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geschrieben von: Redaktion am 29.09.2020, 13:52 Uhr
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Für ideologische Fragen sind in der R2G-Koalition eigentlich Linke und Grüne zuständig. Wenn es aber um das Stromnetz geht, werden alle Register von den Sozialdemokraten gezogen. Jörg Stroedter ist beteiligungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion und zuständig für die unternehmerischen Beteiligungen des Landes Berlin und die Bereiche Wirtschaft und Finanzen. Seit Mai 2014 sitzt er der Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“ vor, deren Ziel es ist, Ideen und Konzepte für die Ausgestaltung eines öffentlichen Stadtwerks in Berlin auszuarbeiten. Vor allem ist Stroedter Lobbyist von „Berlin Energie“, dem im März 2012 gegründeten Landesbetrieb mit dem Motto: „Netze zurück zur Stadt“, der die Rekommunalisierung der Energieinfrastruktur im Land Berlin voranzubringen soll. Das ist vor allem deshalb bisher nicht gelungen, weil die Gerichte verhindert haben, dass „Berlin Energie“ der Vattenfall-Tochter „Stromnetz Berlin GmbH“ das Netz wegnimmt. Man könnte auch sagen, dass sich der Senat ziemlich dumm angestellt hat.
Nun hat das Kammergericht erneut verhindert, dass Stroedters Traum in Erfüllung geht. Fünf Tage hat er gebraucht, um sich davon zu erholen und verschickte heute eine Pressemitteilung, in der er beklagt, dass diese Gerichtsentscheidung erneut die Rekommunalisierung des Berliner Stromnetzes verzögert.
„Die aktuelle Entscheidung des Berliner Kammergerichts verzögert die Rekommunalisierung des Berliner Stromnetzes weiter. Allerdings schafft das Urteil auch Klarheit. Das Kammergericht hat zwar die Berufung des Landes abgewiesen, das Gericht hat aber andererseits eindeutig die Eignung von Berlin Energie als Bieter bestätigt und festgestellt, dass das Land Berlin eine neutrale Rolle eingenommen hat.“, schreibt Stroedter. Und weiter: „Die bundes-rechtlichen Regelungen des Energiewirtschaftsgesetzes ermöglichen den Kommunen einem Landes-betrieb den Zuschlag für das Stromnetz zu erteilen. Dass wir das in Berlin dürfen und können, hat das Kammergericht nun ausdrücklich bestätigt. Jetzt müssen wir die schriftliche Begründung des Kammergerichts abwarten, um das Urteil abschließend zu bewerten.“
Für Stroedter ist klar: „Die SPD-Fraktion wird sich von dem politischen Ziel der Rekommunalisierung der Strom- Gas- und Wärmenetze nicht verabschieden. Für uns ist der landeseigene Betrieb Berlin Energie voll bieterfähig und hat sich im diskriminierungsfreien Vergabeverfahren gegen Vattenfall eindeutig durchgesetzt. Gerichte sollten keine Vergabekammern ersetzen. Die Vergabe von Aufträgen und Ausschreibungen, auch des Stromnetzes, sind elementare Aufgabe der Exekutive. Das Verfahren sollte wieder in geordnete Bahnen gelenkt werden.“ Dahinter fehlt nur noch ein Basta. Gerichtsentscheidungen zu kritisieren ist in einem laufenden Verfahren immer besonders schlau. Aber schlau hat sich Berlin ja bislang ohnehin nicht angestellt. Schon seit 2014 ist es nicht gelungen, die Konzession neu zu vergeben.
Nun könnte Herr Stroedter es ja bei der Gerichts-schelte belassen. Aber ein guter Sozialdemokrat muss natürlich mit dem Knüppel noch auf die bösen Kapitalisten einschlagen. „Der schwedische Staatskonzern Vattenfall verlagert einen Großteil der Pro-fite aus der Konzession in den schwedischen Mutterkonzern. Wir wollen, dass die Gewinne im Land Berlin bleiben und hier zum kommunalen Mehrwert beitragen.“ Dazu ein paar Zahlen aus dem Geschäftsbericht 2019 der Stromnetz Berlin GmbH: Ergebnis nach Steuern 102 Mio. Euro. Das ist also der Betrag, der nach Schweden überwiesen werden könnte. Die Stromnetz Gesellschaft zahlt andererseits an das Land Berlin eine Konzessionsabgabe in Höhe von 145 Mio. Euro. Das scheint auf dem ersten Blick das bessere Geschäft zu sein. Nicht vergessen werden darf die Investitionssumme ins Netz, die 2019 194 Mio. Euro betrug. Was Herr Stroedter nicht erwähnt, ist jene Summe, die es kosten würde, das Stromnetz zurückzukaufen und wo er das Geld hernehmen will.
Stroedter lässt aber nicht locker. „Wir wollen auch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine neue Perspektive in unserem Landesbetrieb finden. In diesem Zusammenhang kritisiere ich noch einmal ausdrücklich den massiven Stellenabbau, den Vattenfall bereits in der Vergangenheit in Berlin verantwortet.“ Tatsache ist hingegen, dass bei der Stromnetz Berlin GmbH 1.307 Mitarbeiter beschäftigt sind, ein Plus von 22 gegenüber dem Vorjahr. „Die Mitarbeiterzahlen von Stromnetz Berlin haben sich in den letzten Jahren ganz leicht erhöht. Seit 2016 (da entstand die große Netzgesellschaft und wir können das mit den Geschäftsberichten belegen) hat es keinen Personalabbau gegeben, sondern einen Zuwachs. Für die Jahre davor (da waren Vattenfall Europe Distribution und Vattenfall Europe Netzservice noch getrennt) gab es in den beiden Gesellschaften keinen Abbau.“, teilte uns die Strom-netz Berlin GmbH auf Anfrage mit.
Der Rückkauf des Stromnetzes wird gerade jetzt nicht zu finanzieren sein. Warum die SPD die Kooperationsangebote der Stromnetz Gesellschaft nicht annimmt, weiß vermutlich nicht einmal Herr Stroedter. Der Verkauf der kommunalen BEWAG Anfang der 2000er Jahre war ein Fehler. Seitdem sorgen die Schweden dafür, dass in Berlin das Licht hell erstrahlt. Wenn aber Ideologie vor Verstand geht, kann es jedoch sehr schnell dunkel werden.
Ed Koch
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