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Streiken bis es quietscht

geschrieben von: Redaktion am 09.03.2008, 13:13 Uhr
paperpress554 
Das Machtsystem Wowereit. Um es gleich vorweg zu sagen: ich mag Klaus Wowereit und finde, dass er für diese Stadt genau der richtige Bürgermeister ist. Ihn muss man nicht zum „Be Berlin“, auffordern, denn er ist Berlin. Er als Politiker, wie der Liedermacher Klaus Hoffmann als Künstler. Echte Berliner, wie der Autor dieses Beitrages.
Und um gleich ein Drittel der Leserinnen und Leser zu verärgern, füge ich hinzu: West-Berliner, was ich als Sozialisation verstanden wissen möchte, die man nicht ablegen kann wie eine alte Socke. Wowereit, Hoffmann, Koch (Jahrgänge 53, 51, 49, mit dem einen gut 35 mit dem anderen 40 Jahre freundschaftlich verbunden) sind in das West-Berliner System hineingewachsen. Eine Insel im Roten Meer, politisch gewollt hoch subventioniert,

Jetzt schreiben wir das Jahr 19 nach der Wende, Klaus Wowereit ist der Chef dieser Stadt und Klaus Hoffmann singt immer und noch möglichst lange seine nachdenklich machenden Lieder über Berlin. Klaus Wowereit singt keine Lieder, dafür redet er mehr, und nachdenken muss man darüber auch sehr häufig. Klaus Wowereit ist jemand, der, selbst äußerst sensibel, nicht davor zurückschreckt, anderen, auch Freuden gegenüber, scharfzüngig bis verletzend zu sein. Nicht immer mit Vorsatz. Aber wenn es dann gesagt ist, nimmt er selten etwas zurück.

Was sich nun tatsächlich in der Senatssitzung im Januar abgespielt hat, ist unwichtig. Wer Wowereit kennt, weiß, dass der Satz, mit dem er in der Presse zitiert wird: „Dann nehmt doch Michael Müller als Regierenden Bürgermeister“, durchaus seinem Stil entspricht. Das als Rücktrittsdrohung zu werten, ist vermessen. Wowereit ist Lichtjahre von einem Rücktritt entfernt. Warum sollte er auch zurücktreten wollen, oder wenigstens mit dem scharfen Schwert der Drohung herumfuchteln? Er liebt diesen Job, geht darin auf, und seine Umfragewerte sind stabil. Er ist die Nummer Eins. Ohne ihn könnte die Berliner SPD vermutlich einpacken.

Dass Michael Müller eine etwas moderatere Art im Umgang mit den streikfreudigen Beschäftigten hat, ist bekannt. Auch die Linke nimmt eine andere Position als Wowereit ein. Aber, sie kommen an ihm nicht vorbei. Richtig, wenn der Linksparteichef Klaus Lederer heute in der Berliner Morgenpost sagt: „Sarrazin hat zur Eskalation beigetragen“, aber was soll’s? Sarrazin, dem populistischen Dummschwätzer an Wowereits Seite, interessiert das wenig. Genau so wenig, wie all seine haarsträubenden Sprüche, die wie in einem Ritual von Michael Müller scharf und von Klaus Wowereit medium verurteilt werden. Schaut man sich die Kommentare der Berlinerinnen und Berliner zu Sarrazins Scheinweltbetrachtungen an, so findet er viel Zustimmung. Kein Wunder: wer mag schon Lehrer, oder Beamte, Hartz IV-Empfänger oder sonstige Randgruppen. Sie zu beleidigen, bringt am Stammtisch immer Punkte. Jeder BWL-Student im ersten Semester könnte den Berliner Haushalt so sanieren, wie es bei Sarrazin bewundert wird. Ein völlig undifferenziertes Zusammenstreichen von Kostenpositionen. Das würde sogar Knut hinkriegen. Im Gegensatz zu Sarrazin weiß Knut aber auch, wie man Geld machen kann.

Ob Wowereits spitze Bemerkung in Richtung Michael Müller nun so oder anders erfolgt ist, er sollte auf jeden Fall sehr vorsichtig damit sein. In seinem Buch „…und das ist auch gut so“, schreibt Klaus Wowereit über Michael Müller: „Wenn es ein Machtsystem Wowereit gibt, dann ist Michael Müller Ehrenmitglied. Er ist mein Berater, auf den ich mich voll und ganz verlassen kann.“ (Seite 232). Das Machtsystem Wowereit besteht aus Klaus Wowereit und sonst niemanden. Da gibt es weder einen Vorsitzenden und schon gar nicht Ehrenmitglieder. Wowereit sollte in der Öffentlichkeit nicht so tun, als sei mit Michael Müller alles zu machen. Müller, und um das an dieser Stelle arroganter Weise einzufügen, mit dem ich nun auch schon mindestens ein Vierteljahrhundert befreundet bin, hat sich in dieser Zeit ganz außergewöhnlich entwickelt. Zwar neigt er manchmal dazu, Vorgänge leicht ungerecht zu bewerten, aber er ist heute derjenige, ohne den Wowereit nicht Regierender Bürgermeister sein könnte. Wowereit, das hat sich herumgesprochen, ist stur, teilweise sogar bockig. Sätze wie: „Es sei an der Zeit, zur Besinnung zu kommen“, (Berliner Morgenpost vom 8.3.2008, Wowereit zum Nahverkehrsstreik in Berlin) würden Michael Müller nie über die Lippen kommen. Er ist der Mann des Ausgleichs und der Verständigung, wenn es nicht gerade um den Flughafen Tempelhof geht. In dieser Frage allerdings hat Müller eine Meinungswende hingelegt, die atemberaubend ist.

Michael Müller ist heute der beste Redner seiner Partei im Parlament. Er muss sich hinter Klaus Wowereit nicht verstecken. Müllers Reden sind strukturiert und kommen schnell auf den Punkt, eine Gabe, mit der nur sehr wenige im Abgeordnetenhaus glänzen können. Wenn Wowereit so einen Satz sagt, wie, „..dann nehmt doch Michael Müller“, dann sollte er es bei diesem einen Mal belassen. Wiederholungen von Angeboten dieser Art, könnten zur Annahme selbiger führen. Und machen wir uns nichts vor: sollte, aus welchem Grunde auch immer, zu welchem Zeitpunkt auch immer, Klaus Wowereit nicht mehr Regierender Bürgermeister sein können oder wollen, würde es fast automatisch Michael Müller werden. Denn an der Senatsrentnergruppe der SPD klebt der Zettel „Auslaufmodelle“. Für die Zukunft sind andere zuständig (siehe paperpress Nr. 431 – Februar 2008, Seite 14).

Berechtigter Streik

Der BVG-Streik ist völlig berechtigt, ebenso die Unzufriedenheit der anderen Beschäftigten im Berliner Öffentlichen Dienst. Sie sollen meinetwegen streiken, bis es quietscht. Wowereit wollte einst sparen bis es quietscht. Herausgekommen ist dabei ein Kürzungsorgie, die gerade im Kinder- und Jugendbereich Strukturen nachhaltig zerstört hat. Ich hoffe, dass ver.di genug Mittel hat, um bis Ostern oder Pfingsten oder wann auch immer durchzuhalten. Meinen monatlichen Beitrag leiste ich gern und packe noch was oben drauf. Ein Einlenken des Senats und eine akzeptable Erfüllung der Forderungen, würde nicht das Ende der Haushaltskonsolidierung bedeuten. Bei der BVG so und so nicht, weil die Kunden die Zeche zu bezahlen haben.

Beschäftigungsgarantie?

Eines jedoch ist für mich völlig inakzeptabel und antiquiert, nämlich eine Beschäftigungsgarantie. Bis 2020 soll diese bei der BVG bestehen. Das ist wirklich unmöglich und wohl weltweit einmalig. Bis 2010 gilt eine Beschäftigungsgarantie für den Öffentlichen Dienst in Berlin. Ebenfalls unmöglich. Das gibt es in keiner Branche, und mir ist auf Anhieb kein Land auf diesem Globus bekannt, wo es derartige Vereinbarungen mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gibt. Die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes haben einen Anspruch auf angemessene Bezahlung, aber nicht auf ein aus Steuermitteln finanziertes Sofa im Büro. Die Beschäftigten müssen nach Leistung und Einsatz bezahlt werden können. Das jetzige System bestraft die Fleißigen und belohnt die Faulen. Nicht der Stellenpool ist die Lösung, sondern betriebsbedingte Kündigungen, wenn das Aufgabengebiet entfallen ist und sich kein anderer Job innerhalb der Verwaltung finden lässt. Die zwischen 8 und 12 Prozent ausmachende Gehaltskürzung bei den angestellten Beschäftigten des Berliner Öffentlichen Dienstes, war eine Spendenaktion wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Es ist nicht damit getan, 2010 die Kürzung zurückzunehmen. Nein, es muss deutlich etwas draufgelegt werden. Vor allem die Gewerkschaften sollten sich überlegen, was ihren Mitgliedern mehr zusagt: mit wenig Geld in der Hängematte oder mit gutem Geld auf dem Konto einen ordentlichen Job machen. Wofür ich mich entscheiden würde, dürfte klar geworden sein.

Ich halte die jetzige Auseinandersetzung für völlig ergebnisoffen. Wowereit wird stur bleiben. Und er hat viele Bürgerinnen und Bürger hinter sich, die den Öffentlichen Dienst so und so nicht leiden können. Die Gewerkschaften müssen stur bleiben, sonst melden sich noch mehr Mitglieder ab und irgendwann ist die Frage zu stellen, wen die Gewerkschaften überhaupt noch vertreten. Ich habe kein Rezept, und so lange laufe ich von zu Hause zum Büro und wieder zurück. Ein Glück, dass ich das in knapp 30 Minuten pro Strecke schaffe. Alle anderen haben wirklich mein Mitgefühl und den Hinweis auf die Mitfahrinitiative, die die Berliner Abendschau tatkräftig unterstützt.

Ed Koch

  
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