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geschrieben von: Redaktion am 25.04.2022, 07:05 Uhr
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„Lanz trifft Gysi“ gab es schon häufiger in Markus Lanz ZDF-Talk. Eine Überschrift, die so spektakulär ist wie „Hund beißt Mann.“ Aber „Gysi trifft Lanz“ klingt dann doch eher wie „Mann beißt Hund.“ Gebissen wurde gestern Abend im Kabarett-Theater „Distel“ an der Friedrichstraße nicht. Es ging sehr freundlich, ja empathisch zu.
Das Format „Missverstehen Sie mich richtig“, ist eine Veranstaltungsreihe des tRÄNENpALASTs, in dem sich nach eigenen Aussagen „zwei Persönlichkeiten treffen, die sich etwas zu sagen haben. Dabei treffen unterschiedliche Bereiche, Berufe und Charaktere aufeinander. Die Zuschauer sind Livezeugen dieses Zusammentreffens, das mit Schlagfertigkeit und Witz unterhält. Erhellende Einsichten und grund-legende Missverständnisse sind garantiert und bieten dem Publikum einen aufgeweckten Sonntag fernab von Sofa und Stammtisch, wenn es wieder frei nach Martin Buchholz heißt: „Missverstehen Sie mich richtig!"
Von dieser Veranstaltungsreihe mit Gregor Gysi hatte ich schon oft gehört, viel Gutes. Ich ging allerdings davon aus, dass dem Zuschauer ein Streitgespräch geboten wird und nicht das Abarbeiten des Wikipedia-Eintrags des Gastes, in diesem Falle Markus Lanz. Es hätte viel zu besprechen gegeben mit dem immer noch bekanntesten und populärsten Protagonisten der Linken. Nicht zuletzt hätte man über den Zustand seiner Partei sprechen können, die langanhaltende Russlandfreundlichkeit, den Krieg in der Ukraine und so weiter. Um diese Themen ging es aber nicht, sondern allein um Markus Lanz, und das war mehr als abendfüllend und äußerst unterhaltsam, fast drei Stunden lang. Es gab von Lanz nur zwei Spitzen auf den Linken Gysi: „Sind Sie noch Mitglied der Linken?“ und „Wenn, dann würde ich mich am liebsten von Ihnen enteignen lassen.“ Obwohl mit anderen Erwartungen in die Veranstaltung gegangen, war ich nicht enttäuscht. Was der 53-jährige in Südtirol geborene Lanz in seinem Leben schon gemacht und veranstaltet hat, ist beeindruckend.
Gysi arbeitete seine Karten chronologisch ab. Sprach Lanz auch auf Fernsehshows an, die nicht so erfolgreich waren, und Lanz reagierte darauf, wie gute Politiker es tun, er konnte sich nicht erinnern. Die letzte halbe Stunde war dann doch ein bisschen anstrengend, als Lanz über seine Reisen nach Grönland und Afrika berichten sollte. Da musste er schon mal Augen von irgendeinem Tier essen und mit Kakerlaken kämpfen, die in der Matratze wohnten, auf der er schlief. Das Dschungelcamp hat er also schon hinter sich.
In der Pause verkaufte und signierte Gysi seine Bücher, und da Lanz keine eigenen dabeihatte, setzte er seine Unterschrift neben die von Gysi.
Der ZDF-Talk Markus Lanz ist zweifelsohne der interessanteste und spannendste im Angebot des Deutschen Fernsehens. Gleich dreimal in der Woche geht es oft sehr direkt und kontrovers in dem Hamburger Studio zu. Viele Berliner Politiker nehmen die Bahnfahrt nach Hamburg gern in Kauf, nur, wenn es gar nicht anders geht, lassen sie sich per Video zu-schalten. Die Sendungen von Anne Will, Frank Plasberg, Sandra Maischberger und Maybrit Illner bleiben hinter dem Lanz-Talk unterschiedlich weit zurück.
Zwei Millionen Zuschauer sitzen im Schnitt vor dem Fernsehgerät, wenn Lanz mit seinen Gästen talkt. Es gibt wenig zwischen Gutfinden und Garnichtgucken. Lanz mag einigen zu arrogant erscheinen, dabei ist es seine Eloquenz, die ihn auszeichnet. Dass er seine Gäste oft und gern unterbricht, ist manchmal sehr nervig, führt aber auch dazu, dass sich diese nicht endlos auslabern. Markus Lanz hat nach vielen Formatversuchen im Fernsehen seines 2008 gefunden. Er ist ein brillanter Talk-Master, Show-Master, siehe „Wetten, dass…?“ liegt ihm nicht. Dafür ist Thomas Gottschalk besser geeignet, obwohl dieser eine von sich überdimensioniert eingenommene Nervensäge ist.
Apropos Talk-Master. Gregor Gysi ist ein begnadeter Rhetoriker, der viele kluge, manchmal auch weniger kluge Sachen sagt. Er ist aber auch ein Populist, allerdings mit hohem Unterhaltungswert. Noch immer lohnt es sich, den Fernseher lauter zu stellen, wenn Gysi im Bundestag eine Rede hält, was leider immer seltener der Fall ist.
Was Gysi aber nicht liegt, ist Moderator. Er kann sich in einem Gespräch, in dem es um sein Gegen-über und nicht um ihn geht, nur schwer zurücknehmen. Immer wieder streut er eigene Geschichten ein, erwähnt zigmal, dass er 74 Jahre alt ist und vier Berufe hat: Rechtsanwalt, Politiker, Buchautor und Moderator. In den ersten drei hat er Qualitäten, im vierten nicht. Zu statisch kommt das Abarbeiten seiner Moderationskarten rüber. Es ist ein Frage-Antwort-Spiel, das ein richtiges Gespräch nur selten aufkommen lässt.
Dennoch ist die Veranstaltungsreihe beliebt und wird fortgesetzt. Am 8. Mai ist die Jazz- und Soulsängerin Uschi Brüning zu Gast, am 22. Mai die DDR-Schlagerlegende Frank Schöbel, am 12. Juni der begnadete Kabarettist Oliver Kalkofe und am 26. Juni The One And Only Helge Schneider. Schneiders Talk mit Gysi ist ausverkauft, für die anderen Vorstellungen gibt es noch Tickets.
Gysi kann für sich in Anspruch nehmen, schon (fast) alle gehabt zu haben, zum Beispiel Heiner Lauterbach, Jens Spahn, Kevin Kühnert, Jan Böhmermann, Peter Gauweiler, Oliver Welke, Christian Ströbele, Nikolaus Blome, Klaus Le-derer, Jürgen von der Lippe, Urban Priol, Kurt Krömer und viele mehr.
Ed Koch
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