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Die Selbstkritik hat viel für sich...

geschrieben von: Redaktion am 12.10.2016, 10:29 Uhr
paperpress534 
…gesetzt den Fall, ich tadle mich, so hab' ich erstens den Gewinn, dass ich so hübsch bescheiden bin, zum zweiten denken sich die Leut, der Mann ist lau-ter Redlichkeit, auch schnapp' ich drittens diesen Bissen vorweg den andern Kritiküssen, und viertens hoff' ich außerdem auf Widerspruch, der mir genehm. So kommt es denn zuletzt heraus, dass ich ein ganz famoses Haus.“ (Wilhelm Busch) Nun, bezogen auf Michael Müller und die SPD treffen die Zeilen von Wilhelm Busch nicht ganz zu. Erstens und zweitens ist OK, für drittens hat ein anderer vorweg gesorgt, den niemand darum gebeten hatte, der Widerspruch bei viertens blieb gestern und heute aus, als die SPD ihre Wahlanalyse vorlegte, und an der Sache mit dem famosen Haus muss noch gearbeitet werden.
Man muss allerdings ein paar Punkte geraderücken. Dass man sich im Wahlkampf auf Michael Müllers Beliebtheit als Motor für ein gutes Ergebnis verließ, kann doch wirklich niemand vorgeworfen werden. Müller war in allen Umfragen mit gewissem Abstand der beliebteste Politiker und lag im direkten Vergleich zu seinem Konkurrenten Frank Henkel sehr deutlich vorn. Wenige Wochen vor der Wahl wollten laut einer Forsa-Umfrage 47 Prozent Michael Müller als Regierenden Bürgermeister behalten, nur 15 Prozent sprachen sich für Frank Henkel aus, 38 Prozent wollten allerdings keinen von beiden.

Die Bürger wollen, dass die Verwaltung geräuschlos funktioniert. Probleme müssen natürlich öffentlich gemacht werden, weil sich sonst nichts bewegt. Von alleine ist die Politik oft sehr schwerfällig – ein kritischer Medienbericht wirkt da Wunder. Wenn das Problem dann allerdings erkannt ist, wollen die Leute nicht, dass sich die Politiker öffentlich über die Lösung streiten, sondern dass sie das Problem aus der Welt schaffen. Und zwar Pronto Pronto!

Es ist doch in der Nachschau völlig unbestritten, dass Sozialsenator Mario Czaja (CDU) mit der Flüchtlingskrise überfordert war. Die Menschen in der Stadt und die Medien riefen zu Recht „Chefsache!“ Und der Chef kümmerte sich. Der Einsatz von Beraterfirmen und Beratern wurde statt als Hilfe angenommen zu werden, von den Medien als Filz beschimpft und die BZ – Zeitung des Jahres!!! - er-schien tagelang mit dem Foto des Berliner Rathauses mit der Bildüberschrift „Das Rote Filzhaus!“ So etwas zeigt Wirkung. Und wie hätte Michael Müller ohne dass es die Öffentlichkeit mitbekommt, in der Senatskanzlei einen Staatssekretär für Flüchtlings-fragen einsetzen sollen? Dass die CDU darüber nicht glücklich war, ist verständlich. Es fehlte aber an deren Selbstkritik, dass das zur Verwaltung von Czaja gehörende LaGeSo (Landesamt für Gesundheit und Soziales) bundes-, ja fast weltweit zum Gespött für Verwaltungsversagen wurde. Schlimmer als in einem libanesischen Flüchtlingslager gehe es am LaGeSo zu. Der CDU hätte das Ressort von Czaja entzogen werden können. Der Bruch der Koalition wäre damit besiegelt gewesen, mit der Folge Neuwahlen. Hätte das der Wähler honoriert?

Michael Müller hat Recht, wenn er sagt, dass der öffentlich ausgetragene Streit mit der CDU nicht honoriert wurde. Mir ist bloß nicht klar, wie er ihn seinerzeit hätte verhindern können, zumal der Generalsekretär der CDU, Kai Wegner, fast täglich jedes Handeln der SPD kritisierte, und Stefan Evers über die so genannten sozialen Netze permanent der SPD vors Schienbein trat.

Vieles, was in der Analyse steht, ist ja richtig, näher an den Menschen sein, Glaubwürdigkeitsproblem usw. Vieles von dem allerdings, was man in der täglichen Arbeit hätte besser machen können, wäre eben besser gar nicht gelungen.

Die Flüchtlingskrise war über Monate das beherrschende Thema. Ein paar Dutzend Leute haben bei Müllers Tour durch Tempelhof am 28. Juni mitbekommen, wie hilflos Mario Czaja teilweise agierte. In der so genannten Blumenhalle auf dem Flugfeld Tempelhof sollte ein Freizeit- und Erholungsangebote für Kinder und Jugendliche angeboten wer-den. So richtig kam das Projekt nicht in Schwung, was zu einem unschönen Dialog des Regierenden Bürgermeisters mit dem Sozialsenator führte. Müller war sichtlich angesäuert. Es ging, natürlich, um die Finanzierung der Angebote und wer dafür zuständig ist. Auch Jugendstaat-sekretärin Sigrid Klebba machte ihrem Unmut Luft: „Es ist ärgerlich, dass die Voraussetzungen für eine vollständige Nutzung von der Sozialverwaltung noch nicht geschaffen sind. Unser Konzept steht seit Monaten, die Träger haben erste Angebote gestartet und könnten sofort ausbauen. Sie stehen in den Startlöchern. Jeder, der im Jugendbereich tätig ist weiß, wie wichtig Frei-zeit-, Sport- und Kulturangebote sind.“

Was ist die Konsequenz daraus, wenn der Regieren-de Bürgermeister Problemfälle zur Chefsache er-klärt? In einer Dreierkoalition kann das auch anstehen. Soll er den zuständigen Senator künftig damit allein lassen oder sich einmischen? Dieser Knoten ist ohne öffentliche Aufmerksamkeit und Streit nicht zu lösen. Die Menschen erwarten, dass der Chef die Sache regelt, belohnen hingegen denjenigen, der versagt hat mit dem besten Wahlkreisergebnis der Stadt und lassen den anderen, der helfen wollte, im Regen stehen. So funktioniert Politik!

Bei aller gebotenen Selbstkritik der SPD, muss man doch mal zur Kenntnis nehmen, dass das Wahlergebnis anders ohne Flüchtlingskrise ausgesehen hätte. Auf Seite 2 unten rechts heißt es in dem Analysebericht der SPD: „Für die AfD-Anhänger in Berlin war die Bundespolitik überproportional von Bedeutung, und dort mit fast 90% das Thema Flüchtlinge. Im Unterschied zur allgemeinen Wahlbevölkerung, für die die Wahlentscheidung überwiegend durch Landespolitik bestimmt wird (über 60%), spielten Landesthemen für die AfD-Anhänger nur zu etwa 30% eine Rolle (Forschungsgruppe Wahlen Nachwahlbefragung). Das heißt doch wohl ganz klar, dass man diese Wähler für die SPD nur zurückholen kann, wenn man die Flüchtlingspolitik ändert bzw. anpasst.

Robert Drewnicki hat vollkommen Recht, wenn er behauptet, dass es vergeblich sei, diese AfD-Wähler für die SPD gewinnen zu wollen. „Die SPD-Politik, die man machen muss, um diese Wähler/innen zu-rückzuholen möchte ich mir nicht vorstellen und wird es mit unserer SPD-Berlin sicher auch weiterhin nicht geben“, schreibt Drewnicki. Vollkommen richtig. „Diejenigen, die Angst haben, die fragen, wo die SPD bleibt, will ich sehr wohl zurück“, sagt dagegen Saleh. (Quelle Tagesspiegel) Damit kann Saleh ja nur die zehn Prozent meinen, die aus anderen Grün-den die AfD gewählt haben. Salehs Auftritt bei den Jusos und seine Kritik an Drewnicke ist reiner Populismus. Saleh bleibt – wie so oft – die Antwort schuldig. Menschen, die grundsätzlich gegen die Einwanderung von Fremden sind, wird eine Partei wie die SPD niemals auf ihre Seite ziehen können.

Apropos Saleh

Kommen wir zum größten Problem, das die SPD im Augenblick hat. Nach der Wahl haben die Bürger erwartet, dass sich die Parteien für ein paar Wochen zurückziehen und dann der Öffentlichkeit mitteilen, was sie besser machen wollen. Das hat bei allen Parteien funktioniert, bei der CDU – klammern wir diese unsägliche Sexismus Debatte einmal aus – den Grünen (auch sie haben verloren 2,4 %) und den Linken, die sich über ein Plus von 3,9 % freuen können. Nicht aber bei der SPD. Schon gut eine Woche nach der Wahl, als die Wahlanalysekommission noch gar nicht richtig in Schwung gekommen war, er-schien im Tagesspiegel ein Essay unter dem Namen Raed Saleh. Neben ähnlichen Bewertungen wie im offiziellen Bericht, verunglimpfte Saleh Müller ohne ihn namentlich zu nennen. Dieser Tagesspiegel-Artikel führte zu einer öffentlichen Diskussion zum falschen Zeitpunkt. Saleh hat seiner Partei damit geschadet, denn die Bürger nahmen nun schon wie-der Konflikte und Spannungen wahr, die erst einmal intern hätten geklärt werden müssen.

„Die Diskussion über die Ursachen wurde vom Vor-stand unter Führung des Regierenden Bürgermeisters Müller in die Parteigremien verbannt. Eine öffentliche Debatte sollte vermieden werden – was nicht gelang.“ Schreibt heute der Tagesspiegel. Was für ein Unsinn, ja Falschaussage. Dass die SPD eine öffentliche Debatte vermeiden wollte, ist schlichtweg gelogen. In seinem gestrigen Kommentar bei Radio Eins befasste sich Lorenz Maroldt mit Salehs Zukunft. Ein Drei-Minuten-Werbeblock, in dem Maroldt die Loyalität Salehs gegenüber Müller betonte. Da faulte das Frühstücksei in seinem Becher. Eine „gute Geschichte“ sei es für Berlin, wenn Saleh „nicht heute oder morgen“, aber dann eben doch irgendwann Regierender Bürgermeister werde. Da werden die SPD-Basis und der geneigte Wähler zu befragen sein.

Saleh hat in den letzten Tagen immer wieder betont, dass ihn nur Sachfragen interessieren. Diesen Ein-druck kann man nicht gewinnen. Es hat der SPD mit Sicherheit Stimmen gekostet, dass aus interessierten Kreisen, mit denen Saleh natürlich nichts zu tun hat, kurz vor der Wahl die Frage aufgeworfen wurde, ob er bei einem schlechten Wahlergebnis und dem dar-aus erfolgenden Rücktritt oder Rausschmiss von Müller, Saleh Regierender Bürgermeister werden könnte/sollte. BZ-Kolumnist Gunnar Schupelius hat diese Debatte entzündet, die dann genüsslich durch die Medien rauschte.

Saleh in den Senat

Mir ist bislang nicht so richtig aufgefallen, welche besonderen Leistungen Saleh als Fraktionsvorsitzender vollbracht hat. Nun gut, die Meinung der Parteimitglieder in der Frage der Beitragsfreiheit in den Kitas zu ignorieren. Ich finde, dass es Zeit wird, die fachlichen Qualitäten von Saleh auszutesten. Er sollte Senator werden, am besten Innensenator. Am Ende der Legislaturperiode kann dann Michael Müller entscheiden, ob er in den Ruhestand geht – da dürfte es ja keine Probleme mit dem erforderlichen Mindestzeitraum von fünf Jahren geben – und den Staffelstab an Raes Saleh übergibt.

Es ist ein offenes Geheimnis, das Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel das Zeug hat, Michael Müller eines Tages auf den Chefsessel zu folgen. Und weil das so ist, wird sehr viel unternommen, um am Image des Senators zu kratzen. Wie das läuft, wissen wir ja inzwischen. Alles wird an die Presse weitergeleitet, jede Mail, jeder Vorgang aus dem man einen Skandal basteln könnte.

Saleh unterliegt allerdings einer Fehleinschätzung, wenn er glaubt, Lorenz Maroldt, Lars Petersen und Gunnar Schupelius seien seine Freunde. Wie war das mit dem berühmten Spruch von BILD-Chef Kai Diekmann, in dessen Aufzug man erst nach oben und dann wieder nach unten fährt? Ob irgendein Journalist davon überzeugt ist, dass Saleh der bessere Regierende Bürgermeister wäre, weiß ich nicht. Bestimmte Journalisten haben jedoch viel Freude daran, amtierende Politiker so lange zu demontieren, bis sie in ihre Einzelteile zerfallen, dann den neuen König hochjubeln, um nach einiger Zeit mit ihm das gleiche Spiel von vorn zu beginnen.

Schwere Fehler

Kommen wir noch einmal auf Fehler, die gemacht wurden, zurück. Der Beitrag von Michael Müller auf der Meinungsseite des Tagesspiegels kurz vor der Wahl mit der Rot-Grün-Aussage war ein Fehler. Das steht so auch in der Analyse. Vor allem der SPD hat dies nichts gebracht.

Ein Fehler von Michael Müller nach der Wahl war, nicht bei der Versammlung der Berliner Jusos zu erscheinen. Mit Sicherheit hatte Müller gute Gründe, einen anderen Termin wahrzunehmen. Dennoch: die Stunde hätte man einplanen müssen. Was war die Konsequenz? Die Jusos fragten Raed Saleh und der kam sofort und nutzte die Steilvorlage, um das zu machen, was er am besten kann, nämlich Michael Müller anzuranzen.

„Wenn die Jusos rufen, hat man zu kommen“, be-grüßte Saleh die Junggenossen. Und dann redete er „Tacheles“. Von Selbstkritik war in den Medien wenig zu lesen. Dafür ging Saleh „hart mit der Bundes-SPD ins Gericht. Diese habe ein ‚Glaubwürdigkeitsproblem.‘“ Und: „Der Fraktionschef wandte sich scharf gegen ‚schlaue Kommunikationsberater‘ der SPD, die auf Facebook posten würden, AfD-Wähler nicht für die SPD zurückgewinnen zu wollen.“ Das Thema hatten wir schon. Wer am Ende schlauer ist, wird sich noch zeigen.

Höhepunkt des Auftritts war offensichtlich sein Kampf gegen Lobbyisten. „Er erzählte eine Geschichte, die bisher nur in Hintergrundrunden bekannt war: Nachdem er 2011 als Fraktionschef gewählt worden war, besuchte ihn Chef-Lobbyist Peter Strieder. Der frühere Landesvorsitzende habe ihn ‚versucht zu belehren, dass es zum Beispiel nicht klug wäre, das Stromnetz wieder zurückzukaufen‘. Strieder habe ihm noch gesagt: Sollte er dies oder das nicht machen, werde er schneller seinen Posten verlieren als ihm lieb wäre. ‚Das habe ich mir angehört und gesagt: Peter, Du hast ab sofort fünf Jahre Hausverbot bei mir im Abgeordnetenhaus.‘ Die Jusos applaudierten lautstark.“ Quelle: Tagesspiegel

Ob die Geschichte stimmt, ist nicht belegt. Vielleicht äußert sich Peter Strieder irgendwann zu dem Vor-gang. Selbst wenn sie stimmen würde, zeigt dies eines ganz klar. Vertrauliche Gespräche sind mit Saleh und seinen Leuten nicht möglich. Ich erinnere nur daran, wie sein getreuer Mitstreiter Sven Kohl-meier eine private Mail von mir an den Tagesspiegel weiterleitete.

http://www.paperpress-newsletter.de/pdfs/534_oktober_2016/534.%20D%20-%2005.10.2016%20-%20Die%20Huette%20brennt.pdf

Die SPD hat viele Probleme, etliche sind hausgemacht. Solange es aber keinen Mentalitätswechsel bei Raed Saleh gibt, kommt die SPD in kein ruhiges Fahrwasser.

Ed Koch


  
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