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geschrieben von: Redaktion am 17.11.2022, 00:51 Uhr
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Die Legislative und die Exekutive kann man natürlich beschimpfen so oft und solange man will. Die Judikative wird aus Höflichkeitsgründen nicht beschimpft, weil es eine Stelle im Staat geben muss, die das letzte Wort hat, das zu akzeptieren ist, auch wenn das verkündete Urteil von der eigenen Meinung abweicht. Eigentlich. Alle Stellungnahmen der Parteien nach dem Urteil des Berliner Verfassungsgerichtshofs, vor allem der regierenden, waren zurückhaltend und respektvoll. Das müssen wir nicht mitmachen. Das Urteil, die komplette Berliner Wahl zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen wiederholen zu müssen, ist vollkommen überzogen, ungerechtfertigt und ein Skandal.
Bei allem Respekt darf man sich fragen, ob die Damen und Herren Richterinnen und Richter noch alle Tassen im Schrank haben. Jedes Urteil muss die Folgen im Blick haben und abwägen, ob der Schaden nicht größer ist als der Nutzen. Wie kann es sein, dass der Bundestag festgestellt hat, dass in 431 von 2.257 Wahlbezirken nachgewählt werden muss, während für Berlin eine komplette Neuwahl angeordnet wird. Das Maß an Ignoranz gegenüber dem Bundestag ist erschreckend.
Offenbar hat sich der Bundestag die Mühe gemacht, die Wahlpannen zu lokalisieren. Der Verfassungsgerichtshof hingegen sieht in den 431 beanstandeten Wahlbezirken die „Spitze eines Eisbergs“, soll heißen, dass angenommen wird, es gäbe auch in anderen Wahlbezirken Unregelmäßigkeiten. Seit wann fällen Gerichte ihre Urteil nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung und nicht der Faktenlage?
Nach einem langen anstrengenden Tag, der geprägt war vom Umgang mit dem Gerichtsentscheid, nahm die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey am Abend eine Einladung von Detlef Prinz an, der in einem Restaurant in Mitte die Gründung des „Medienverbands der freien Presse e. V.“ feierte. Der MVFP ist der Bundesverband der Zeitschriftenverleger in Deutschland, der in diesem Jahr die Funktion des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger übernahm. Detlef Prinz, unter anderem Herausgeber des Hauptstadtbriefes, ist seit Jahrzehnten der bekannteste und umtriebigste Medienunternehmer Berlins und neuerdings Vorsitzender des MVFP.
Alle Politiker, die an dem Empfang teilnahmen, hielten sich mit der Kritik an der Gerichts-Entscheidung vornehm zurück, zwischen den Silben war jedoch Enttäuschung und Verärgerung herauszuhören.
An der Veranstaltung nahmen (fast) alle teil, die in der Hauptstadt etwas mit Medien machen oder zu tun haben, ob Theo Koll (ZDF), Wolfgang Lippert, Stefan Aust, Georg Mascolo, Ulli Zelle (rbb), Carsten Schneider (Ostbeauftragter der Bundesregierung), Katrin Vernau (rbb Intendantin), Iris Spranger (Innensenatorin), Jörg Stroedter (SPD-Fraktion), Melanie Kühnemann-Grunow (Medienpolitikerin der SPD-Fraktion), Katrin Budde (Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien im Deutschen Bundestag), Katja Gloger (Reporter ohne Grenzen), Iris Röthig (Verlegerin des Magazins für die Sozialwirtschaft „Wohlfahrt intern“), der Bezirksbürgermeister von Reinickendorf Uwe Brockhausen, Erik Stohn, medienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Brandenburger Landtag, Tom Buhrow (ARD Vorsitzender und WDR-Intendant), Klaas Heufer-Umlauf (Fernsehmoderator), Sebastian Czaja (FDP-Fraktionsvorsitzender), Christian Hoffmann (stellvertretende Regierungssprecherin) und viele viele mehr.
Grüne und Linke in Berlin tun so, als wenn sie nicht zur Regierung gehörten. Sie zeigen mit dem Finger auf Andreas Geisel und schieben ihm die Schuld an der vergeigten Wahl zu. Das ist natürlich der einfachste Weg. Man sollte aber nicht vergessen, dass für die Wahlen in den Bezirken 2021 von der CDU ein, den Linken drei, der AfD zwei, den Grünen drei und der SPD drei Stadträte für die Bezirkswahlämter zuständig waren.
INSA hat (im Auftrage der BILD) gestern eine Um-frage mit der berühmten Frage, was wäre, wenn am nächsten Sonntag Wahlen stattfänden veröffentlicht. Demnach käme die CDU auf 21%, SPD und Grüne auf jeweils 20%, die FDP auf sieben, die Linke zwölf und die AfD zehn Prozent. Renate Künast und Bettina Jarasch sind bei den Hoffesten der Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und Michael Müller kurz vor den Wahlen schon mit dem Zollstock zum Roten Rathaus gekommen, um ihr Amtszimmer auszumessen. In beiden Fällen hat es nicht geklappt, ebenso wenig mit einem Bundes-kanzler Robert Habeck. Bei den letzten Wahlen hat die SPD bewiesen, dass sie aus einer Außenseiterposition letztlich das Rennen macht. Die Grünen in Berlin sollten sich ihrer Sache nicht so sicher sein und auch nicht die CDU. Man kann über Franziska Giffey denken, was man will, im Wettbewerb mit Bettina Jarasch und Kai Wegner liegt sie deutlich vorn.
Völlig absurd ist übrigens, dass der Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“, der im September 2021 auch zur Abstimmung stand, nicht wiederholt werden muss. Warum eigentlich?
Nach jetzigem Stand wählen wir also am 12. Februar 2023 ein neues Abgeordnetenhaus und unsinnigerweise auch die Bezirksverordnetenversammlungen. Während ein neues Parlament eine neu Regierende Bürgermeisterin oder Regierenden Bürger-meister wählen kann, ist das auf Bezirksebene nicht möglich, weil die Stadträte Wahlbeamte mit einem Vertrag bis zum Ende der Legislaturperiode 2026 haben. Nur mit einer Zweidrittelmehrheit ließe sich ein Stadtrat abwählen, was sehr unwahrscheinlich ist. Da die Nachwahl keine Neuwahl ist, findet die nächste reguläre Wahl im Herbst 2026 statt.
Und dann muss ja schließlich noch in den 431 Wahl-bezirken für den Bundestag nachgewählt werden. Dafür steht noch kein Termin fest. Übrigens: Auch mit dem Märchen, Berlin hätte die Wahl nicht auf den Tag des Marathons legen müssen, muss mal aufgeräumt werden. Der Marathon-Termin stand fest, bevor der Bundestag den Wahlsonntag bekanntgab, wohl wissend, was in Berlin stattfindet.
Zwar dürfen erst ab dem 2. Januar Wahlplakate aufgestellt werden, das hindert die Parteien aber nicht daran, ab morgen mit dem Wahlkampf zu beginnen. Startschuss ist um 10:00 Uhr im Abgeordnetenhaus mit der regulären Plenarsitzung. Live-Übertragung bei AlexTV.
Was Franziska Giffey im Wahlkampf nicht machen will, verriet sie beim Empfang des Medienverbandes: „Sie werden mich nicht beim Rosenverteilen erwischen.“
Über den Landesverfassungsgerichtshof ließe sich noch einiges sagen. Aber, wie sagte Giffey so treffend: „Nützt ja nischt!“
Ed Koch
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