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Es reicht, liebe Türkei

geschrieben von: Redaktion am 12.03.2017, 11:04 Uhr
paperpress539 
Vermutlich wäre das Wahlkampfproblem des türkischen Staatspräsidenten bezüglich seiner geplanten totalen Machtübernahme nicht ganz so groß, wenn es die doppelte Staatsbürgerschaft nicht gäbe, oder? Ich bin strikt dagegen, dass Menschen mit zwei oder mehr Pässen durch die Welt reisen und sich jeweils aussuchen, welchen sie bei der Einreise vorlegen. Man kann auch nicht Katholik sein, eine Kippa tragen und gen Mekka beten.

Eine Umfrage hat allerdings ergeben, dass 56,4 % für die doppelte Staatsbürgerschaft sind, 32 % dagegen, der Rest ist sich nicht sicher. Rund 530.000 von etwa 1,5 Mio. Türken haben auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Warum es für Erdogan so wichtig ist, in Deutschland Wahlkampf zu machen, zeigt, dass am 1. November 2015 59,7 % der 1,4 Mio. Wahlberechtigten die AKP gewählt haben. In der Türkei erreichte die Erdogan-Partei nur knapp über 49 %. Deshalb sind natürlich die deutschen und europäischen Türken für den Wahlentscheid in der Türkei unentbehrlich.

Man muss nicht verstehen, warum Menschen einer Verfassungsänderung zustimmen wollen, die einer Verfassung nach europäischem demokratischem Recht widerspricht. Auch fast ohne unbeschränkt die Türkei als Alleinherrscher in die Diktatur zu führen, macht Erdogan schon jetzt, was er will. Demokratische Grundrechte wie Justiz und Pressefreiheit wer-den systematisch abgeschafft. Jeder, der eine ge-genteilige Meinung vertritt, wird als Terrorist eingestuft und weggesperrt.

Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man ja dar-über lachen, dass ausgerechnet türkische Politiker Deutschland und neuerdings auch die Niederlande mit Nazivergleichen überziehen. Wer mit dem Finger auf andere zeigt und sie als Faschisten bezeichnet, sollte immer nachzählen und dabei feststellen, dass mindestens drei Finger der Hand auf einen selbst gerichtet sind.

Das absolute Einreiseverbot für türkische Regierungsmitglieder in die Niederlande halte ich allerdings für falsch. Sollen sie doch reden, allerdings nur auf ihrem eigenen Grund und Boden, also in Botschaften oder Konsulaten, meinetwegen in Hotels, die sich dafür hergeben, aber auf keinem öffentlichen Platz und in keinem öffentlichen Raum.

Ich würde alle Wahlkampfauftritte türkischer Politiker davon abhängig machen, dass davor oder danach Veranstaltungen der Opposition ermöglicht werden, die gegen das Referendum sind. Was ist das für eine demokratische Grundauffassung, nur eine Meinung zu propagieren?

Dass die Europäische Union weit davon entfernt ist, mit einer Stimme zu sprechen, ist eine Schande. Jeder wurschtelt wieder allein vor sich hin. Federica Mogherini ist die amtierende „Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspoli-tik.“ Ihre Aufgabe wäre es, ein Konzept vorzulegen, wie man mit Wahlkämpfen fremder Staaten in der EU umgeht.

Am 16. April findet die Abstimmung statt. Vier Partei-en sprechen sich für die Verfassungsänderung aus, 19 sind dagegen. Nur vier Parteien sind im Parlament vertreten, Erdogans AKP (islamisch, konservativ) und die MHP (rechtsextremistisch, nationalis-tisch) stellen mit ihren 317/39 Sitzen die Mehrheit und sind für die Verfassungsänderung. Die CHP (sozialdemokratisch) und die HDP (demokratisch-sozialistisch, pro kurdisch) bilden mit 133/59 Sitzen die Minderheit und sind gegen die Änderung der Verfassung. Das aufgeregte verbale Umsichschlagen von Erdogan hängt natürlich damit zusammen, dass er sich keineswegs sicher sein kann, eine Mehrheit für den Weg in die absolute Herrschaft zu bekommen.

Durch die Verfassungsänderungen werden das Amt des Ministerpräsidenten und der Ministerrat als ei-genständige Organe abgeschafft. Die Rechte des Parlaments und des Regierungskabinetts werden beschränkt und auf den Präsidenten übertragen. Der Präsident wird Präsidialverordnungen erlassen können und das Recht haben, das Parlament zu jeder Zeit aufzulösen. Er ernennt die Minister ohne Parlamentsanhörung, wählt seine Stellvertreter selbst und entscheidet persönlich über die Wahl der Universitätsrektoren. Seine Stellvertreter oder Minister können nicht per Misstrauensvotum abgesetzt werden. Gesetzesvorhaben des Parlaments wird der Präsident weiterhin mit einem Veto blockieren können, wobei das Veto vom Parlament nicht mehr mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder, sondern nur mit der Mehrheit der Gesamtzahl der Mitglieder überstimmt werden kann.

An der Stirnseite des türkischen Parlaments steht der Satz von Kemal Atatürk: „Alle Macht geht bindungslos vom Volke aus.“ Hoffen wir, dass das türkische Parlament nicht das gleiche Schicksal erleidet wie das des faschistischen Deutschlands.

Ed Koch

  
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