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geschrieben von: Redaktion am 18.12.2021, 11:13 Uhr
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Kurz vor Weihnachten, am 21. Dezember, findet in Berlin mal wieder ein Machtwechsel im Roten Rat-haus statt. Nach sieben Jahren überlässt Michael Müller das repräsentative Bürgermeister-Büro in der ersten Etage seiner Nachfolgerin Franziska Giffey. Giffey war von 2010 bis 2015 Bildungsstadträtin und danach bis 2018 Bezirksbürgermeisterin von Neukölln, anschließend auf Initiative des Brandenburger Ministerpräsidenten und SPD-Landes-Vorsitzenden Dietmar Woidke Bundesministerin für Familien, Senioren, Frauen und Jugend. Von diesem Amt trat sie im Mai diesen Jahres zurück, nachdem ihr der Doktortitel aberkannt worden war. Seit November 2020 ist sie gemeinsam mit dem Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh Vorsitzende der Berliner SPD.
Am 29. Januar 2020 erklärte Michael Müller, dass er nicht erneut als Landesvorsitzender der Berliner SPD antreten werde. Er schlug Franziska Giffey und Raed Saleh als Doppelspitze vor. Dass sich Saleh auf die Doppelspitze einließ, die er partout als Fraktionsvorsitzender ablehnt, ist nur allzu verständlich. Es war für ihn die einzige Möglichkeit, überhaupt Landesvorsitzender zu werden, auch wenn nur halb. Am liebsten hätte Franziska Giffey gleich an diesem Abend ihre Kandidatur als Regierende Bürgermeisterin erklärt und noch in der laufenden Legislaturperiode das Amt übernommen. Aber Müller war stur. Er bleibe bis zum letzten Tag der Amtszeit Regierender Bürgermeister, erklärte er.
Im Nachhinein kann Giffey Müller dankbar sein. Denn wenn sie bereits 2020 Regierende Bürgermeisterin geworden wäre, hätte sie die Aberkennung ihres Doktortitels im Amt getroffen. Ein Rück-tritt wäre unausweichlich gewesen und hätte die SPD ins Chaos gestürzt. Aber, wie es so schön heißt, alles Schnee von gestern. Jetzt hat auch die Linke, trotz Bedenken wegen des Umgangs mit dem Enteignungsvolksentscheid, dem Koalitionsvertrag zu-gestimmt. Der neue Senat steht in den Startlöchern.
Vor ihrer Wahl macht es Giffey spannend. Während Grüne und Linke ihre Senatsmitglieder bereits benannt haben und sogar die Mitglieder darüber ab-stimmen ließen, macht die SPD immer noch ein Geheimnis daraus. Giffey und Saleh werden am Montag, dem 20. Dezember 2021, um 09:00 Uhr, vier Umschläge aus dem Hut zaubern und bekannt-geben: And the Winner is:
Die Pressekonferenz kann via Livestream auf https://spd.berlin/livestream verfolgt werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat seine Minister erst einen Tag vor der Bekanntgabe ihrer Namen angerufen. Karl Lauterbach zeigte sich bei Anne Will zwischen 21:45 und 22:45 Uhr noch ahnungslos. Und nachts ging dann das Telefon und Karl wusste, das kann nur Olaf sein. Giffey und Saleh werden vermutlich nicht erst Sonntagabend die vier künftigen Senatsmitglieder anrufen. Die Liste dürfte bereits feststehen. Spannende Frage ist nur, ob BILD, Tagesspiegel, RBB, Morgenpost oder Berliner Zeitung zehn Minuten vor neun die Namen bekanntgeben. Denn das ARD-Hauptstadtstudio veröffentliche die Scholz-Liste auch zehn Minuten vor Beginn der Pressekonferenz. Die Art des Umgangs der SPD mit der Präsentation der Namen ist fragwürdig. Eine privilegierte Partnerschaft als SPD-Mitglied gibt es nicht. Das hat auch Kevin Kühnert leidvoll erfahren müssen und in der NDR-Dokumentation über ihn beklagt, als ohne ihn vorher zu informieren, Esken, Walter-Borjans, Klingbeil und Mützenich in einem Restaurant nahe dem Willy-Brandt-Haus entschieden hatten, dass Scholz Kanzler werden soll.
Zum Ausfüllen. Die SPD-Ressorts des neuen Senats.
SPD
Regierende Bürgermeisterin
Kandidatin: Franziska Giffey
Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen
NN
Bildung, Jugend und Familie
NN
Inneres, Sport
NN
Digitalisierung und Wirtschaft, Energie und Betriebe
NN
Bei Grünen und Linken stehen die Namen schon seit einiger Zeit fest:
Bündnis 90 / Die Grünen
Finanzen
Kandidat: Daniel Wesener
Umwelt, Verkehr, Klima- u. Verbraucherschutz
Kandidatin: Bettina Jarasch
Gesundheit und Wissenschaft
Kandidatin: Ulrike Gote
Die Linke
Kultur und Europa
Kandidat: Klaus Lederer
Integration, Arbeit und Soziales
Kandidatin: Katja Kipping
Justiz und Antidiskriminierung
Kandidatin: Lena Kreck
Am 21. Dezember 2021, wird zwischen 09:00 und 09:30 Uhr in der Staatsbibliothek der Koalitionsvertrag unterschrieben. Anschließend tritt um 10:00 Uhr das Abgeordnetenhaus zu seiner dritten Sitzung zusammen. Alex TV überträgt die Sitzung live. Tagesordnungspunkt 1: Wahl und Vereidigung der Regierenden Bürgermeisterin.
„Nicht vor 11:00 Uhr“ heißt es in einer Pressemitteilung, wird die Regierende Bürgermeisterin das Rat-haus durch das Hauptportal betreten und die große Treppe auf dem roten Teppich emporschreiten, flankiert von Schornsteinfegerinnen und Schornsteinfegern. Das war schon bei der Amtseinführung von Michael Müller ein schönes Bild. Im Wappens-aal werden anschließend die neuen Senatsmitglieder von Giffey förmlich ernannt. Danach geht es zurück ins Abgeordnetenhaus, wo die Senatorinnen und Senatoren vereidigt werden. Die Medien werden wieder mitzählen, wer „ich schwöre“ oder „ich schwöre, so wahr mir Gott helfe“ sagt.
„Nicht vor 16:00 Uhr“ werden dann die Medien Gelegenheit haben, „in verschiedenen Varianten“ Gruppenfotos vom neuen Senat zu machen. Danach erfolgt die Amtsübergabe im Bürgermeisterbüro und die konstituierende Senatssitzung.
Zwischendurch läuft die Sitzung des Abgeordnetenhauses weiter. Gleich unter Punkt vier der Tagesordnung will die AfD die Verfassung von Berlin ändern. So soll der Artikel 55 um einen neuen Absatz 3 ergänzt werden: „Mitglieder des Senats dürfen nicht dem Abgeordnetenhaus angehören.“ Würde diese Verfassungsänderung vorgenommen, wovon nicht auszugehen ist, beträfe das bei der SPD Franziska Giffey, Andreas Geisel, wenn er wieder Senator wird, und gegebenenfalls einige NN, Klaus Lederer von der Linken sowie Daniel Wesener und Bettina Jarasch von den Grünen.
„Eine Trennung von Amt und Mandat entspricht dem Grundgedanken der Gewaltenteilung.“, argumentiert die AfD. „Jeder Abgeordnete, der auf die Regierungsbank wechselt und sein Mandat behält, schwächt das Parlament und die Gewaltenteilung.“, heißt es in der Begründung zum Antrag. Die AfD lässt auch das Finanzielle nicht unberücksichtigt, denn Senatsmitglieder, die gleichzeitig Abgeordnete sind, erhalten zumindest einen Teil ihrer Diäten zusätzlich. Natürlich geht es bei diesem Antrag auch um den üblichen Populismus, der aber bei vielen Wählern ankommt. Was allerdings dafür spricht, dass Senatsmitglieder ihr erworbenes Mandat behalten, ist die Bindung an ihren Wahlkreis.
In Hamburg hingegen ist dies eindeutig geregelt: „Sofern ein Abgeordneter des Landesparlaments, der Hamburgischen Bürgerschaft, selbst zum Senator gewählt wird, ruht dessen Mandat und ein Kandidat seiner Partei rückt in die Bürgerschaft nach.“
Im weiteren Verlauf der Abgeordnetenhaussitzung werden die auf Berlin entfallenden Mitglieder der 17. Bundesversammlung vom Abgeordnetenhaus gewählt. Am 13. Februar 2022 findet die Wahl des Bundespräsidenten statt. Bekannt ist schon, dass die Grünen Christian Drosten als Mitglied der Bundesversammlung nominiert haben.
„Nach dem Verteilungsschlüssel können die Berliner Grünen sieben Mitglieder benennen. Neben Drosten nominierte die Grünenfraktion die Journalistin Ferda Ataman, den Europaabgeordneten Erik Marquardt, die Vizepräsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses, Bahar Haghanipour, sowie die drei Fraktionschefinnen Bettina Jarasch, Antje Kapek und Silke Gebel als weitere Delegierte für die Bundesversammlung.“
Die Nominierung von Promis für die Bundesversammlung hat Tradition und gilt als Auszeichnung und Ehre. Nachteil ist die dadurch erfolgte Zuweisung zu einer Partei. Für die SPD sind Klaas He-ufer-Umlauf und Roland Kaiser nominiert. Die CDU will, dass Angela Merkel mitmacht. Die Linke hat die Dragqueen Gloria Viagra und den Intensivpfleger Ricardo Lange nominiert.
Fehlen nur noch Oliver Welke, Jan Böhmermann und Christian Ehring. Vermutlich traut sich aber keine Partei, einen dieser Herren zu nominieren.
Ed Koch
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