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geschrieben von: Redaktion am 31.01.2021, 06:30 Uhr
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Die Deutsche Bundesbank ehrt am 22. April dieses Jahres mit der Herausgabe einer 20-Euro-Gedenkmünze die Widerstandskämpferin Sophie Scholl zu ihrem 100. Geburtstag. Sie ehrt damit den Widerstand junger Menschen, die ihren Einsatz für die Menschlichkeit, für Frieden und Freiheit im faschistischen Deutschland mit dem Leben bezahlten. Einer dieser jungen Menschen war auch Eva-Maria Buch, eine Mariendorferin, die wie Sophie Scholl dieses Jahr 100 Jahr alt geworden wäre und ebenfalls 1943 von den Nazis hingerichtet wurde.
Eva-Maria Buch wurde von ihrem katholischen Elternhaus geprägt und im Geiste der Achtung vor jedem Menschenleben erzogen. Ihr Abitur konnte sie aufgrund der der von den Nazis verfügten Schließung der katholischen St.-Ursula-Schule im Jahr 1939 nicht ablegen. Ihren Berufswunsch, Dolmetscherin zu werden, versuchte sie sich über eine Ausbildung an der Auslandswissenschaftlichen Fakultät der Berliner Universität zu erfüllen. Nebenbei arbeitete sie in einer Buchhandlung in Berlin-Mitte, wo die Begegnung mit dem Antiquar Wilhelm Guddorf ihr Leben veränderte. Der fast 20 Jahre ältere Guddorf (1902 -1943), ehemaliger KPD-Funktionär, arbeitete im illegalen Widerstand und konnte Eva-Maria für eine Mitarbeit gewinnen. Für die Widerstandsgruppe „Schulze-Boysen – Harnack“, die von den Nazis aufgrund ihrer Verbindung zur Sowjetunion als „Rote Kapelle“ bezeichnet wurde, übersetzte sie Aufrufe und Flugblätter, die an ausländische Zwangsarbeiter in Rüstungsbetrieben verteilt wurden. Obwohl ihre Eltern mit ihrer illegalen Arbeit nicht einverstanden waren, setzte sie sich über deren Bedenken hinweg. Aus Überzeugung, so erklärte sie einer Freundin, sei es ihr ein Herzensbedürfnis, etwas gegen die faschistische Diktatur zu unternehmen.
Im Frühherbst 1942 verhalf sie Guddorf in die Illegalität zu gehen. Im Zuge der Verhaftungswelle der Gestapo gegen die Mitglieder der Widerstandsgruppe wurde auch Eva-Maria Buch am 11. Oktober 1942 in ihrem Wohnhaus im Hochfeilerweg 23 (heute 23a) in Berlin-Mariendorf verhaftet. Drei Tage saß Buch unter Bewachung in der Wohnung, da die Gestapo sich erhoffte, so auch Guddorf fassen zu können. Zwar rief Guddorf, wie von der Gestapo erhofft, in der Wohnung an, aber Eva-Maria Buch schaffte es durch geschickte Sprachwahl ihn zu warnen.
Ab 15. Oktober 1942 begann ihre Untersuchungshaft. Bis März 1943 wurde ihren Eltern jeder Kon-takt verboten und sie bekam auch keine Briefe zu-gestellt. Am 3. Februar 1943 wurde sie zusammen mit weiteren Mitgliedern der „Roten Kapelle“ vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt. Auf die Frage des Anklägers vor Gericht: „Ob sie ihre Freunde zur Anzeige gebracht hätte, wenn sie ihre staatsfeindlichen Aktionen erkannt hätte?“, sagte sie: „Nein, dann wäre ich so niederträchtig und verdorben, wie sie mich hinstellen möchten.“ Ein Gnadenersuch für 17 Mitglieder der Widerstandsgruppe Schulze- Boysen – Harnack, darunter auch Eva-Maria Buch, wurde von Hitler persönlich am 21. Juli 1943 abgelehnt. Eva-Maria Buch wurde am 5. August 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
Die Eltern von Eva-Maria Buch überlebten den Zweiten Weltkrieg und hielten zusammen mit dem Bezirksamt Tempelhof in den ersten Nachkriegsjahren die Erinnerung an ihre Tochter wach. Im Zuge des Kalten Krieges und der Teilung Berlins geriet das Gedenken in Vergessenheit, da die Widerstands-gruppe „Schulze-Boysen - Harnack“, als von Kommunisten geführter Widerstand, nicht ins „westliche Geschichtsbild“ passte. Erst Mitte der 70er Jahre, als das Interesse an der Geschichte im Kiez u.a. mit der „Antifaschistischen Woche“ im Mariendorfer Jugendclub Bungalow, erwachte, wurde auch Eva-Maria Buchs Leben und Schicksal wieder in die Öffentlichkeit gerückt.
Seit 1977 war die Adresse Hochfeiler Weg 23a eine der Stationen der vom Paper Press e.V. durchgeführten Antifaschistischen Stadtrundfahrten. In den 1980er Jahren setzten sich die Initiatorinnen des Tempelhofer Frauenmärzes für eine öffentliche Ehrung durch das Bezirksamt ein. Der von der SPD am 2. März 1987 in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) eingebrachte Antrag zur Benennung des damals im Bau befindlichen Gemeinschaftshauses in Lichtenrade nach Eva-Maria Buch, der durch mehrere Demonstrationen, Veranstaltungen und Unter-schriftenlisten öffentliche Unterstützung erhielt, wurde nach über zweijähriger Diskussion am 25. Oktober 1989 von der konservativen Mehrheit in der BVV Tempelhof abgelehnt. Die Initiatorinnen ließen sich jedoch nicht beirren und setzten ihren Kampf fort. Bei Veranstaltungen im Rahmen des Frauenmärzprogramms und der Woche der Brüderlichkeit 1991 wurde eine breite Öffentlichkeit über das Wirken von Eva-Maria Buch informiert.
Die lokalpolitische Auseinandersetzung hatte Erfolg. Am 12. Oktober 1992 beschlossen alle Fraktionen in der Tempelhofer BVV, die bezirkliche Hauptbibliothek in der Götzstraße zum 50. Todestag nach Eva-Maria Buch zu benennen. Die feierliche Namensgebung fand unter Leitung des Bezirksstadtrats für Volksbildung, Klaus Wowereit (SPD), am 6. November 1993 statt.
Im Vorwort zur 2. Auflage des Buches „Eva-Maria Buch und die Rote Kapelle“ von Kurt Schilde schrieb zu diesem Anlass die ehemalige Berliner Schulsenatorin Hanna-Renate Laurien (CDU): „Eva-Maria Buch bezahlte ihr beherztes und entschlossenes Handeln mit dem Leben. Solch ein Preis wird in einer Demokratie, im Rechtsstaat nicht gefordert - aber wir wissen: zum Nulltarif ist weder Freiheit noch Recht zu haben. Freiheitliche Verfassungen geben einen Rahmen – Wirklichkeit wird eine solche Verfassung nur durch ihre Bürgerinnen und Bürger. Das Opfer von Eva-Maria Buch ist uns mahnende Verpflichtung.“
Neben der Namensgebung erinnert seit dem 6. März 2009 ein „Stolperstein“ vor dem Wohnhaus im Hochfeiler Weg 23a an Eva-Maria Buch. Hier wird die Initiative „Stolpersteine an der B 96 e.V.“, die die Verlegung durch den Kölner Künstler Gunter Demnig organisierte, am 31. Januar 2021 ein Corona konformes Gedenken durchführen.
Uwe Januszewski
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