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Nachholbedarf

geschrieben von: Redaktion am 17.12.2022, 07:58 Uhr
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Ausgerechnet vor Weihnachten krank zu werden, ist richtig blöd. Es tröstet nicht, dieses Schicksal mit knapp zehn Millionen anderen Deutschen teilen zu dürfen. Wo man hinhört, irgendeinen hat es immer erwischt. „Das RKI zählt jetzt 27.000 neue Grippe-fälle pro Woche und 30 Tote seit Oktober.“ Quelle: MDR

Als hätten wir nicht durch Corona schon genug lei-den müssen, nun auch noch das. Die Grippeimpfung hat mich nicht davor bewahrt, tausend Taschentücher vollrotzen zu müssen und die Nachbarn mit meinem Gehuste zu nerven, ganz abgesehen von den Kopfschmerzen. Diese hatten zumindest einen positiven Nebeneffekt: am Computer zu sitzen oder fernzusehen, war schlicht nicht möglich, oder noch schmerzhafter. Die Kopfschmerzen sind Dank der Deutschen Pharmaindustrie so gut wie weg, gegen Husten scheint aber immer noch kein nachhaltiges Kraut gewachsen zu sein. Auch literweise Tee zu trinken, hat höchstens die Toilettengänge erhöht, den Husten aber nur wenig gesenkt. Wo kommt bloß dieser ganze Schleim her, den man in den Taschentüchern entsorgt? Also: Ich nehme die Arbeit wieder auf, wenn auch gesundheitlich noch angeschlagen.

So weit so schlecht. Es gibt Nachholbedarf. Legen wir los. Großer Schock am Freitag. Der Aquadom im Radisson Blu Hotel ist regelrecht explodiert, eine Million Liter Wasser ergossen sich in die Hotel-Lobby und spülten das Mobiliar bis auf die Straße. Rund 1.500 Fische verendeten. Im Oktober 2017 hatte ich bei der Verabschiedung des Vorstandsvorsitzenden der PSD-Bank Berlin-Brandenburg, Bernhard Soeken, Gelegenheit, das Hotel mit dem Super-Aquarium zu besuchen. Die Fahrt im Aufzug durch die Röhre des Aquariums, umgeben von hunderten bunten Fischen, die einen verwundert ansahen, war ein Erlebnis. Was für eine tolle Konstruktion. Der Gedanke, wenn das Aquarium während einer Aufzugfahrt zerplatzt wäre, geht mir vorerst nicht aus dem Kopf. War das Projekt vielleicht doch ein bisschen zu größenwahnsinnig?

Versäumt habe ich in den letzten Tagen nicht nur ein paar Weihnachtsfeiern, sondern auch die erste

Elefantenrunde!

Dieser Begriff stammt aus den Wahlkämpfen im Fernsehen, wenn sich die Parteichefs zum Diskutieren vor oder nach der Wahl trafen. Inzwischen sitzen nach einer Wahl die Generalsekretäre zusammen, wofür noch keine Anlehnung an ein Tier kreiert wurde. Mäusetalk wäre mein Vorschlag.

Die Friedrich-Naumann-Stiftung lud am 16. Dezember zur „Berliner Elefantenrunde“ mit der Regierenden Bürgermeisterin und SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey, Verkehrssenatorin und Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Ja-rasch, dem CDU-Chef und Spitzenkandidaten Kai Wegner, FDP-Fraktionschef und Spitzenkandidat Sebastian Czaja sowie dem Linken-Fraktionsvorsitzenden Carsten Schatz, der den Linken-Spitzenkandidaten und Kultursenator Klaus Lederer vertrat, ein. Dass die Linke auf ihren redseligen Spitzenkandidaten verzichtete und stattdessen Herrn Schatz schickte, ist das Gegenteil von schlau.

Moderiert wurde die Runde von Christine Richter, Chefredakteurin der Berliner Morgenpost. Austragungsort war die Berlin-Brandenburger Akademie der Wissenschaften am Gendarmenmarkt. Den Bericht über die Veranstaltung können Sie online lesen:

https://www.morgenpost.de/berlin/article237173189/Elefantenrunde-Sticheleien-Differenzen-Weihnachtswuensche.html

Die Diskussion konzentrierte sich auf einige zentrale Themen: „Die Wahlwiederholung und damit verbunden die Missstände in der Verwaltung; den Klimavolksentscheid und Klimaschutz sowie als größte Streitfrage den Wohnungsbau und die vom Volks-entscheid geforderten Enteignungen von Wohnungskonzernen.“

Joachim Fahrun, Chefreporter der Berliner Morgenpost, schreibt in seinem Bericht: „Im Publikum sahen fast alle die Wiederholungswahlen als Chance für einen Neustart in Berlin.“ Das sehe ich anders. Der Neustart erfolgte vor einem Jahr mit Franziska Giffey und Bettina Jarasch. Nach fünf Jahren sollte abgerechnet werden, nicht nach einem. Ein Jahr, dazu im Krisenmodus, ist zu kurz, um eine Bilanz ziehen zu können. Man kann von früh bis spät beklagen, dass weniger Wohnungen gebaut werden, als angekündigt worden sind. Die Gründe dafür liegen aber nicht in der Unlust des Senats, wie es zu Zeiten üblich war, als Linke Politiker für das Bauen zuständig waren. Bauen muss man nicht nur wollen, sondern auch können. Und dafür sind die Rahmenbedingungen durch die zahlreichen Krisen nicht gerade besser geworden.

„Wer in der Diskussion die Sticheleien und Differenzen zwischen Giffey, Jarasch und Schatz vernahm, könnte sich vorstellen, dass es nach dem Februar auch eine andere Regierungskonstellation geben könnte.“, schreibt Fahrun. Nicht nur könnte, sondern muss. Nicht erst seit 2021, sondern seit 2016, als sich Michael Müller auf R2G einlassen musste, zeigt sich, dass diese Konstellation die Stadt nicht nach vorne bringt.

CDU-Chef Kai Wegner sieht in der Wiederholungswahl „die Chance für den notwenigen Wechsel“ und FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja meint, dass das Verfassungsgericht die „Dysfunktionalität“ der Stadt offengelegt habe. Es brauchte nicht dieses Verfassungsgericht, um bescheinigt zu bekommen, dass vieles in Berlin nicht funktioniert. Das wusste man vorher.

Dem Berliner Abendblatt gab Bettina Jarasch kürzlich ein Interview, in dem sie sagt: „…zu vieles funktioniert nicht mehr in Berlin. Nach mehr als 20 Jahren mit SPD-geführten Landesregierungen ist es Zeit für einen Wechsel. Eine neue Führung täte der Stadt gut. Es gibt viel zu reparieren…Ich habe eine klare Präferenz für die Fortführung der jetzigen Koalition, aber unter Führung der Grünen. Es ist Zeit für einen Wechsel, weil wir mit neuer Kraft das angehen können, was die SPD seit vielen Jahren liegen-lassen hat.“

Dass sich die Grünen als Reparationstrupp bewerben, darf man Chuzpe nennen. Seit langem sind Grüne Bezirksstadträte tätig, die auch ihren Anteil am Nichtfunktionieren tragen. Systematisch wird die Verkehrs-Infrastruktur Berlins durch teilweise überdimensionierte Fahrradwege zerstört, deren unansehnliche Poller jede Straße so aussehen lassen, als handele es sich um eine Dauerbaustelle. Der Streit um die Friedrichstraße ist erbärmlich. Fahrräder sollen nicht mehr auf Gehwegen abgestellt werden, sondern auch auf PKW-Parkplätzen. Wie das technisch funktionieren soll, interessiert offenbar keinen. Autofahrer werden in immer mehr Zonen der Parkraumbewirtschaftung zur Kasse gebeten, während das Abstellen der Drahtesel, wo auch immer, nichts kostet. Knapp zehn Milliarden Euro zahlen die Autofahrer jährlich an Steuern, hin-zu kommen die Parkgebühren. Warum beteiligt man nicht auch die Fahrradfahrenden an den Einnahmen? Jedes Fahrrad muss ein Versicherungsschild bekommen und somit registriert sein.

Ginge es nach den Grünen, würde es künftig in Berlin immer mehr Fahrradstraßen geben. Um Park-plätze für Autos macht sich kein Grüner Gedanken. Auch in der Friedenauer Handjerystraße sollten Parkplätze wegfallen. Auf der letzten Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung am 14. Dezember wurde allerdings beschlossen, die Parkplätze zu erhalten, und zwar mit den Stimmen von SPD, Linken, FDP und AfD gegen die Grünen. Die Zählgemeinschaft zwischen SPD und Grünen in Tempelhof-Schöneberg ist eben keine Koalition. Der Grünen Verkehrsstadträtin Saskia Ellenbeck, von 2017 bis 2021 Leiterin „Wissensmanagement und zentrale Prozesse“ beim Fahrrad-Lobbyverband ADFC, wird sicherlich etwas Neues einfallen, um ihre Klientel zu beruhigen.

In der Koalition, und auch in einer Zählgemeinschaft, herrscht mehr Streit als Einigkeit. Was soll sich daran ändern, wenn nach dem 12. Februar 2023 die Grünen und nicht mehr die SPD stärkste Kraft in Berlin sind? Derzeit streiten sich in den Umfragen CDU und Grüne um den Spitzenplatz. Egal aber, wer vorn liegt, es wird vermutlich immer auf eine Koalition hinauslaufen, an der die Grünen beteiligt sind. Ob das die Stadt nach vorn bringt, darf bezweifelt werden.

In einer Einschätzung hat Jarasch allerdings recht, „die Zeit der großen Volksparteien ist vorbei. Jeder Partei im Abgeordnetenhaus muss klar sein: Die Mehrheit der Berliner hat sie nicht gewählt.“ Vielfalt kann auch ein Problem sein. Man bekommt nie das Programm der Partei, die man gewählt hat, besten-falls Bruchstücke, dazu noch verwässert. Es hilft also nichts, liebe Wählerinnen und Wähler, darüber zu meckern, dass es drei Parteien bedarf, um eine Regierung zu bilden. Eine große bürgerliche und eine zweite große linke Volkspartei würde ausreichen. Das ist allerdings ein Wunsch, den der Weihnachtsmann nicht einmal aufschreiben würde. Mischen wir also 2023 die Karten neu, die Gesichter auf den Karten ändern sich, wie beim Skat, nicht.

Ed Koch


  
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