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Wie viele Stadtwerke brauchen wir?

geschrieben von: Redaktion am 27.10.2013, 08:29 Uhr
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Die Plakate, die gegenwärtig überall im Stadtbild für ein JA zum Volksentscheid am 3. November werben, machen deutlich, dass es im Wesentlichen um eine emotionale, also Bauchentscheidung geht. „Unser Stadtwerk“, „Unser Stromnetz“, „Unser Berlin“. Die Frage zur Kopfentscheidung muss jedoch heißen: „Unser Geld“, also NEIN.

Nicht in jedem Falle können Private die Aufgaben der Öffentlichen Hand besser und preiswerter wahrnehmen, in vielen aber eben doch. Über die frühere BEWAG konnte man sich im Großen und Ganzen nicht beklagen, über den Nachfolger Vattenfall allerdings auch nicht. Die BEWAG diente häufig als Endlager für ausgediente SPD- und Gewerkschaftsfunktionäre, zumindest das hat sich geändert. Der jetzige Volksentscheid wird angeheizt durch ein weiteres emotionales Argument, nämlich, dass die Gewinne nach Schweden, dem Vattenfall-Konzernsitz flössen und nicht in der Stadt blieben. Mir ist Schweden immer noch lieber als Russland, um dessen Konzerngewinne sich Gerhard Schröder persönlich kümmert.

Ersparen wir uns eine detaillierte Auflistung über die Millionenbeträge, die in der Stadt und dem Umland von Vattenfall ausgegeben werden, um das Netz in Ordnung zu halten (280 Mio. Euro jährlich), und nicht zuletzt dafür, dass für die Kabel, die im Berliner Sand liegen 140 Mio. Euro jährlich an „Unser Berlin“ gezahlt werden müssen, eine Einnahme, die beim Betrieb einer eigenen Netzgesellschaft entfiele.

Besonders perfide ist ein weiteres emotionales Argument, das eher unterschwellig immer wieder genannt wird, nämlich dass der Strompreis billiger werde, in „absehbarer Zeit“. Nein, diese Zeit ist nicht absehbar.

In einem Beitrag der Berliner Morgenpost ist sich der Hauptgeschäftsführer der Berliner Industrie- und Handelskammer, Jan Eder, zum einen sicher, dass die meisten Leute nicht wissen, worüber sie am 3. November abstimmen werden. Und, so Eder gegenüber der Berliner Morgenpost: „Wenn Berlin ein eigenes Stromnetz und ein eigenes Stadtwerk betreibt, wird Strom weder grüner noch billiger".

Und der Chef der Stromnetz Berlin GmbH, Dr. Helmar Rendez, stellte im Tagesspiegel die einzig richtige Frage: „Ich als Bürger frage mich, ob die Stadt ihr Geld nicht lieber für Kitaplätze, Schulsanierung oder Straßenreparaturen ausgeben sollte statt für den Kauf des Stromnetzes.“ Unabhängig vom Ausgang des Volksentscheids am kommenden Sonntag, hat die Rot-Schwarze Koalition im Abgeordnetenhaus die Gründung eines Berliner Stadtwerkes beschlossen. Es soll ausschließlich Ökostrom produzieren und verkaufen und geht damit einen anderen Weg als Hamburg. Das dortige Stadtwerk, das durch einen Entscheid am Tag der Bundestagswahl gegründet werden soll, betätigt sich als Gemischtwarenhändler in Sachen Strom und stellt sich damit auf eine andere finanzielle Basis. Die Frage also, was wir in Berlin in Punkto Stadtwerk von Hamburg lernen können, wurde von Fachleuten mehrfach mit „Gar nichts“, beantwortet.

Was SPD und CDU (im Schlepptau) geritten haben, so kurz vor dem Volksentscheid ein Gesetz zur Gründung eines Stadtwerkes einzubringen, ist beim besten Willen nicht auszumachen. Der frühere Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) hält die Sozialdemokraten für nicht mehr zurechnungsfähig, sagte er am letzten Donnerstag im Abgeordnetenhaus. Und der Verfassungsrechtler Christian Graf von Pestalozza hält den Verlauf für „suboptimal“. In der Berliner Abendschau vom 24. Oktober erklärte er, dass, sollte der Volksentscheid durchkommen, das damit beschlos-sene Gesetz das neuere sei, dem das ältere, also das am 24. Oktober beschlossene, weichen müsse. Kann sein, muss nicht sein, denn das Abgeordnetenhaus könnte auch, so Pestalozza, das am 3. November beschlossene wieder aufheben. Zeit bliebe, denn das Volksentscheidgesetz soll ja erst zum 1. Januar 2014 in Kraft treten. Man könnte auch aus beiden eins machen. Wie auch immer, äußerst verwirrend. Welcher Normalbürger kann da noch durchblicken. Und so werden viele vermutlich eher mit dem Bauch als mit dem Kopf entscheiden.

Wie auch immer, eines ist sicher, es wird ein Berliner Stadtwerk geben. Das ist dann die Nummer 317 der Berliner Stromanbieter. Das Stadtwerk soll nach dem Willen der Koalition bei den Berliner Wasserbetrieben angesiedelt werden und für diese ist Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) zuständig. Eine weitere kluge Entscheidung, denn, was Frau Yzer über ein Stadtwerk denkt, ist hinreichend bekannt, nämlich gar nichts. Der Berliner Zeitung sagte Frau Yzer am 20. Oktober: „Bei vielen Berlinern ist die Gründung des landeseigenen Stadtwerks mit der Erwartung verbunden, dass Strom ökologischer und preiswerter wird. Die Verbraucher ächzen unter steigenden Strompreisen und da scheint der Volksentscheid ein Ausweg zu sein. Die Strompreise werden aber bei einem Erfolg des Energietischs nicht sinken. Der Netzeigentümer hat zudem keinen Einfluss darauf, welcher Strom durch seine Kabel geleitet wird, er darf niemanden diskriminieren. Deshalb stelle ich angesichts von 63 Milliarden Euro Schulden des Landes Berlin so vehement die Frage, was wir uns leisten können und welchen Nutzen es für die Verbraucherinnen und Verbraucher hat.“

Auch der Chef des Berliner Bundes der Steuerzahler, Alexander Kraus, äußert sich gegenüber der Berliner Morgenpost ablehnend: „Ich sehe keinen Grund, warum ein hoch verschuldetes Land sich ein solches Risiko aufhalsen sollte.“ Ein Stadtwerk zu gründen, ist ja nur die eine Seite der Medaille. Berlin soll ja auch wieder das Stromnetz übernehmen. 400 Mio. Euro Kosten vermutet der „Energietisch“, Betreiber des Volksentscheids. Die amtliche Kostenschätzung liegt zwischen 2 und 3 Milliarden Euro. Die dürfte selbst der Finanzsenator nicht in der Portokasse haben. „Wenn der Zapfenstreich kommt, ist die Rechnung klar", sagte IHK-Mann Eder der Berliner Morgenpost. „Neue Löcher im Haushalt durch den Netzkauf, und ein Steuerzahler, der zähneknirschend die Zeche zahlt."

Apropos Zeche. Dem Bürger ist letztlich egal, wer das Stromnetz betreibt und wie viele Anbieter es gibt. Hauptsache der Strompreis ist erschwinglich. Den Stromverkäufern kann man den Preis nicht zum Vorwurf machen, schon gar nicht dem Netzbetreiber. Senken könnte den Strompreis sofort und spürbar nur der Staat selbst. In einem früheren Beitrag zu diesem Thema habe ich meine Stromrechnung offengelegt und dabei hat sich mein Magengeschwür merkbar vergrößert.

Ich habe 2012 2.001 kWh verbraucht und dafür 532,27 Euro bezahlt. Dröseln wir mal meine Rechnung auf. Von den 532,27 Euro entfallen:

- 41,02 Euro (7,7%) an Stromsteuer. Wie bitte? Stromsteuer? Gehört Strom nicht zur Grundversorgung des menschlichen Daseins? Und das lässt sich der Staat noch extra bezahlen? Strom ist nicht gleichzusetzen mit Alkohol und Tabak.

- 85,03 Euro (15,97%) Umsatzsteuer, also das, was wir unter 19% Mehrwertsteuer verstehen. Ist es nicht möglich zu sagen, OK, Strom ist wichtig wie Grundnahrungsmittel, also nur 7%?

- 76,03 Euro (14,28%) Erneuerbare-Energie-Gesetz-Umlage (EEG). Lieber Staat, hast Du eine totale Macke? Kannst Du das bitte von der Strom- und Mehrwertsteuer bezahlen und nicht noch extra erheben? Was machst Du mit der Strom- und Mehrwertsteuer aus meiner Rechnung?

- 47,82 Euro (8,98%) Konzessionsabgabe. Dafür, dass Vattenfall die Kabel unterhalb der Straßendecke nutzt, die dem Land Berlin, also UNS gehört, kassiert ihr uns auch noch ab? Das ist Raubrittertum in vollendetster Form.

Die hier aufgelisteten Positionen ergeben 46,93 Prozent = 249,90 Euro – meiner Stromrechnung. Die anderen Positionen auf der Rechnung kann ich nachvollziehen, Strombeschaffung, Vertrieb etc. Der Strom als „Grundnahrungsmittel“ könnte ohne die staatliche Abzocke wesentlich preiswerter sein. Nicht die Energieunternehmen und ihre Aktionäre sind die raffsüchtigen bösen Kapitalisten, sondern der Staat selbst, also die von uns gewählten Politiker. Gegen diese Abzocke sollte mal jemand ein Volksbegehren starten.

Wer für Berlin ist, muss beim Volksentscheid mit NEIN stimmen. 625.000 Bürger, also ein Viertel aller Wahlberechtigten müssen mit Ja stimmen, um den Volksentscheid zum Erfolg zu führen. Eine „fast unsinnige Mehrheit“ sagt Professor Pestalozza, aber wie wir wissen, durchaus erreichbar. Davon, dass es eine relative Mehrheit geben wird, also mehr Ja als Nein-Stimmen, muss man ausgehen, denn zur Wahl gehen im Wesentlichen die Befürworter. Ob es dann insgesamt jedoch 625.000 Ja-Stimmen sein werden, wissen wir am kommenden Sonntag.

Ed Koch

  
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