicht so bei der Bergius-Schule, wo über die Hälfte der Mädchen und Jungen am Ende einen Mittleren Schulabschluss (MSA) schafft, die Voraussetzung für die gymnasiale Oberstufe.“, berichtet die Berliner Morgenpost in ihrer Ausgabe vom 20. Februar.

Tue Gutes und rede darüber. Viele Schulen blühen im Verborgenen, was ein Fehler ist. Man sollte Er-folge und Leistungen auch kommunizieren. Und das ist der Unterschied zwischen Michael Rudolph und vielen seiner Kollegen. Und da entdecke ich wieder eine Parallelität. Während meiner Zeit als Leiter von Jugendfreizeiteinrichtungen stand neben der pädagogischen die Öffentlichkeitsarbeit ganz weit oben in der To-Do-Liste. Warum? Weil es die Öffentlichkeit gefälligst zu interessieren hat, was in den Einrichtungen geschieht, die sie mit ihren Steuergeldern finanziert. Über „meine“ Jugendclubs und die dort stattfindenden Aktivitäten wurde immer wieder in den Medien berichtet, während andere Kollegen lieber im Verborgenen blieben. Bloß nicht zu viel Reklame machen, es könnten ja dann zu viele Jugendliche in die Einrichtungen kommen.

Die Friedrich-Bergius-Schule hat einen guten Ruf, was die Nachfrage belegt. Mehr Kinder als die Schule Plätze hat, wollen täglich zum Perelsplatz, auf dem das Gebäude unweit des Rathauses Friedenau steht. In den Schlagzeilen ist die Schule geraten, weil die Schulinspektion der Senatsbildungsverwaltung zu einem ganz anderen Ergebnis als erfolgreich kam. Höchst umstritten sind die Bewertungskriterien der Schulinspektoren. Weil Michael Rudolph mit dem für seine Schule inakzeptablen Ergebnis an die Öffentlichkeit ging, findet nun offenbar in der Bildungsverwaltung ein Umdenken statt. Es bedarf immer wieder Anstöße, um nicht nachvollziehbares Verwaltungshandeln zu verändern. Natürlich hat sich Rudolph als guter Beamter seinem Dienstherren gegenüber loyal zu verhalten, was aber nicht heißt, dass ein guter Beamter alles hinnehmen muss, was von oben kommt. Da bin ich schon bei der nächsten Parallele. paperpress ist in „meinem“ damaligen Jugendclub Bungalow am Mariendorfer Damm nur deshalb entstanden, weil es sich zu wehren galt gegen unsinnige Politik und Vorgaben des Jugendamtes. Ich erspare Ihnen, verehrte Leser, an dieser Stelle die Auflistung der vielen (vergeblichen) Versuche meines damaligen Arbeitgebers, mich loszuwerden.

Der Senatsbildungsverwaltung wollen wir nicht unterstellen, dass sie sich gefreut hätte, den aufmüpfigen Schulleiter aus Friedenau schon früher loszuwerden. Nun aber ist es möglich, sich von ihm zu befreien. Michael Rudolph wird 65 und müsste in den Ruhestand gehen, obwohl eine Dienstzeitverlängerung bis 68 möglich wäre. Bis Schuljahresende 2020 wollte Rudolph erst einmal weitermachen, doch die Bildungsverwaltung teilte ihm mit: „Mit Schreiben vom 28.5.2018 beantragten Sie eine Dienstzeitverlängerung bis 31.7.2020. Ihrem Antrag kann leider nicht entsprochen werden. Die Schulaufsicht legte dar, kein dienstliches Interesse an einer Weiterbeschäftigung zu haben.“ Quelle: Berliner Morgen-post

Einer Bitte von paperpress an die Senatsbildungs-verwaltung zu dem Vorgang Stellung zu nehmen, wurde mit dem Hinweis abgelehnt, dass es sich um eine Personalangelegenheit handele.

Natürlich ist es sinnvoll, wenn Menschen, die die Altersgrenze erreicht haben, ihren Platz an Jüngere übergeben. Kann es sich Berlin aber beim derzeitigen Lehrermangel leisten, auf Pädagogen, die weitermachen wollen, zu verzichten? Wohl kaum.

„Der Verdacht liegt nahe“, schreibt die Berliner Morgenpost, „dass Michael Rudolph zu unbequem ge-worden ist. Und dass die zuständigen Schulbehörden unter Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) einen – in ihren Augen – Störenfried loswerden wollen.“ Frau Scheeres hätte, „Personalangelegenheit“ hin oder her, schon längst einmal öffentlich für Michael Rudolph eine Lanze brechen können.

Der schulpolitische Sprecher der CDU-Fraktion in der BVV Tempelhof-Schöneberg, Christian Zander, äußerte sich zu dem Vorgang wie folgt: „Die Ablehnung der Verlängerung der Dienstzeit des Schulleiters der Friedrich-Bergius-Schule, Michael Rudolph, ist ein weiterer Fall eines unwürdigen Vorgehens der Senatsbildungsverwaltung mit erfolgreichen und verdienten Lehrkräften und Schulleitungen. Schulleitungen, die Defizite des Berliner Bildungssystems nicht einfach hinnehmen, sondern hinterfragen, werden entweder strafversetzt oder bei der erstbesten Gelegenheit aufs Abstellgleis geschoben. Dass nach der berechtigten Kritik an der Ausrichtung der Schulinspektion der Ankündigung der Senatorin Scheeres, künftig die Schülerleistungen und Lernfortschritte bei den Schulinspektionen mehr zu berücksichtigen, auch bald Taten folgen, darf insofern bezweifelt werden. Vordringlich sollen die Schulleitungen offenbar auf Linie gebracht werden, damit Kritik verstummt. Es ist schon paradox, wenn sich der Senat einerseits darum bemüht, pensionierte Lehrkräfte wieder für den Schuldienst zu aktivieren, um den Lehrkräftemangel zu beheben, andererseits aber verhindert, dass bestimmte Lehrerinnen und Lehrer länger arbeiten dürfen. Herr Rudolph soll kein Einzelfall sein, ist zu hören.“

Eine andere erfolgreiche Berliner Schule liegt im selben Bezirk, Ortsteil Marienfelde. Dort war Karl Pentzliehn 26 Jahre lang tätig. Er hat die Schule zu dem gemacht, was sie heute noch ist. 2008 musste auch er aufhören, immerhin mit 66 Jahren. Trotz Demonstrationen der Schüler und Lehrer legte die Bildungsverwaltung keinen Wert auf seine weiteren Dienste. Pentzliehn war wie Rudolph ein Querdenker, bei dem die gleichen Regeln galten wie bei seinem Kollegen aus Friedenau. Und auch er war genauso unbequem. Schade, dass ausgerechnet die Bildungsverwaltung so wenig lernfähig ist.

Ed Koch


  
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