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Wird Rathaus Friedenau Bezirkspuff?

geschrieben von: Redaktion am 26.02.2013, 07:44 Uhr
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Endlich gibt es einen sinnvollen Vorschlag für die Nachnutzung des Rathauses Friedenau, das der Bezirk Tempelhof-Schöneberg lieber heute als morgen loswerden möchte. „Es wäre mal ein innovativer Schritt zu sagen, wir machen ein kommunales Bordell auf. Die Stadt könnte das mit zwei oder drei Bediensteten betreiben, die für Sauberkeit und Ordnung sorgen.“ Das erklärte nicht etwa der Investor, der in der Schöneberger Kurfürstenstraße ein Laufbordell einrichten möchte, sondern der Pfarrer der Zwölf Apostel Gemeinde, Andreas Fuhr, dem Berliner Abendblatt. Die BZ stellt dem Pfarrer die Frage, warum Berlin ein kommunales Bordell bereitstellen soll. „Weil private Betreiber oft horrende Mieten nehmen. In einer kommunalen Einrichtung wären die Zimmerpreise sicher angemessener.“ „Außerdem“, so Fuhr, könne dort ein Mitarbeiter des Gesundheitsamtes ansässig sein, der die Prostituierten vom Straßenstrich fundiert berät.“
Tja, wenn wir die Kirche nicht hätten, käme niemand sonst auf die nahe liegendsten Ideen. Auslöser der Diskussion, die die für Stadtentwicklung und Quartiersmanagement zuständige Bezirksstadträtin Dr. Sibyll Klotz (Grüne) endlich von dem leidigen Thema der aufmüpfigen Marienfelder Kleingärtner ablenkt, ist eine Broschüre, die in der Nachbarschaft der Schöneberger Striche verteilt wurde.

„Reise durch ein Viertel - 30 Menschen erzählen“, lautet der Titel der Broschüre zum Projekt „Bürgerausstellung Nachbarschaft und Prostitution“. Das Quartiersmanagement bezeichnet die Broschüre als „gelungene Informationsquelle“. „Immer wieder wird diskutiert, sich heftig gestritten und beschwert. Ein stetiges ‚Miteinander’ und ‚Gegeneinander’ prägen das Zusammenleben im Quartier rund um die Kurfürstenstraße im Schöneberger Norden und im Süden des Tiergartens, unweit von Berlins Mitte“, heißt es in einer Mitteilung des Quartiersmanagements zur Broschüre. „Schon manches Mal lagen die Nerven blank. Wie verträgt sich Straßenprostitution mit ihrer Nachbarschaft? Neuralgischer Punkt und nicht einfach zu beantwortende Dauerfragen sind: Wer soll und darf zu welchen Zwecken und zu welchen Zeiten den allen zugänglichen und öffentlichen Raum im Quartier nutzen? Wer entscheidet darüber? Wie könnten für alle Beteiligten akzeptable Formen des Umgangs miteinander aussehen? Welche guten Ideen gibt es dafür?

Um sich hier möglichen Antworten anzunähern, entstand die Idee zu einer Bürgerausstellung. Der Prozess der Entstehung, Eröffnung und Durchführung der Ausstellung wird mit der Broschüre ‚Reise durch ein Viertel ...’ dokumentiert. Zudem werden das Quartier, die Geschichte der Prostitution und die Situation vor Ort skizziert. Abschließend werden die konstruktiven Ideen und nachhaltigen Lösungen dargelegt, die weiter diskutiert werden müssten und denen unter Umständen entsprechende Schritte und konkrete Maßnahmen folgen könnten. Das Ende der Dokumentation runden ein paar Informationen zu den ‚Verrichtungs- oder POP-Boxen’, den gesetzlichen Rahmenbedingungen und den sozialen Initiativen und Anlaufstellen vor Ort ab.“

„Reise durch ein Viertel - 30 Menschen erzählen" Nachbarschaft und Straßenprostitution - Wie geht das? Christiane Howe, Gerhard Haug, Rolf Hemmerich. Herausgeber: Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin, Abt. Gesundheit, Soziales, Stadtentwicklung. Die Druckausgabe erhalten Sie unter anderem im Büro des Quartiersmanagements Schöneberger Norden (Pallasstraße 5)“.

Immerhin hat es die Broschüre am 22. Februar auf die Titelseite der BZ geschafft. „Bezirk wirbt für Straßenstrich“ lautete die Überschrift. In der Broschüre, die auf der Seite des Quartiersmanagements Schöneberger Norden (www.schoeneberger-norden.de) als PDF-Datei eingesehen werden kann, befindet sich auch dieses Comic (der BZ entnommen). „Ist der Straßenstrich wirklich so niedlich?“, fragt die BZ.

Die Aussagen der 30 in der Broschüre Befragten sind äußerst interessant. Man hat den Eindruck, als haben sich die Leute damit abgefunden. Seit 150 Jahren besteht ja auch der Straßenstrich rund um den Bülowbogen. Hier einige Stimmen der Befragten: „Dass unser Quartier die Prostitution ‚beherbergt‘ ist eine Art Dienstleistung für die anderen Stadtteile.“ „Warum macht unser Senat immer nur die Augen zu und will die Probleme der Anwohner mit der Prostitution nicht erkennen?“ „Ich hätte mir eigentlich gewünscht, dass das Laufhaus (Kurfürsten-/Ecke Potsdamer Straße) zustande kommt.“ „Ein bisschen St. Pauli in Berlin, das wäre gar nicht so schlecht ...“ „Wir müssen es einfach hinnehmen. Es ist ein Wirtschaftszweig, der da ist“, sagt ein Polizeibeamter. „Es ist schon eine aufregende Atmosphäre hier, also fahre ich öfter durch den Kiez.“ „Ich finde es hier im Kiez komplett normal und im Prinzip ganz unproblematisch.“ „Das Zusammenleben von Anwohnern und Prostituierten ist komplizierter geworden.“ „Die Prostitution im Kiez ist ein Teil der hier gewachsenen Urbanität.“ „Seit hundert Jahren ist das ein Straßenstrich. Der ist nicht erst seit gestern mit seinen Facetten da.“

„Dieser Kiez steckt voller Gegensätze. Unsere Aufgabe ist es, dort für ein Miteinander einzustehen. Denn verdrängen geht nicht“, sagte Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) dem Berliner Abendblatt. Wohl wahr, denn wenn verdrängen, dann wohin?
Anwohnerinformation ist wichtig, damit kennt sich Frau Dr. Klotz ja aus. Muss es aber gleich eine derart aufwendige Broschüre sein, die nach Angaben der BZ in einer Auflage von 2.500 Exemplaren erschienen ist und 7.900 Euro gekostet hat?

In der Broschüre heißt es: „Straßenprostitution ist nicht verboten.“ „Stimmt“, antwortet die BZ und fragt: „Doch muss sich die Broschüre deshalb mitunter wie eine Anleitung für Freier lesen? Karten zeigen, wo genau die Prostituierten stehen, wie viele es sind (40 pro Tag), wo die ‚Vollzugs-Gebiete’ sind, wie viele Freier kommen (bis zu 600) und woher (‚aus Berlin, dem Umland, Gesamt-Deutschland und anderen Ländern’). Text-Auszug: ‚Der Straßenstrich ist überregional bekannt und wird in einschlägigen Broschüren und Internet-Foren benannt und beworben.’ Dann folgt eine detailgenaue Beschreibung einer ‚Pop-Box’ – einer Garage für den „Vollzug von Sexhandlungen im Auto. Eine Sprecherin des Bezirksamts rechtfertigt das Heft: ‚Es ist eben mal eine andere Sicht der Dinge.’“

Pfarrer Fuhr sagte der BZ über die Broschüre: „Für Außenstehende wohl etwas merkwürdig“, glaubt er, „aber für die Anwohner hier beschreibt es ganz gut die Situation, mit der sie leben müssen.“

Seinen Vorschlag, ein städtisches Bordell einzurichten begründet der Geistliche der BZ gegenüber wie folgt: „Ein Verbot des Straßenstrichs ist nicht möglich, genauso wenig wie Sperrzeiten. Doch wir können es nicht hinnehmen, dass Prostituierte ihre Freier auf Parkbänken oder Spielplätzen bedienen. Sie bräuchten eine diskrete Rückzugsmöglichkeit.“ Handlungsbedarf sehen auch die Politiker und Stadträtin Dr. Klotz plädiert in der BZ „für eine Arbeitsgruppe auf Senatsebene. Immerhin breitet sich der Strich immer mehr aus. Vor allem Prostituierte aus Osteuropa würden mit Dumpingpreisen um Freier werben und aggressiv gegenüber Kolleginnen auftreten. So seien Huren bereits bis an die Winterfeldtstraße verdrängt worden.“

„Kann ein städtisches Bordell die Probleme im Kiez lösen?“, fragt die BZ. „Die Idee finde ich gut“, sagt Anja Kofbinger, frauenpolitische Sprecherin der Grünen zur BZ. „Allerdings würden es sicher nicht alle Frauen nutzen. Viele wollen mit den Behörden nichts zu tun haben und ihren Geschäften ganz anonym nachgehen.“ Die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Tempelhof-Schöneberg, Marijke Höpnner, sagt zu den Plänen des Pfarrers gegenüber paperpress: „Ich kann das Ansinnen des Pfarrers Andreas Fuhr sehr gut verstehen, Prostitution aus einer dunklen Ecke in einen kontrollierbaren und transparenten Bereich zu ziehen. Durch die gesetzliche Legalisierung von Prostitution und Anerkennung als Berufsbild wurde dahingehend viel erreicht. Transparenz kann durch ein kommunales Bordell als Antwort auf einen Straßenstrich aber nicht erreicht werden. Der Strich im Kurfürstenstraßenkiez zieht ein besonderes Kundenklientel an: Laut Aussage von Facheinrichtungen vor Ort und Rückmeldung der Sexarbeiterinnen handelt es sich meist um männliche Freier, die unerkannt bleiben wollen, mit dem Auto vorfahren, einen Blowjob in Anspruch nehmen und wieder fortfahren. Ein Bordell zieht ein anderes Klientel an Freiern an, denn dort werden andere Angebote nachgefragt. Zudem schränkt ein kommunales Bordell die Möglichkeit der Freier ein unerkannt zu bleiben, so dass es wahrscheinlich nicht so viel Zuspruch finden würde wie von Pfarrer Fuhr erwartet. Grundsätzlich ist wie beim Laufhaus davon auszugehen, dass ein Bordell ein additives Angebot darstellt, nicht aber ein Ersatz für den Straßenstrich. Eine Ausweitung des Prostitutionsangebotes im Kurfürstenstraßenkiez halte ich nicht für vertretbar."

Die Idee des Pfarrers ist aber noch aus einem anderen Grunde unrealistisch und etwas naiv. „Die Stadt könnte das mit zwei oder drei Bediensteten betreiben, die für Sauberkeit und Ordnung sorgen“, glaubt Andreas Fuhr. Lieber Herr Pfarrer, so funktioniert doch die Verwaltung nicht. Bleiben wir einmal bei dem fiktiven, oder besser hypothetischen Vorschlag, das Rathaus Friedenau zu einem Bezirksbordell umzuwandeln. Da braucht man natürlich erst einmal einen bzw. mehrere Pförtner. Dann müsste überlegt wer-den, welcher Abteilung ordnet man das Bordell zu. Da der Pfarrer Wert auf Sauberkeit und Ordnung legt, kommt eigentlich nur das Ordnungsamt in Frage. Man müsste einen eigenen Fachbereich gründen, und da reichen zwei-drei Leute nicht aus. Ein Stellenplan müsste in etwa so aussehen, natürlich wegen der besonderen hoheitlichen Aufgaben, nur von Beamten wahrzunehmen.

Stellenzeichen Funktion / Besoldung Aufgabengebiet

OrdBord FL Fachleitung / A 13 Leitung – Koordination
OrdBord Sekr. Sekretariat / A 6 Sekretariatsaufgaben
OrdBord Presse 1 Pressesprecher / A 11 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
OrdBord Presse 2 Mitarbeit / A 10 Broschüren u.a. Veröffentlichungen
OrdBord G 1 L Gruppenleiter / A 12 Gruppe Anmeldung / Registrierung
OrdBord G 1 2-9 Mitarbeiter / A 9 Raumzuweisungen / Nachsorge
OrdBord G 2 L Gruppenleiter / A 12 Rechnungswesen
OrdBord G 2 2-9 Mitarbeiter / A 9 Kassieren für Raumnutzungen
OrdBord G 3 L Gruppenleiter / A 12 Sicherheit, Ordnung, Sauberkeit
OrdBord G 3 2-14 Mitarbeiter / A 6 - 8 Ordnungsdienst, Reinigung


Tja, so könnte der Stellenplan aussehen. Es wird Zeit, dass der Staat das weitestgehend unkontrollierte Prostitutionswesen unter Kontrolle bekommt. Und das kann man nur durch eine eigene Behörde, die dafür sorgt, dass alles seinen ordentlichen Weg geht. Zu überlegen wäre noch, ob man im Schlesiensaal des Rathauses Friedenau eine Kapelle einrichtet, mit ökumenischen Beichtkabinen, getrennt nach Ledigen, denen es einfach peinlich war, ins Bordell zu gehen, nach Männern mit Freundin, denen es ein wenig peinlich war, die aber eben mal etwas Anderes erleben wollten, und verheirateten Männern, denen überhaupt nichts mehr peinlich ist, aber wenigstens vor Gott gut dastehen möchten.

Viele weitere Fragen wären zu klären: wohnen die Prostituierten im Rathaus oder mieten sie nur die Räume an? Gäbe es auch eine Etage mit männlichen Prostituierten? Ich fürchte, das Thema bleibt uns erhalten.

  
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