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geschrieben von: Redaktion am 01.11.2009, 12:19 Uhr
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Bisher hatte der Senat mit den Volksbegehren Glück. Zwar waren diese im Sinne der Initiatoren erfolgreich und brachten die notwendigen Stimmen zusammen, beim Volksentscheid hingegen scheiterten die Vorhaben. Der Senat ging als Sieger vom Platz. Hat es ihm aber wirklich etwas genutzt? Die verbitterten Verlierer beim Kampf um den Erhalt des Flughafens Tempelhof und um ProReli werden sich 2011 beim Wahlgang an ihre Schmach erinnern. Jetzt noch einmal monatelang die Auseinandersetzung um die Kitas zu führen, wäre dem Senat auch nicht gut bekommen. Zumal, und das unterscheidet das Kita-Volksbegehren von den anderen, die den Senat tragenden Parteien SPD und Linke sind inhaltlich mit dem, was gefordert wird, einverstanden. Nur, sie wissen nicht, wie sie es finanzieren sollen. Dieses Problem besteht nach wie vor. Der Senat hat das Volksbegehren abgelehnt, weil die Haushaltsauswirkung zu groß und es einen Eingriff in die Haushaltshoheit des Parlaments gewesen wäre. Dieser Haltung kann man sich auch als Befürworter von besserer Qualität in den Kitas anschließen. Das Gericht sah es jedoch anders und erklärte das Begehren als zulässig. Der Senat tat das einzig Vernünftige und setzte sich mit den Initiatoren zusammen. Herausgekommen ist eine Lösung, die weitestgehend die Forderungen des Kita-Bündnisses erfüllt, womit die Finanzierungsfrage immer noch nicht geklärt ist.
Und so mahnt beispielsweise die Tempelhof-Schöneberger Jugendstadträtin Angelika Schöttler den Senat in einer Presseerklärung: „Ich gehe davon aus, dass die Mittel, die für die Kitas zur Verfügung gestellt werden, nicht zu Kürzungen an anderer Stelle im Jugendbereich führen." Diese Befürchtung ist nicht von der Hand zu weisen. Ansonsten freut sich Frau Schöttler, "dass die berechtigten Forderungen der Kitas nun einvernehmlich erfüllt werden können. Mit der verbesserten Personalausstattung kann vor allem endlich das Berliner Bildungsprogramm so umgesetzt werden, wie es von Anfang an geplant war.“
Auch der Fraktionsvorsitzende der SPD, Michael Müller, ist zufrieden: „Es ist erfreulich, dass die Initiatoren des Volksbegehrens nach den Gesprächen mit der rot-roten Koalition das Augenmaß bewiesen haben, dass aus organisatorischen und finanziellen Gründen nicht alle Maßnahmen auf einen Schlag umgesetzt werden können. Die gute Basis für diesen jetzt vereinbarten Weg bildeten der Stufenplan der SPD, der von uns bereits im Sommer 2008 beschlossen wurde, sowie die von der Koalition angekündigte Personalaufstockung". Und die jugend- und familienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sandra Scheeres, sagt: „Die Einigung mit den Initiatoren des Volksbegehrens auf die nächsten Schritte der Qualitätsverbesserung unserer Kitas ist ein toller Erfolg. Damit ist das geplante Volksbegehren hinfällig - über das inhaltliche Anliegen gab es ohnehin eine große Übereinstimmung. Die Verbesserungen können jetzt gemeinsam und im Konsens umgesetzt werden. Das ist gut und wichtig für unsere Kinder. Die Erzieherinnen und Erzieher haben die Möglichkeit, das Bildungsprogramm und das Sprachlerntagebuch noch intensiver umzusetzen." Ehrlicher Weise müsste man sagen, überhaupt endlich umzusetzen.
Frau Scheeres weist aber noch auf einen anderen Punkt hin, denn zusätzlich zu den vereinbarten Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung in den Kitas bleibt es auch bei den beitragsfreien Kitajahren. Sandra Scheeres: „Wir haben damit Wort gehalten und verfolgen konsequent den Weg, dass wir die Qualität verbessern, das quantitative Angebot ausbauen und gleichzeitig die Eltern von den Kitabeiträgen befreien. Die Einigung ist blamabel für Grüne, CDU und FDP, die sich leichtfertig von der bildungspolitisch und gesellschaftlich wichtigen Beitragsfreiheit verabschieden wollten und sich aus reinen parteipolitischen Gründen bereits auf ein Volksbegehren gefreut hatten. Nach der Einigung stehen sie im Abseits."
Starke Worte. Das sehen die Gescholtenen natürlich anders. Dazu kommen wir noch. Frau Scheeres hätte aber auch darauf hinweisen müssen, dass nicht nur die Opposition nach ihrer Auffassung im Abseits steht, sondern vor allem ihr Parteifreund Jürgen Zöllner, der, ob er es nun wahrhaben will oder nicht, auch Familiensenator ist. Hat man nicht seine Worte im Ohr, dass beides nicht geht? Entweder Beitragsfreiheit oder Personal- und Qualitätsverbesserung. Die Frage, die ich mir stelle, ist, ob Zöllner womöglich gar nicht ins Abseits gehört, sondern fast Recht hat. Personal- und Qualitätsverbesserung ist der wichtigere Punkt. Die Beitragsfreiheit wird nach wie vor völlig überbewertet. Aber, sie ist ein Wahlversprechen von Klaus Wowereit, und deshalb kommt die SPD aus dieser Unsinnsnummer nicht heraus. Wem nützt denn die Beitragsfreiheit für alle Kita-Jahre? Doch nicht denen, die ohnehin keinen Beitrag bezahlen. Und diejenigen, die sich den Beitrag leisten können, würden ihn sich auch weiterhin leisten. Durch die Beitragsfreiheit wird es kaum neue Kinder in den Kitas geben. Diejenigen, die man vor allem in den Kitas haben will, werden nicht kommen. Und erst recht nicht, wenn dieser „Mist“ (Zitat Heinz Buschkowski) von Herdprämie, amtliche Bezeichnung „Erziehungsgeld“, von der neuen Bundesregierung eingesetzt wird. Dass weder Klaus Wowereit noch Jürgen Zöllner so richtig wissen, was der gefundene Kompromiss mit den Initiatoren des Kita-Volks-begehrens bedeutet, bewiesen beide anhörlich auf einer Pressekonferenz, wo sie im Stile von Edmund Stoiber (Starten am Hauptbahnhof) vom Kindfaktor 0,5 und abenteuerlichen Personalberechnungen sprachen. Es wäre schön gewesen, wenn jemand Herrn Zöllner aufgeschrieben hätte, wie viele neue Stellen der Plan für die Kitas bedeutet, bevor er seine schwachen Rechenkünste zur Schau stellt. Es werden ab 2010 schrittweise 1.800 zusätzliche Erzieher/innen eingestellt und nicht wie Zöllner vermutet rund 400. Vielleicht weiß er nicht, was eine Kita-Erzieherin verdient. Für die zusätzlichen Kosten im kommenden Jahr von 22,1 Millionen Euro, jeweils 64 Millionen Euro 2011 und 2012 und 72,8 Millionen Euro 2013, also knapp 223 Millionen Euro, bekommt man tatsächlich mehr als 400 Erzieher/innen. Wir erinnern uns: der Senat wollte ursprünglich in den nächsten beiden Jahren lediglich jeweils nur 50 Millionen Euro ausgeben.
Die Opposition sieht sich nicht im Abseits, ganz im Gegenteil. Emine Demirbüken-Wegner, zuständig in der CDU-Fraktion für Jugend- und Familienpolitik, und der Haushaltssprecher Uwe Goetze, sehen die Sache so: „Auf massiven Druck der Eltern hat der Wowereit-Senat nach langer Verweigerungshaltung seinen selbstgefälligen Kurs geändert und angekündigt, bis 2013 die Qualität der Kitas schrittweise verbessern zu wollen. Endlich scheint ihm klar geworden zu sein, dass eine gute frühkindliche Bildung Priorität haben muss. Trotz der überfälligen Kurskorrektur sind aber noch zentrale Fragen offen."
Demirbüken-Wegner: "Unklar ist beispielsweise, woher die dringend benötigten 1.800 Erzieherinnen und Erzieher kommen sollen. Aufgrund der Streichpolitik des Senats in den vergangenen Jahren sind viele gut Ausgebildete in andere Bundesländer ausgewandert. Dort wurde ihnen nicht nur ein Arbeitsplatz in Aussicht gestellt - er wurde auch besser bezahlt. Zudem muss der Senat die Qualifizierung des Erziehungspersonals durch adäquate Fortbildungen sicherstellen, damit die hohen Anforderungen des Berliner Bildungsprogramms auch erfüllt werden können."
Goetze: "Außerdem ist fraglich, woher der Senat die von ihm errechneten 223 Millionen Euro nehmen will. Bisher hat Finanzsenator Nußbaum jedenfalls keine Vorschläge präsentiert. Im Gegenteil, er scheint sich mangels Kreativität und Durchsetzungskraft den Forderungen seiner Senatskollegen zu beugen und ihre ideologischen Blütenträume zu bezahlen. Eine Neuverschuldung wäre jedoch verantwortungslos. Unsere Finanzierungsvorschläge liegen bereits auf dem Tisch: Neben dem Erhalt der Kita-Beiträge sollte auf den Öffentlichen Beschäftigungssektor verzichtet werden. Wir fordern daher den Senat auf, spätestens zur 2. Lesung des Doppelhaushalts darzulegen, wo er Einsparmöglichkeiten sieht."
Auch Ramona Pop, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, und Elfi Jantzen, die familienpolitische Sprecherin, gratulieren den Initiatoren des Kita-Volksbe-gehrens zu ihrem Erfolg. „Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Forderungen des Volksbegehrens mit einem eigenen Gesetzesentwurf im Abgeordnetenhaus unterstützt. Ohne die Initiative der Eltern und der Angst vor einer drohenden Niederlage bei einem Volksentscheid hätte Rot-Rot die Kitas im Regen stehen gelassen. Endlich hat sich der Senat bewegt und legt nun einen konkreten Stufenplan zur Erfüllung der Forderungen vor. Auch wenn nicht alle Forderungen sofort erfüllt werden, erhalten die Kitas endlich bessere Rahmenbedingungen für die Förderung der Kinder. Wir werden streng darauf achten, dass die Zusagen im Kita-Gesetz und dem Haushaltsplan 2010/ 2011 abgesichert werden. Auch die Forderungen, die über das Jahr 2011 hinausgehen, müssen wasserdicht abgesichert werden.“
Unbeeindruckt von der Opposition feiert sich die SPD für den erzielten Kompromiss weiter: „Unser Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit sieht in dem vom Senat beschlossenen Reformkonzept ‚einen weiteren Beleg der Vorreiterrolle Berlins bei der Kinderbetreuung’. Wowereit: ‚In den nächsten Jahren wird deutlich werden, dass Berlin den Bildungsauftrag der frühkindlichen Erziehung noch weiter ins Zentrum rückt und damit auch einen zusätzlichen Beitrag zur Chancengleichheit leistet. Integration über Einkommens- und Kulturunterschiede hinweg muss im Kita-Alter beginnen. Die Ausweitung der Beitragsfreiheit und die Verbesserung der pädagogischen Angebote sind zentrale Schritte auf diesem Weg.’
Nach den Senatsplänen sollen der Personalschlüssel in zwei Schritten um ein Kind in allen Altersgruppen gesenkt, der Rechtsanspruch auf einen Teilzeitplatz eingeführt und der ‚Leitungsschlüssel’ verbessert werden. Damit sind weitgehend auch die Forderungen des Kita-Volksbegehrens erfüllt. Neben der Beitragsfreiheit für die Kindertagesstätten, die der Senat bereits beschlossen hatte und die eine deutliche Entlastung für alle Eltern bringt, ergeben sich aus diesen Maßnahmen erhebliche weitere qualitative Verbesserungen in den Kindertagesstätten.
‚Wir wollen eine noch intensivere Betreuung für die Kinder in Berlin schaffen", erklärte Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner. "Der Senat macht mit diesem Maßnahmenbündel deutlich, dass er erhebliche Verbesserungen in der frühkindlichen Bildung bis zum Jahr 2013, konkret beginnend bereits 2010, gesetzlich festschreiben will und damit den Schwerpunkt Bildung für die Jüngsten in konkretes politisches Handeln umsetzt. Wir bauen in Kindertagesstätten und Schulen auf Konzepte, durch deren Realisierung die Kinder und Jugendliche gefördert und ihnen bestmögliche Chancen gegeben werden.“
Nun, nie waren sich alle so einig wie diesmal. Man sollte den Streit jetzt nicht weiter auf dem Rücken der Kinder und Erzieher/innen austragen, sondern das umsetzen, was beschlossen wurde. Was die Finanzierung betrifft, bleiben jedoch Zweifel, bei vielen auch Ängste. Alle schauen nun auf Ulrich Nussbaum. Frei nach der Halloween-Parole könnte auf Süßes nun Saures folgen.
Ed Koch
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