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Beiträge: Der Geduldsfaden ist gerissen

geschrieben von: Redaktion am 26.02.2009, 14:45 Uhr
paperpress565 
Salopp gesagt haben die Kita-Erzieher/innen die Schnauze voll von dem Herumgeeiere des Senats. Niemand wird bestreiten wollen, dass sich die Landsregierung viele Gedanken um die Erziehung der Kinder in den Kitas gemacht hat. Nicht länger Aufbewahrungs-, sondern Bildungseinrichtungen sollen die Kitas sein. Qualität steht an oberster Stelle. Bloß kann man nicht das eine beschließen, ohne dafür zu sorgen, dass die personelle und materielle Ausstattung dem angepasst werden.
Das aus Kita-Eigenbetrieben und freien Trägern bestehende Kita-Bündnis hatte für den 25. Februar 2009 zu einer Fachveranstaltung in das Rathaus Schöneberg geladen. Über 600 Erzieher/rinnen folgten der Einladung. Der Willy-Brandt-Saal war überfüllt, viele mussten sich die Vorträge und Diskussionen in der benachbarten Brandenburghalle anhören, in die alles übertragen wurde. Die Tempelhof-Schöneberger Jugendstadträtin Angelika Schöttler (SPD) hatte die Schirmherrschaft übernommen und war auch für einen Teil der Veranstaltung anwesend, bis sie sich um ihren eigenen Jugendhilfeausschuss kümmern musste. Ihr Parteifreund, Senator Jürgen Zöllner nahm nicht teil. Sein „verdichteter Terminkalender“ hindere ihn daran. Nun gut, in diesen Tagen geht es in Verhandlungen um die Kita-Kostenbeiträge, die dringend angepasst werden müssen, denn schließlich ist auch dort vieles teurer geworden. Gleichzeitig ist das neue Kita-Gesetz in der Mache. Keine gute Zeit, um auf einem Podium Rede und Antwort zu stehen. Wie sich jedoch zeigte, war es ein Fehler von Senator Zöllner nicht vor den Erzieher/innen zu sprechen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, als wenn sich der Senator bei jedem Lehrerproblem überschlägt, bei den Kitas aber lediglich Grußworte versendet.

Klaus Schröder vom Kita-Bündnis, verlas den Brief des Senators. Im Landespressedienst wurde dazu mitgeteilt: „Stärkung der Kitas ist wichtiges Ziel. In seinem Grußwort an die Teilnehmer der Veranstaltung ‚Rahmenbedingungen in Berliner Kindertagesstätten’ am 25. Februar hat Jugendsenator Prof. Dr. E. Jürgen Zöllner betont, dass Berlin den Weg zur Stärkung der Kitas weitergehen wird. Senator Zöllner: ‚Unsere Kitas leisten einen entscheidenden Beitrag zur Bildung unserer Kinder. Besonders die Implementierung des Bildungsprogramms und des Sprachlerntagebuches in die tägliche Arbeit der Kindertagesstätten ist eine Leistung, die Berliner Kindertagesstätten zu Bildungseinrichtungen gemacht haben, die bundesweit führend sind. Dies ist das Ergebnis einer in der Qualitätsvereinbarung mit den Trägern gemeinsam beschlossenen Initiative.’ Die dabei vereinbarte Evaluation wird jetzt die Basis für die Verhandlungen mit den Verbänden der Kita-Träger sein. Senator Zöllner hat ein großes Interesse an einer Verständigung, die die Qualitätsentwicklung in den Kitas weiter beschleunigt. In diesem Zusammenhang hat der Senator allerdings auch darauf hingewiesen, dass Berlin als nicht gerade reiches Bundesland deutschlandweit die höchsten Pro-Kopf-Ausgaben in der Kindertagesbetreuung aufweist. Senator Zöllner: ‚Ich werde mich in den Haushaltsberatungen für eine weitere Stärkung der Berliner Kitas mit allem Nachdruck einsetzen.’

Das hätte Zöllner den Kita-Erzieher/innen auch persönlich sagen können, es wäre gut angekommen. In einer Presseerklärung vom selben Tage teilen die Kita-Träger mit, dass sie „die Verhandlungen zur Kita-Qualitätsvereinbarung aussetzen, weil ohne eine substantielle Verbesserung der Personalausstattung keine adäquate Umsetzung der Qualitätsanforderungen des Bildungsprogramms möglich ist.“ Weiter heißt es in der Erklärung:

„Keine Frage: Das Berliner Bildungsprogramm für Kindertagesstätten setzt hohe Qualitätsmaßstäbe und ist im Bundesvergleich ganz oben angesiedelt. Anders als in den meisten anderen Bundesländern ist das Berliner Bildungsprogramm durch Kitagesetz und Qualitätsvereinbarung verbindliche Arbeitsgrundlage für alle Kitas. Doch die Umsetzung ist nicht zum Nulltarif zu haben. Die Kitaeigenbetriebe, die LIGA der freien Wohlfahrtsverbände und der Dachverband der Berliner Kinder-und Schülerläden (DaKS) haben deshalb beschlossen, die Verhandlungen zur Umsetzung der Qualitätsvereinbarung ruhen zu lassen. Die in der Qualitätsvereinbarung zwischen Senatsverwaltung, LIGA und DaKS vereinbarte verbindliche Umsetzung des Bildungsprogramms in die tägliche Arbeit der Kitas erfordert zusätzliche personelle Ressourcen. Darin waren sich die Vertragspartner schon 2006 einig und vereinbarten die Überprüfung des personellen Mehraufwandes innerhalb von drei Jahren. Diese erfolgte im Sommer 2008 durch eine Arbeitsgruppe von Eigenbetrieben und den Verbänden der freien Kitaträger. Hierbei wurde festgestellt, dass eine Erzieherin ca. 23% ihrer Arbeitszeit für die sog. mittelbare (d.h. nicht unmittelbar mit den Kindern stattfindende) pädagogische Arbeit benötigt. Gemeint sind damit z.B. Eltern- und Teamgespräche, Vor- und Nachbereitung von Projekten, Arbeit mit dem Sprachlerntagebuch und anderen Dokumentationen, interne und externe Evaluation der Kitaarbeit, Kooperation mit Schulen usw.

Obwohl diese Fakten seit längerem bekannt sind, fehlt jede verbindliche Reaktion aus Politik und Verwaltung. Die Fraktionsvorsitzenden von SPD und Linken erkannten Anfang Dezember 2008 auf einer Veranstaltung des Kita-Bündnisses diesen Mehrbedarf der Ressourcen an und versprachen baldige Verbesserungen. Auch Senator Zöllner betonte hier „völlige Deckungsgleichheit“ in der Beurteilung. Die dafür notwendige Kitagesetzänderung liegt jedoch bis zum heutigen Tage nicht einmal im Entwurf vor. Weder Senatsverwaltung noch Regierungskoalition haben bislang konkrete Vorschläge zur Umsetzung gemacht.

In dieser Situation kann die Debatte um weitere Qualitätsverbesserungen nicht ernsthaft geführt werden. Die Kitas können keine zusätzlichen Aufgaben mehr übernehmen. Eigenbetriebe, LIGA und DaKS setzen die Verhandlungen zur weiteren Umsetzung der Qualitätsvereinbarung aus, bis es eine substantielle Veränderung der Situation gibt und den gestiegenen Erwartungen an die Kitas durch verbesserte Rahmenbedingungen entsprochen wird. Darum wird es z.B vorerst keine flächendeckenden externen Evaluationen in den Kitas geben.

Die Kitaträger erwarten jetzt deutliche Signale aus der Senatsbildungsverwaltung und dem Abgeordnetenhaus.“

Das Berliner Kita-Bündnis fordert für jede vollbeschäftigte Erzieherin zusätzlich mindestens fünf Stunden pro Woche für die Planung und Reflexion pädagogischer Aktivitäten, Kooperationen mit Eltern, Qualitätsentwicklung und –sicherung, Organisation und Vernetzung. Diese Tätigkeiten lassen sich nun mal nicht parallel zu der direkten Arbeit am Kind leisten. Unterlegt wird die Forderung durch das Ergebnis einer Studie der LIGA-Wohlfahrtsverbände, der Eigenbetriebe und dem Dachverband der Berliner Kinder-und Schülerläden, die diese zusätzlichen Tätigkeiten neben der direkten Arbeit mit den Kindern detailliert berechnet hat. Diese Studie wurde im Rahmen des Expertengesprächs im Rathaus Schöneberg vorgestellt. Frau Prof. Susanne Viernickel von der Alice-Salomon-Hochschule bewertete die Untersuchung als methodisch sauber und differenziert. „Das Berliner Bildungsprogramm kann mit der derzeitigen Ausstattung nicht zufrieden stellend umgesetzt werden.“ In ihrem Vortrag ging sie weiter auf die Veränderung der Berliner Kitalandschaft in den zurückliegenden zehn Jahren ein und sprach von widersprüchlichen, irrationalen Entwicklungen. Auf der einen Seite stiegen die Erwartungen an die Kitas als Bildungsort deutlich, wurde eine Qualitätsentwicklung gefordert. Auf der anderen Seite wurden die Ressourcen für die Umsetzung der Aufgaben gekürzt.

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion wurde deutlich, dass der zusätzliche personelle Aufwand, der durch die Einführung des Bildungsprogramms entstanden ist, nicht mehr vom Tisch zu wischen ist. Die Schmerzgrenze der pädagogischen Fachkräfte ist schon lange überschritten. Das Sprachlerntagebuch zu führen sowie Bildungsprozesse zu dokumentieren ist bei der gegenwärtigen Personalausstattung im Prinzip nur noch durch Wochenendarbeit und Überstunden möglich. Gleichzeitig verdeutlichten verschiedene Trägervertreter, dass sich bereits heute in Berliner Kitas ein Fachkräftemangel abzeichnet. Wie eine Umfrage unter Studierenden an der Alice-Salomon-Hochschule nach einem Praxissemester ergab, zweifeln viele der künftigen Pädagoginnen, den richtigen Beruf gewählt zu haben. Dennoch bestand während der Podiumsdiskussion Einigkeit darüber, dass die Erzieherinnen und Erzieher weiterhin nach den Inhalten des Berliner Bildungsprogramms arbeiten wollen.

Auf der Veranstaltung sind mehrere Brandbriefe aus den Kitas verteilt worden. Heftige Kritik an Senator Zöllner kam von der jugend- und familienpolitischen Sprecherin der CDU-Fraktion, Emine Demirbüken-Wegner. Sie erklärt zu den Brandbriefen der Berliner Kita-Leitungen:

„Die Kitas haben nach dem Berliner Bildungsprogramm (BBP) den gesetzlichen Auftrag, die Vorschularbeit zu leisten und die Kinder schon in jungen Jahren auf das weitere Leben vorzubereiten. Die Senatsverwaltung für Bildung hat mit den Kita-Eigenbetrieben, der LIGA der freien Wohlfahrtsverbände und dem Dachverband der Berliner Kinder- und Schülerläden eine Qualitätsvereinbarung getroffen. In dieser sind die Einhaltung der Bildungsqualität und der Personalschlüssel fixiert.

Drei Jahren lang wurde die Vereinbarung ausgewertet. Die Ergebnisse sind seit dem letzten Jahr bekannt, aber an der Umsetzung mangelt es bis heute. Der Senat sieht nichts, hört nichts, sagt bis zum heutigen Tag nichts, obwohl parallel zu dem Volksbegehren auch ein Brandbrief vorliegt, indem über 300 Kita-Leitungen erklären: "Wir stehen kurz vor dem Burn-Out!". Die freien Träger haben mittlerweile die Verhandlungen zur Qualitätsentwicklung mit Herrn Zöllner ausgesetzt.

Ohne Personal, ohne Qualität, ohne Sprachförderung und ohne Elternarbeit will der Senat die Kinder fit für die Grundschule und ihren weiteren Lebensweg machen. Da kann man nur von Realitätsverlust und fehlendem Verantwortungsbewusstsein sprechen!

Damit eine bessere frühkindliche Bildung, vor allem eine bessere Sprachförderung, gewährleistet werden kann, fordern wir Herrn Zöllner auf, die Kitas endlich mit genügend Personal auszustatten. Zudem ist der Kita-Leitungsschlüssel so anzuheben, dass die Kita-Leitungen ihre Aufgaben wie Mitarbeiterführung, Konzeptentwicklung und Qualitätsmanagement auch erfüllen können."

Elfi Jantzen, die familienpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, erklärt zu den Hilferufen aus den Berliner Kitas:

„Rot-Rot muss Rahmenbedingungen für Kitas verbessern. Bildungsprogramm, Sprachlerntagebuch, verstärkte Zusammenarbeit mit Eltern, Beobachtung, Dokumentation, Fortbildung - die gestiegenen Anforderungen an die pädagogische Arbeit in den Kitas sind enorm. Und die Erzieher/innen geben ihr Bestes - auch ihre Gesundheit -, um dem gerecht zu werden. Denn ein permanent schlechtes Gewissen, die Kinder nicht genug zu fördern, sowie Vor- und Nachbereitung in der Freizeit statt in der Arbeitszeit - das macht krank.

Rot-Rot ist dringend gefordert, die Arbeitsbedingungen der Erzieher/innen zu verbessern. Die für die mittelbare pädagogische Arbeit und für die Leitungsaufgaben notwendige Zeit muss angemessen in den Personalschlüssel eingerechnet werden. Denn nur mit einer kleineren Erzieher/innen-Kind-Relation kann die bessere individuelle Förderung aller Kinder gelingen. Die Erzieher/innen und Kita-Träger gehen seit Jahren in Vorleistung, gute Qualität zu bieten. Jetzt ist Senator Zöllner am Zug, bessere Rahmenbedingungen für gute Kitas zu schaffen.“

Mirco Dragowski, der jugendpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, erklärt: „Wie bei den Lehrern auch trägt einzig der Senat die Verantwortung dafür, dass die von ihm ebenfalls schlecht behandelten pädagogischen Mitarbeiterinnen in den Berliner Kindertagesstätten nun zur Selbsthilfe greifen. Dabei treten die Berliner Erzieherinnen nicht etwa in den Streik, sondern schließen sich mit den Trägerverbänden zu einem fachlichen Kita-Bündnis zusammen und fordern den Senat auf, seinerseits die vertraglichen Bedingungen, die dieser in der gemeinsamen Qualitätsvereinbarung mit den Trägern eingegangen ist, einzuhalten. Die Wissenschaft bestätigt, dass bei den derzeitigen Rahmenbedingungen eine hinreichende Umsetzung des Berliner Bildungsprogramms nicht möglich ist.

Bildungsqualität ist allerdings nicht zum Nulltarif zu haben. Deshalb steht der Senat in der Pflicht, die Kostenfreiheit der vorschulischen Bildung für alle Kinder zugunsten einer besseren Bildungsqualität zu überprüfen. Der Senat ist in der Pflicht, umgehend darzustellen, wie er die dringend erforderliche Verbesserung der Rahmenbedingungen in den Kindertagesstätten haushalterisch absichern will. Andernfalls sind seine Bekenntnisse zu einer frühen Förderung, zu früher Bildung und vor allem das Versprechen einer gelingenden frühen Sprachförderung durch die Kindertagesstätten restlos unglaubwürdig.“

Die FDP-Fraktion fordert den Senat auf, bereits für die Verhandlungen zum Nachtragshaus­halt 2009 und nicht erst zu den Haushaltsberatungen zum Doppelhaushalt 2010/2011 ein solides Finanzierungskonzept vorzulegen.“

  
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