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geschrieben von: Redaktion am 30.11.2022, 09:09 Uhr
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Gestern ist der Tagesspiegel in neuer Aufmachung erschienen. Der Schriftzug gehörte zum Stadtbild wie der des KaDeWe. Die wechselvolle Geschichte der Zeitung seit 1945 ist bei Wikipedia nachzulesen. https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Tagesspiegel
„Der neue Tagesspiegel ist da! Seit Wochen (Monaten! Jahren!) schwirrt die Redaktion wie ein Bienen-stock, heute ist es endlich so weit – wir haben uns neu erfunden. Der Tagesspiegel hat in seine Redaktion investiert und bietet Ihnen ab heute zwei Zeitungen in einer: 40 Seiten aus Deutschland und der Welt und 40 Seiten aus unserer Weltstadt Berlin. Unser Anspruch: So tiefgehend über globale und lokale Themen zu berichten, wie sonst kein anderer – von Neukölln bis New York, Kreuzberg bis Kapstadt, Pankow bis Peking.“, erfuhren wir gestern früh aus dem Tagesspiegel Checkpoint-Newsletter.
Die auffälligste äußere Veränderung ist das neue Hochformat und dass die Seiten zusammengeklammert sind. Das alles ist praktisch, passt doch die Zeitung jetzt komplett aufgeschlagen auf den Tisch, wozu man früher schon einen sehr großen Tisch brauchte. Eigentlich ideal für unterwegs in Bus und Bahn, wobei man dort überhaupt niemand mehr sieht, der eine Zeitung in der Hand hält. Das Handy hat die Zeitung im ÖPNV schon längst abgelöst. Nachteil des neuen Formats ist, dass man die einzelnen Sektionen, Buch genannt, nicht mehr inner-halb der Familie verteilen kann, einer bekommt die Politik, ein anderer die Kultur und Papa den Sport. Dazu müsste man die Klammern lösen.
Ein weiterer Nachteil zeigt sich am Zeitungsständer in den Tankstellen. Im breiten Mittelteil liegen Berliner Morgenpost, Berliner Zeitung, Süddeutsche Zeitung, BILD-Zeitung etc. Es fehlt der Tagesspiegel, der nun am Seitenteil des Ständers gemeinsam mit der BZ zu finden ist.
Auffällig ist auch, dass der Artikel fehlt. Nicht mehr Der Tagesspiegel, sondern nur noch Tagesspie-gel. Das ist offenbar die gegenderte Form, dem Zeitgeist entsprechend. Mal sehen, wann Der Spie-gel nachzieht. Das Motto „rerum cognoscere causas – die Ursachen der Dinge erkennen“ steht nach wie vor unter dem Titel, allerdings nicht mehr so spektakulär um die Weltkugel geschlungen.
Der Tagesspiegel hat mächtig aufgerüstet. Ein so umfangreiches Blatt zu erstellen, bedarf vieler Journalisten. Es gibt zwei Chefredakteure, zwei Stellvertreter und sechs Mitglieder der erweiterten Chefreaktion, also zehn, davon drei Frauen. Immerhin.
Wenn man sich auch nur annähernd jeden Artikel wenigstens anschauen möchte, vergingen Stunden, die erst einmal zur Verfügung stehen müssen. Das Angebot an Informationen ist breit. Im Hauptteil ging es gestern um China, Russland, die Ukraine, den Sudan und Nordmazedonien.
Zwei Seiten beschäftigen sich mit Bundeskanzler Olaf Scholz, der ein knappes Jahr im Amt ist. Eigentlich geht es aber um seine fast 40 Jahre alte Aktentasche, seine ständige Begleiterin, die er beim Besteigen eines Flugzeugs mit beiden Händen vor sich hält, als hätte er Angst, sie verlieren zu können. „Was die Tasche über den Kanzler verrät“ er-fahren wir in dem Artikel. Frank Stauss beschreibt die Verbindung von Tasche und Kanzler so: „Die Tasche arbeitet seriös, geräuschlos, zuverlässig und ausdauernd. Sie steckt ein und weg.“ Fazit: „Ein Mann wie seine Tasche.“
Wir erfahren auch, wie gut sich die Opposition geschlagen hat. Und in Folge 280 „Political Animal“, ein Begriff, der auf den griechischen Philosophen Aristoteles zurückgeht, fordert Herausgeber Stephan- Andreas Casdorff „Gerechtigkeit für die Ampel“ und meint „Die Bilanz stimmt.“ Im Wissenschaftsteil geht es um den „Ursprung aller Kreaturen“, es gibt einen Gesundheitsteil, und „Im Gespräch“ sagt der Philosoph Peter Sloterdijk: „Die Klimaaktivisten sind voll im Recht, aber sie würden sich besser in Riad ankleben.“ In der saudi-arabischen Hauptstadt würden sich allerdings kaum freundliche Polizisten mit Spüli um sie kümmern, sondern sie vermutlich Kronprinz Mohammed bin Salman al-Saud mit der Kettensäge vom Asphalt befreien.
Wirtschaft, Klimaschutz, Kultur und Sport ergänzen das erste Buch des neuen Tagesspiegel.
Im Berlin-Teil finden wir die gleichen Rubriken auf Berlin bezogen. Aufmacher „Mediziner sind besorgt – Kinder bekommen seit Pandemie-Beginn seltener wichtige Impfungen.“ Den „Checkpoint“, der uns den Morgen mit kritischen, satirischen, gehässigen und informativen Nachrichten den Morgen verschönt, gibt es jetzt auch in der Druckversion.
„40 Seiten aus unserer Weltstadt Berlin.“ Der Umgang des Tagesspiegel mit „unserer Weltstadt“ ist teilweise abenteuerlich. Kritisch über die Politik zu berichten, ist die Aufgabe der Medien. Politiker aber vorzuführen, befriedigt allein das Vergnügen einiger Journalisten und ihrer vermeintlichen Überlegenheit. Vor Regierenden Bürgermeistern muss man nicht buckeln, ein wenig Respekt vor dem Amt und der Person wäre aber angebracht, ohne, dass man sich mit ihnen gemein macht. Sie abwertend als „Regiermeister“ zu titulieren, ist unangemessen. Die Klugscheißerei ist beim Tagesspiegel Checkpoint besonders ausgeprägt. In Berlin läuft, wie anders-wo, vieles schief. Man kann sich darüber aufregen, dass die Termine beim Bürgeramt knapp sind. Über die vielen tausend zustande gekommenen Termine spricht niemand. Wer plant, nach Berlin zu kommen und sich vorher allein aus dem „Checkpoint“ informiert, wird seine Pläne fallen lassen.
Besonders bedauerlich am Berlin-Buch des Tages-spiegel ist der Bezirksteil. Das ist umso unverständlicher, weil es sehr gute und ausführliche Bezirks-Newsletter mit dem Titel „Leute“ gibt, die man kostenlos abonnieren kann. Es gäbe also reichlich Material, um die Bezirksseiten zu füllen.
https://leute.tagesspiegel.de/
Es gibt jedoch nur zwei Seiten, auf denen über so spannende Themen wie die „Bildgießerei Noack“ aus Charlottenburg-Wilmersdorf, „Rehe im Wildgehege erschossen“ (Pankow) oder „Ausweitung der Park-zonen“ (Neukölln) berichtet wird. Rosa von Praunheims (gestern Abend bei Kurt Krömer) 80ster Geburtstag und Ilja Richters 70ster wird auch gefeiert. Brandenburg hingegen widmet der Berlin-Teil vier Seiten. Berliner Bezirke 3.677.472 (31. Dezember 2021) Einwohner, Brandenburg 2.537.868 (31. Dezember 2021).
Der Tagesspiegel sieht sich gern als „Leitmedium“ Berlins. Es bleibt jedem selbst überlassen, von wem er sich leiten lässt. Mit 99.487 Exemplaren (3.Q. 2022) liegt der Tagesspiegel vorn. Gefolgt im gleichen Zeitraum von der BZ mit 82.520 Ex. Mo-Fr und 55.873 So. Von der Berliner Zeitung liegen keine aktuellen Zahlen vor, die letzten stammen vom 1. Quartal 2021, 81.613 Ex. Die taz kommt auf 45.618 Ex. im 3. Quartal 2022, die Berliner Morgenpost auf 42.591 im gleichen Zeitraum. (Quelle: Wikipedia)
Alle Zeitungen haben sehr ordentliche Internetauftritte. Und alle wollen, verständlicherweise, dafür Geld haben. Für knapp zehn Euro sind die Online-Angebote nutzbar. Letztlich zählt aber vor allem die Vielfalt. Wer den Markt beherrscht, darf nicht die Meinung beherrschen. Es liegt an jedem selbst.
Und da in paperpress der Herausgeber auch immer gern seine Meinung kundtut, wird es niemand über-raschen, wenn er anmerkt, genau die Zeitung am liebsten zu lesen, die die geringste Auflage hat. So sind nun mal Sozialarbeiter. Gelesen wird allerdings nicht die Print-, sondern die Online-Version. Und diese ist von allen hier erwähnten die übersichtlichste. Und besonders schön ist der Bezirksblock. Ein-fach das Bezirkswappen anklicken und schon weiß man Bescheid, was in seinem Kiez los ist.
Obwohl die Mentalität eher zum bequemen Online-Angebot geht, kann man nur hoffen, dass die gedruckten Zeitungen weiterhin existieren können. Wir wünschen allen Zeitungen eine stabile Auflage und viel Erfolg.
Ed Koch
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p a p e r p r e s s Ed Koch (Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt) Träger: Paper Press Verein für gemeinnützige Pressearbeit in Berlin e.V. Vorstand: Ed Koch - Mathias Kraft Postfach 42 40 03 12082 Berlin Email: paperpress[at]berlin.de PDF-Newsletter-Archiv: www.paperpress-newsletter.de
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