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Ein wenig zu viel Jubel

geschrieben von: Redaktion am 25.05.2021, 16:50 Uhr
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Was steckt dahinter, wenn die Chefs von Deutsche Wohnen, Michael Zahn, und Vonovia, Rolf Buch, gemeinsam in die Kameras strahlen, weil der eine den anderen aufkaufen will? Und wenn auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Regieren-den Bürgermeister Michael Müller und Finanzsenator Matthias Kollatz, die beiden im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch strahlen? Da wird man doch stutzig, oder? Und das in einer Zeit, wo Tausende auf die Straße gehen oder mit ihren Fahrrädern die Autobahnen lahmlegen, um gegen den Mietenwucher zu demonstrieren. Und zu einer Zeit, wo ein Enteignungsvolksentscheid immer wahrscheinlicher wird.

Wir machen uns das an dieser Stelle einmal ganz einfach und veröffentlichen einige Stimmen aus der Politik zu diesem Milliarden-Deal und überlassen es Ihnen, daraus die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. Zuerst hat Michael Müller das Wort:

„Die Wohnungsunternehmen Vonovia und Deutsche Wohnen haben heute bekanntgegeben, einen Zusammenschluss anzustreben. Die Unternehmen kündigten unter anderem an, Mietsteigerungen für drei Jahre auf 1 Prozent und für zwei weitere Jahre auf die Höhe der Inflationsrate zu begrenzen. Auch sollen Investitionen in die energetische Modernisierung des Bestands und in den Neubau erfolgen. Hierbei sollen Modernisierungsumlagen auf zwei EUR/m² begrenzt und Wohnraum für Familien zu besonderen Konditionen angeboten werden. Gleich-zeitig bieten die Unternehmen dem Land Berlin an, rund 20.000 Wohnungen aus ihrem Bestand zu erwerben.

Michael Müller betonte das gemeinsame Interesse an konstruktivem Austausch und an einer Stabilisierung des Wohnungsmarktes: „Ich begrüße die Ankündigung der Unternehmen zur künftigen Mietpreisentwicklung und zum Neubau in Berlin. Mit der Möglichkeit, im Zuge der Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen 20.000 Wohnungen zu erwerben, besteht in Berlin die Chance, den Bestand an Wohnungen in öffentlicher Hand weiter auszubauen und als Land dafür zu sorgen, dass die Mieten bezahlbar bleiben. Am Ende der Legislaturperiode wer-den wir dann etwa 400.000 Wohnungen im städtischen Besitz haben, also etwa 20 Prozent des Berliner Mietenmarktes. Das erhöht die Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne der Mieterinnen und Mieter deutlich.

Dass Vonovia und Deutsche Wohnen bereit sind, in ihren Beständen die Mieten bis 2026 zu deckeln und den Neubau in der Stadt zu forcieren, werten wir als Signal der Wohnungsunternehmen und Zeichen an die Berlinerinnen und Berliner, hierfür nach ihrem Zusammenschluss einen besonderen Beitrag zu leisten.“

Auch die Spitzenkandidatin und Vorsitzende der Berliner SPD, Franziska Giffey, äußert sich:

„Ein großes Unternehmen wie die neue Vonovia SE hat auch eine große Verantwortung für die Stadt. Die Vonovia will ein neues mieterorientiertes und gesellschaftlich verantwortungsvolles Unternehmen schaffen. An diesem Ziel muss sie sich messen las-sen. Die Zusagen für die Begrenzung von Mietsteigerungen, für den Verkauf von 20.000 Wohnungen an das Land Berlin und auch die Neubaupläne für bezahlbare Wohnungen sind ein gutes Signal – auch für den sozialen Frieden in der Stadt.

Gemeinsam mit der Berliner Landespolitik muss jetzt dafür gesorgt werden, dass diese Zusagen in guter Zusammenarbeit mit dem Land Berlin erfüllt werden. Die Vonovia hat gerade in ihrem Umgang mit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Mietendeckel mit dem Verzicht auf Mietnachforderungen gezeigt, dass sie dem verantwortungsvollen Umgang mit ihren Mieterinnen und Mietern auch gerecht wird.

Berlin hat die große Aufgabe, in den kommenden Jahren die Mieterinnen und Mieter in der Stadt zu schützen und neuen Wohnraum zu schaffen. Dafür müssen alle Partner an einen Tisch: die städtischen Wohnungsbaugesellschaften und die Genossenschaften, aber auch die privaten Wohnungsunternehmen. Wir müssen weg von der Konfrontation hin zur Kooperation. Ich will mit der SPD Berlin da-für sorgen, dass bis 2030 mindestens 200.000 neue und bezahlbare Wohnungen gebaut werden. Dafür brauchen wir ein starkes „Bündnis Wohnungsneubau Berlin“, das auf Zusammenarbeit und nicht auf Enteignung setzt.“

Raed Saleh, Ko-Vorsitzender der SPD und Chef der Abgeordnetenhaus-Fraktion sagt kurz und knapp:

„Unser Mietendeckel ist in der gesellschaftlichen Mitte angekommen. Der Verzicht auf Mieterhöhungen und das erneute Angebot des Berliner Marktteilnehmers Vonovia, sogar einen geringeren Inflationsausgleich heranzuziehen, als nach dem Mietendeckel möglich wäre, schlägt ein neues Kapitel von verantwortungsvoller Zusammenarbeit auf. Für die SPD-Fraktion ist klar, wir unterstützen den Erwerb von Wohnungen durch das Land Berlin und erwarten, dass unsere landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sich an der Verzichtserklärung von Vonovia messen lassen.“

Der Vorsitzende der Berliner CDU, Kai Wegner, jubelt vordergründig mit, natürlich nicht ohne den Senat vors Schienbein zu treten. Er erklärt:

„Die Übernahme der Deutsche Wohnen durch Vonovia kann eine Chance für die Mieterstadt Berlin sein. Der in Aussicht gestellte Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen ist ein dringend benötigter Baustein, um das faire Miteinander auf dem Berliner Mietwohnungsmarkt zu stärken. Es ist bezeichnend, dass die Initiative für eine Zusammenarbeit aller Akteure von privaten Unternehmen statt vom Senat kommt. Seit Jahren drängt die CDU auf ein Bündnis für bezahlbares Bauen und Wohnen, und seit Jahren hat Rot-Rot-Grün sich allen Bemühungen widersetzt. Der Senat muss jetzt die ausgestreckte Hand der beiden Unternehmen ergreifen. Alles andere wäre unverantwortlicher Populismus, der Gräben vertieft statt neue Brücken zu bauen.

Rot-Rot-Grün hat schon viel zu viel Geld, Zeit und Ressourcen für untaugliche Instrumente wie Mietendeckel und Enteignungen verschwendet. Der angebotene Verkauf von 20.000 Wohnungen bietet Rot-Rot-Grün die Gelegenheit, sich gesichtswahrend von allen Enteignungsphantasien zu verabschieden. Es gilt, jetzt alle Kräfte dafür bündeln, um gemeinsam mit allen Partner Neubau und soziale Leitplanken in Berlin hochzufahren. Berlin muss nicht die Hauptstadt der steigenden Mieten und der bundesweit schärfsten Konkurrenz um freien Wohn-raum sein. Nachhaltige Lösungen für die Berliner Mieterinnen und Mieter schaffen wir nur im Miteinander statt im Gegeneinander. Die CDU steht da-für bereit."

Und Christian Gräff, der Sprecher für Bauen und Wohnen der CDU-Fraktion, ergänzt, auch nicht ohne den Senat zu kritisieren:

„Der Senat muss die Chancen für Berlins Mieter nutzen, die sich aus der geplanten Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen bieten. Die Angebote für die Stadt sind vielversprechend und eine Handreichung zur Lösung der rot-rot-grünen Wohnungs- und Mietenproblems. Die Schaffung des ,Zukunft- und Sozialpakts Wohnen‘ entspricht dem, was wir seit Jahren fordern.

Vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller kam dazu heute vor allem viel Schönfärberei. Die Chance für ein ehrliches Signal zur Zusammenarbeit und der Abkehr des bisherigen Konfrontationskurses hat er vertan. Sein Statement insbesondere gegen Enteignungsfantastereien seiner Koalitionspartner war alles andere als überzeugend. Müller lässt sich seit Jahren mietenpolitisch von Grünen und Linken auf der Nase rumtanzen.

Es ist erstaunlich, dass sich Müller weiterhin weigert, die Faktenlage zur Kenntnis nehmen zu wollen: 14 Prozent weniger fertiggestellte Wohnungen im letzten Jahr, ein kontinuierlicher jährlicher Rück-gang der Baugenehmigungen unter Rot-Rot-Grün bei steigenden Einwohnerzahlen. Das Frühjahrsgut-achten des Rates der Immobilienweisen kommt im Vergleich mit Hamburg zu einer ernüchternden Bilanz für Berlin. Die Hansestadt macht es vor, wie stabile Mieten mit Wohnungsneubau einhergehen und dass nur ein kooperatives Modell mit allen Partnern funktionieren kann. Auch der von ihm gefeierte sogenannte Mietendeckel wird darin als untaugliches Instrument ausgewiesen. Davon hätten vor allem Mieterinnen und Mieter in guten Wohnlagen mit höheren Einkommen profitiert. Inserierte Wohnungsangebote sind um 40 Prozent eingebrochen.

Der Handlungsdruck ist so groß wie nie. Nicht die Unternehmen, sondern Rot-Rot-Grün muss endlich eine wohnungspolitische Wende zu konstruktiven, vor allem partnerschaftlichen Lösungen einleiten.“

Sebastian Czaja, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, schlägt in dieselbe Kerbe: „Mit dem angekündigten „Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen“ senden Deutsche Wohnen und Vonovia ein klares Signal, dass sie sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind. Es ist nun am Berliner Senat ein ebenso klares Signal zu senden und den Enteignungs- und Deckelungsphantasien in der Stadt eine Absage zu erteilen. Schon viel früher hätte die rot-rot-grüne Regierung über ihren Schatten springen und das Gespräch mit den Wohnungs- und Bauunternehmen in der Stadt suchen müssen, denn nur gemeinsam mit privaten Investoren kann das Problem der Wohnungsnot in Berlin und dadurch steigender Mieten gelöst wer-den. Das funktioniert nur mit einer Regierung, die gegenüber der Wirtschaft als zuverlässiger Partner auftritt.“

Von Grünen und Linken haben wir bislang keine Pressemitteilung zu dem Vorgang im Posteingangsfach. Gern versendet R2G gemeinsame Presseerklärungen zu allen möglichen Themen. In diesem Fall scheint das nicht gelungen zu sein.

Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, hat jedoch Zweifel an dem Deal. Er kritisiert in einem Interview des RBB InfoRadios, dass Berlin die Konzernfusion mitfinanzieren könnte. Durch die Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen entsteht Europas größter Immobilienkonzern, dem der Berliner Senat gut 20.000 Wohnungen abkaufen will.

Wild sagte, es sei etwas ungewöhnlich, dass der Regierende Bürgermeister und die zwei Konzerne die gemeinsame Fusion vorstellten. Wohlmöglich gaben aber die 20.000 Wohnungen, die Berlin kaufen will, den Ausschlag dafür.

Mieterverein: „Glauben nicht an nutzbringenden Pakt"

Der Kauf der Deutsche Wohnen für 18 Milliarden Euro bedeute auch, es könnte an anderer Stelle gespart werden. „Deswegen glauben wir [Berliner Mieterverein] nicht an einen Pakt, der den Mietern am Ende auch nutzt", sagte Wild. Eine Mieterhöhung um ein Prozent klinge erst einmal wenig – doch viele Wohnobjekte befänden sich schon jetzt an der Kappungsgrenze der ortsüblichen Miete, so der Mietexperte.

Share-Deal zur Umgehung der Grunderwerbssteuer?

Das Land Berlin würde die Fusion zum Teil mitfinanzieren, so Wild – denn jene 20.000 Wohnungen, die gekauft werden sollen, werden teurer verkauft. Beide Unternehmen, so der Geschäftsführer des Mietervereins, hätten in der Vergangenheit sogenannte Share-Deals durchgezogen, mit denen sich die Grunderwerbssteuer umgehen ließe. Diese könne beim aktuellen Projekt bis zu einer Milliarde Euro betragen. Würde diese nicht eingefordert, mute auch der vergünstigte Kaufpreis der 20.000 Wohnungen „sehr merkwürdig" an, so Wild. Quelle: InfoRadio

Das ganze Interview mit Reiner Wild können Sie unter dem folgenden Link nachhören:

https://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/int/202105/25/568316.html

Zusammenstellung und Kommentierung: Ed Koch

  
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