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Chefsache

geschrieben von: Redaktion am 28.03.2019, 01:30 Uhr
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Der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) lud am Mittwochabend die Chefredakteure der Berliner Zeitung, Jochen Arntz, Berliner Morgenpost, Christine Richter, und Tagesspiegel, Lorenz Maroldt, zu einer „Halbzeitbilanz Rot-Rot-Grün“ ins Ludwig-Erhard-Haus in der Fasanenstraße ein. Meine Erwartung war, dass die Chefredakteure in Oberlehrermanier den gegenwärtigen Senat in der Spree versenken. Ich wurde positiv enttäuscht. Relativ objektiv und differenziert betrachteten die drei Politikbeobachter die Berliner Stadtregierung. Christine Richter zählt zu den schärfsten Kritikern des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD). Es gibt aber auch andere Redakteure bei der Morgenpost, die Michael Müller anders bewerten. In Katrin Lompscher (Linke) hat Christine Richter allerdings eine Politikerin ausgemacht, die Müller noch um Längen schlägt. Sie wirft Lompscher vor, einfach keinen Neubau in Berlin zu wollen und lastet das vor allem ihrem Berater André Holm an. Frau Richter fühlt sich schlecht regiert und drückt das in ihren Kolumnen immer wieder deutlich aus.

Lorenz Maroldt ist auch nicht gerade der dickste Kumpel von Michael Müller, beurteilt aber die Senatspolitik auch unter dem Aspekt, was in einer Dreierkoalition möglich und politisch umsetzbar ist. Sein wichtigster Satz an diesem Abend war sicherlich der, dass ein aus anderen Parteien bestehender Senat die Stadt auch nicht viel besser regieren könnte. So schnell wie die Stadt Einwohner gewinnt, hat es die Infrastruktur schwer schrittzuhalten. Die Berliner Verwaltung wächst nicht in gleichem Maße wie die Bevölkerung. Es läge nicht daran, dass kein Geld für neue Mitarbeiter vorhanden sei, sondern an dem Stellenbesetzungsverfahren. Der Senat sagt aktuell, es gäbe nicht genügend Bewerber. Das mag sein, wenn es aber Bewerber gibt, dauert es Monate, ehe die Stelle besetzt werden kann. Niemand spreche den ganzen Mitentscheidern wie Frauenbeauftragte, Behindertenbeauftragter etc. das Recht ab, mitzuentscheiden, die Frage ist aber, ob das Mitspracherecht hintereinander ausgeübt werden muss, oder besser parallel.

Alle drei Zeitungen bieten in Interviews und Personenartikeln Politikern die Möglichkeit, ihre Ansichten und Ziele darzustellen. In der Bewertung ist die Berliner Zeitung das Blatt, das mit dem Senat am verständnisvollsten umgeht. Morgenpost und Tages-spiegel verschärfen häufig durch ihre oft harsche Kritik am Senat die schlechte Stimmung in der Stadt. Wer eine Großstadt wie Berlin regiert, steht unter ständiger intensiver Beobachtungen, durch die Medien und die parlamentarische Opposition. Lorenz Maroldt wies zu Recht darauf hin, dass alle Parteien, ausgenommen die FDP, in Berlin mitregieren, drei im Senat und alle fünf in den Bezirken, in denen auch Politik gemacht wird.

Viele Politikfelder wurden nur gestreift oder namentlich erwähnt, wie die Sicherheits-, Verkehrs-, Gesundheits- oder Bildungspolitik. Den breitesten Raum nahm die Baupolitik ein, oder besser gesagt, die Nicht-Baupolitik. Das aktuelle Thema „Enteignung“, das auch auf dem Landesparteitag der SPD am Samstag eine Rolle spielen wird, wurde ausgiebig diskutiert. Am 6. April startet die erste Stufe des Volksbegehrens. Am Ende könnte ein Volksentscheid mit Gesetzeskraft stehen, der besagt, dass Unter-nehmen mit einem Bestand von über 3.000 Wohnungen enteignet werden sollen. Niemand glaubt ernsthaft daran, dass es dazu kommt, vor allem, weil es nicht finanzierbar sein wird. Darum geht es aber gegenwärtig nicht. Allein die aufgeheizte Stimmung schade der Stadt. Dennoch meint Jochen Arntz, dass sich Investoren davon nicht abschrecken lassen sollten. Für ihn ist die Enteignungsdebatte eine Scheindebatte, die schlecht ist für die Stadt. Sie lenke ab von dem, was zu tun wäre, um hier wirklich Wohnraum zu schaffen.

Ob es am Ende wirklich zu Enteignungen kommt, ob tatsächlich jemand bereit wäre, neben der Deutschen Wohnen auch kirchliche Wohnungsträger oder Unternehmen in jüdischem Besitz zu enteignen, ist kaum vorstellbar. Die Schlagzeile in der Jerusalem Post oder der New York Times kann man sich vor-stellen, wenn in Berlin wieder jüdisches Eigentum enteignet würde. Die Haltung von Linken, Grünen und Teilen der SPD in dieser Frage, wurde deutlich kritisiert. „Erbärmlich“ findet Lorenz Maroldt die Position der Grünen, die sich nach wie vor nicht klar positionieren wollen. Auch die anfangs nicht sehr eindeutige Meinung von Michael Müller in dieser Frage, wurde kritisiert, obwohl er sich inzwischen in Zeitungsinterview deutlicher distanziert hat. Mit Spannung erwarten die Chefredakteure Müllers Äußerungen am Samstag auf dem Parteitag. Derweil scheinen die Grünen völlig durchzudrehen. Der Landesvorsitzende Werner Graf wirft Michael Müller tatsächlich vor, die Interessen der Immobilienkonzerne vor die der Mieter zu stellen. „Der Deutsche Wohnen Immobilien zum Marktwert abzukaufen, belohnt am Ende nur das jahrelange mieterfeindliche Vorgehen des Unternehmens.“ Das Volksbegehren, dessen Ziele Graf teilt, sieht vor, den Unter-nehmen unter dem Marktwert die Wohnungen ab-kaufen zu wollen. Da dürften die Gerichte noch ein Wörtchen mitzureden haben.

Kehren wir am Ende des Beitrages an den Anfang der Veranstaltung zurück. VBKI-Präsident Markus Voigt begrüßte die rund 300 Gäste der Veranstaltung und verkündete sogleich das Ergebnis einer Umfrage unter 1.746 Mitgliedern, an der sich 313 beteiligt haben. In der Umfrage ging es um die Be-wertung der Arbeit des Senats in den ersten eineinhalb Jahren. Klare Antwort: im Durchschnitt mangelhaft, also eine Fünf. Nach der in Deutschland üblichen Notenvergabe von 1 bis 6, soll die Note „mangelhaft“ erteilt werden, „wenn die Leistung den Anforderungen nicht entspricht, jedoch erkennen lässt, dass die notwendigen Grundkenntnisse vor-handen sind und die Mängel in absehbarer Zeit behoben werden können.“ Es besteht also Hoffnung, wobei ich nicht glaube, dass diejenigen, die sich an der Abstimmung beteiligt haben, die Erklärung für eine 5 vorher gelesen haben. Denn die Opposition erhielt im Schnitt die Note „ausreichend", und diese „soll erteilt werden, wenn die Leistung zwar Mängel aufweist, aber im Ganzen den Anforderungen noch entspricht.“ Nicht einmal das kann gemeint sein. Zwar ging es in der Halbzeitbilanz von R2G nicht um die Opposition, durch eine Nachfrage aus dem Publikum gelangte sie aber trotzdem auf die Tagesordnung.

Auf der Internetseite des VBKI steht: „50.000 Neu-berliner pro Jahr, 20 neue Unternehmen pro Stunde und ein Wirtschaftswachstum weit über dem Bundesschnitt: Nutzen Sie unser Entscheidernetzwerk als Sprungbrett nach Berlin.“ Sehenden Auges wirbt also der VBKI dafür, Menschen und Unternehmen ins Unglück zu stürzen und nach Berlin einzuladen. In eine Stadt, in der die Regierung nichts auf die Reihe zu bekommen scheint? Angesichts der vielen Probleme, die es ja zweifelsohne in Berlin gibt, übersehen die VBKI-Mitglieder einen ganz entscheidenden Punkt. Derzeit 57 Prozent der Wähler stehen hinter der Koalition aus SPD, Linken und Grünen. Es ist auch vollkommen egal, ob sich die Reihenfolge der Parteinamen inzwischen in den Umfragen verändert hat, nämlich in Grün-Dunkelrot-Rot. So wie sich das Blatt in den letzten zweieinhalb Jahren gewendet hat, kann es sich in den nächsten zweieinhalb Jahren wieder verändern, durch welche Einflüsse auch immer. Gegenwärtig ist die SPD die führen-de Kraft in der Stadt, obwohl man sich mehr Führung wünschen würde.

Wie gesagt, ich war angenehm überrascht, dass hier kein Senats-Bashing stattfand, sondern die Kritik unter Berücksichtigung der objektiven Schwierigkeiten differenziert ausgeleuchtet wurde. Absolut unerträglich war allerdings der Moderator. Wie der VBKI darauf kommen konnte, bei diesem Thema ausgerechnet Peter Kurth als Gesprächsleiter zu verpflichten, kann nur mit der Grundhaltung des Vereins gegenüber dem Senat erklärt werden. Kurth ist CDU-Politiker, wenn auch nicht mehr aktiv. Das allein ist nicht zu kritisieren. Kurth hat aber eine Vorgeschichte in der Berliner Politik, die ihn für das Amt eines objektiven Gesprächsleiters in der Frage der Bewertung von drei anderen Parteien, aus-schließt. Kurth war von 1994 bis 1999 Staatssekretär in der Finanzverwaltung und danach Finanzsenator bis es zum Bruch der Großen Koalition im Zuge des Berliner Bankenskandals am 16. Juni 2001 kam, als Misstrauensanträge gegen ihn und weitere CDU-Senatsmitglieder vom Abgeordnetenhaus angenommen wurden. Der Versuch von Lorenz Maroldt beim Thema CDU auch mal über die Zeit von Kurth im Senat zu sprechen, wiegelte der ab.

Das hinderte Maroldt aber nicht daran, der CDU richtig eins mitzugeben, angesichts ihres gegenwär-tigen Zustands, wo der Spandauer Bundestagsabgeordnete Kai Wegner meint, er müsse ausgerechnet jetzt, kurz vor der Europa-Wahl, die amtierende CDU-Vorsitzende Monika Grütters aus dem Amt heben. Maroldts Fazit: „Eine solche Opposition hat selbst diese Regierung nicht verdient.“

Peter Kurth hatte offenbar das Thema der Veranstaltung nicht gelesen oder nicht verstanden. An-statt Bilanz zu ziehen wollte er mit seinen Gesprächspartnern immer den Blick in die Zukunft diskutieren. Schon nach wenigen Minuten mahnte Lorenz Maroldt sichtlich genervt an, dass er nicht über eine Wahl sprechen wolle, deren Termin noch gar nicht feststehe. „Ich dachte es geht um die Halbzeitbilanz.“ Kurth blieb stur und das Bilanzgespräch schuldig. Der VBKI hätte gut daran getan, für die Gesprächsleitung eine unvorbelastete Persönlichkeit zu verpflichten und nicht jemand, der meinte, selbst Politik machen zu müssen.

Ed Koch

Quellen: Wikipedia, Berliner Zeitung, RTL, dpa

  
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