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Schlicht schäbig

geschrieben von: Redaktion am 03.06.2019, 08:05 Uhr
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Wer schon ein wenig länger im Politikgeschäft ist, leidet unter ständig wiederkehrenden Déjà-vus. Damit ist eigentlich eine Erinnerungstäuschung gemeint. „Dabei hat die betroffene Person das sichere Gefühl, eine neue Situation bereits in der Vergangenheit in gleicher Weise schon einmal real erlebt oder gesehen, aber nicht geträumt zu haben.“ Nein, es ist keine Erinnerungstäuschung, sondern schlichtweg eine Wiederholung.

Nach jeder verlorenen Wahl oder nach dem Rück-tritt eines Politikers werden dieselben Sätze und Formulierungen aus dem Archiv geholt. Krokodils-tränen werden den Gegangenen hinterhergeweint, obwohl die meisten froh sind, dass er oder sie endlich weg ist. Und nach Wahlen mit schlechtem Ergebnis wird den Wahlkämpfern gedankt und denen, die die Partei noch gewählt haben. Im Grunde genommen ändert sich nichts nach einem solchen Vor-gang.

Wenn der Pulverdampft des Wahlkampfschlachtfeldes verzogen ist, kehrt Routine ein und alle wurschteln weiter. Was ist denn aus den vielen Versammlungen, die man schicker Weise Camps nannte, der SPD geworden? Wo sind die neuen Politikansätze? Wenn man ehrlich ist, haben die ganzen Foren und das Bemalen von Flipchartblöcken und das Ankleben von Zetteln unter großen Überschriften nichts ge-bracht, jedenfalls nichts, was das Wahlergebnis nach oben gebracht hätte, weder bei der SPD und auch nicht bei der CDU. Es müssen offenbar andere Wege beschritten werden, welche, weiß ich natürlich auch nicht, vielleicht sollte man Rezo fragen.

Am Scheitern von Andrea Nahles hat zu allererst Andrea Nahles Schuld. Sie jetzt als Mobbingopfer darzustellen, ist ziemlich verwegen und soll nur ablenken. Wer gestern Olaf Scholz bei Anne Will erlebt hat, weiß, dass mit solchen Leuten die SPD nicht wieder nach oben kommt. Wer soll es aber machen, die älteste Partei Deutschlands zu führen? Die „taz“ titelt heute: „Scheißjob zu vergeben (SPD-Parteivorsitzende/r gesucht).“ Seit dem ersten Nachkriegsvorsitzenden Kurt Schumacher hat die SPD 16 Vorsitzende verschlissen. Nur die wenigsten gingen in Eintracht mit ihrer Partei aus dem Amt.

Der Tagesspiegel schreibt heute: „Andererseits gibt es nach der Rückzugserklärung von Nahles zunehmend auch Stimmen, die wilde Wechsel an der Parteispitze eher für ein Problem halten als für eine Lösung. Für die wahrnehmbare Orientierungslosigkeit sei nicht das Spitzenpersonal allein verantwortlich. Und menschlich, auch das ist zu hören, sei der Umgang vor allem mit Nahles, zuweilen aber auch mit Müller, schlicht schäbig.“ Das ist sozusagen die Überleitung nach Berlin. Schöne Worte in einer Zeitung, deren Umgang mit Michael Müller häufig auch alles andere als fair ist. Die Lebenssituation in Berlin ist wesentliche besser als die Stimmung. Und für die Stimmung sind auch die Medien verantwortlich. Wer immer nur die Probleme, von denen Minderheiten betroffen sind, in den Vordergrund stellt, muss sich nicht wundern, wenn die Leute ihre gefühlte Verzweiflung der Partei des Regierungschefs anlasten. Für alles, was schön ist in Berlin, sind die Grünen und Linken verantwortlich, für den traurigen Rest die SPD. So einfach ist das. Jeder, der einen Kita-Platz oder eine Wohnung vergeblich sucht, ist einer zu viel. Der überwiegende Teil der Bevölkerung hat aber einen Betreuungsplatz für sein Kind und eine Wohnung mit einem ordentlichen Vermieter. Auch sind Verspätungen im ÖPNV gemessen an der Gesamtzahl der Verkehrsbewegungen eher als gering zu bezeichnen. Wir jammern in Berlin auf aller-höchstem Niveau.

Die Berliner Morgenpost hat Stimmen unter Berliner Sozialdemokraten zum Rücktritt von Andrea Nahles eingesammelt. Michael Müller sagt: „Wir brauchen angesichts der schwierigen Situation der Partei, neben den notwendigen Personalentscheidungen auch einen breiten inhaltlichen Diskussionsprozess. Ein neues Grundsatzprogramm sei daher jetzt der richtige Schritt. Die Mitglieder müssen an der Entwicklung der zukünftigen Themen teilhaben." Alles richtig, aber, die Aussage gehört auch in den Déjà-vu-Ordner.

Hier ein Kommentar von Iris Spranger, der stellvertretende Vorsitzenden der Berliner SPD: „Ich finde den Schritt von Andrea Nahles richtig, sie hat damit die richtigen Konsequenzen gezogen. Man kann nach so viel Kritik nicht einfach weitermachen. Es ist auch vernünftig, von beiden Positionen zurückzutreten, damit kann sich die Partei nun neu aufstellen. Wir werden in aller Ruhe überlegen, wen wir als Parteivorsitzenden wählen wollen. Wir werden das in allen Landesverbänden diskutieren.“ Was ist das für ein Quark? Ja, Andrea Nahles hat Fehler ge-macht, aber nicht allein. Sie ist weg, die anderen sind noch da und mit ihnen die Probleme. „Neu auf-stellen“, „In Ruhe überlegen“, „mit allen diskutieren.“ Ab in den Déjà-vu-Ordner.

Es gibt noch einen anderen stellvertretenden SPD-Vorsitzenden in Berlin, Julian Zado, ein Name, der mir nichts sagt: „Andrea Nahles hat immer alles gegeben für die SPD. Sie hat die Verantwortung für Fehler übernommen, die auch andere gemacht haben. Ich respektiere sie dafür sehr und danke ihr für ihren Einsatz als Parteivorsitzende. Eine Partei, die für Solidarität eintritt, sollte auch miteinander solidarisch umgehen. Ich werde mich deshalb nicht öffentlich an Personaldebatten beteiligen. Wir sollten uns jetzt voll darauf konzentrieren, was wir anders machen wollen. Ich meine: Wir sollten dafür kämpfen, wofür die SPD gegründet wurde, nämlich soziale Gerechtigkeit in allen Themen von der Klimapolitik bis zur Digitalisierung.“ Da kommen einem die Tränen. Kein Mensch will, dass sich Herr Zado an Personaldebatten beteiligt. „Dafür kämpfen, wofür die SPD gegründet wurde.“ Ja, hört auf zu quatschen, macht es einfach. Ab in den Déjà-vu-Ordner.

Der Kommentar von Berlins bekanntester Staats-sekretärin, Sawsan Chebli, hat was: „Wir als SPD haben jetzt die Chance entweder alles richtig oder alles falsch zu machen. Mehr Chancen gibt es nicht. Wir beginnen am besten damit, endlich aufzuhören, hässlich, bösartig und hinterlistig miteinander um-zugehen. Es reicht." Wer Freunde sucht oder braucht, sollte in keine Partei eintreten.

Und frisch vom Stammtisch die letzte Kommentierung aus der Berliner Morgenpost von „Liebling Kaulsdorf“ Sven Kohlmeier: „Es ist selten in der Politik, dass jemand freiwillig geht! Lasst uns die Chance für einen echten Aufbruch mit neuen Köp-fen, guter Politik und mal ein cooles Video nutzen! Let's keep rocking alte Tante @spdde." Es ist zu befürchten, dass Mutansaufen allein nicht ausreichen wird.

Neueste Umfrage für Berlin

Die Berliner Zeitung veröffentlicht heute die neuesten Zahlen ihrer monatlichen Forsa-Umfrage. Zwischen dem 20. und 27. Mai wurden 1.006 Wählerinnen und Wähler befragt. In Klammern die Werte der Vormonatsbefragung. „Bei einer Abgeordnetenhauswahl im Mai hätten 26 (25) Prozent der Berliner die Grünen gewählt, 17 (18) Prozent die Linke und nur noch 16 (16) Prozent die SPD. Damit wären die Grünen stärkste Kraft und dürften den Regierenden Bürgermeister stellen. Das Dreierbündnis Rot-Rot-Grün hätte so eine stabile Mehrheit von 59 Prozent.“ Zur Erinnerung, die nächsten regulären Wahlen finden im Herbst 2021 in Berlin statt.

„Nach wie vor unwahrscheinlich ist hingegen eine Jamaika-Koalition aus Grünen, CDU und FDP, wie sie unter anderen dem neuen Berliner CDU-Landeschef Kai Wegner vorschwebt. Abgesehen von tiefen inhaltlichen Differenzen zwischen CDU und Grünen sind dafür auch die Zahlen zu schwach: Die CDU, nach der SPD bei der Europawahl der größte Verlierer, erreicht nur noch 15 (17) Prozent Zu-stimmung, die FDP liegt bei sieben (7) Prozent. Jamaika käme damit insgesamt nur auf 48 Prozent der Stimmen. Die AfD könnte bei einer Abgeordnetenhauswahl unverändert elf (11) Prozent der Stimmen erhalten, ihr fehlen aber die Koalitions-partner.“, schreibt die Berliner Zeitung.

Dramatische Veränderungen auf den obersten Stufen der Treppe

Forsa befragt die Wähler auch nach der Beliebtheit der Berliner Politiker und versammelt sie auf einer Treppe mit elf Stufen. Interessant dabei ist jedes Mal, wie viele Wähler die betreffenden Politiker gar nicht kennen.

Ramona Pop, die Grüne Wirtschaftssenatorin, stand im Vormonate erstmals auf Platz Eins der Liste. Sie verdrängte Kultursenator Klaus Lederer (Linke) von der Spitzenposition. Lederer hat den ersten Platz zurückerobert und Pop muss sich nun mit Platz 2 b zufriedengeben, auf 2 a steht Finanz-senator Matthias Kollatz (SPD). 24% kennen Lederer nicht, jeweils 30% wissen nicht, wer Kollatz und Pop sind.

Platz 4: Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD, unbekannt bei 34% der Befragten), 5: Innensenator Andreas Geisel (SPD, ihn kennen 25% nicht), 6: Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne, unbekannt bei 38%), den siebten Platz teilen sich Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke, 46% wissen nicht, wer sie ist) und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD, den nur drei Prozent nicht kennen). Auf den Abstiegsplätzen wie in den Vormonaten 9: Verkehrssenatorin Regine Günther (für aber nicht grün, bei 32% unbekannt), 10: Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke, 24% haben noch nie etwas von ihr gehört) und Schlusslicht Platz 11: Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD, von deren Existent 25% noch nichts gehört haben.)

Die Redaktion der Berliner Zeitung sollte auf der Treppe zwei Namen korrigieren: Der Finanzsenator heißt schon seit einiger Zeit nur noch Kollatz ohne Ahnen, und aus Dilek Kolat wurde heiratsbedingt Dilek Kalayci.

Zu meinem gestrigen Vorschlag, Kevin Kühnert zum neuen Parteivorsitzenden zu wählen, gab es überwiegend Zustimmung. Werner K. aus L. schrieb: „Ich bin ganz deiner Meinung. Kevin ist nicht allein zuhaus. Das wäre eine super Idee.“ Sven R. aus M.: „Bitte unterstütze weiter solche jungen Entwicklungen.“ Einen Spielverderber gab es natürlich auch: Rainer B. aus S.: „Das mit Kühnert ist wohl von Dir nicht ernst gemeint. Der Mensch kann nichts, hat nichts gelernt und nie was Richtiges gearbeitet.“ Von Kevin Kühnert werden wir wohl aber trotzdem noch lange hören, wenn wir uns eines Tages fragen, wer war eigentlich Andrea Nahles?

Ed Koch

  
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