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geschrieben von: Redaktion am 23.02.2019, 08:07 Uhr
paperpress562
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Das jedenfalls befürchten die CDU-Abgeordneten Christian Gräff und Frank Henkel, wenn Medienberichte zutreffen sollten, „dass der Senat die Rechte an den Berliner Stromnetzen einer eigenen Gesellschaft übertrage will.“ In einer Pressemitteilung heißt es: „In einem hoch regulierten Markt macht es überhaupt keinen Sinn, die Energienetze selbst betreiben zu wollen. Stattdessen sollte, auch um das technische Knowhow zu sichern, eine öffentlich private Partnerschaft gebildet werden, wie es beispielweise in Hamburg gelungen ist. Trotz eines nur 25prozentigen Anteils an der Betreibergesellschaft hat sich hier die Stadt das Recht gesichert, dass gegen die Stimme Hamburgs keine Entscheidung im Kreis der Gesellschafter gefällt werden kann. Warum Berlin nicht auf solche Ideen kommt, sondern sofort zu Lasten der Steuerzahler die Substanzwerte kaufen muss, bleibt ein ideologisches Rätsel. Dazu kommt die tiefe Verunsicherung der Mitarbeiter von Vattenfall.“
Die Berliner Morgenpost hat am 22. Februar online gemeldet: „Stromnetz soll an den Landesbetrieb Berlin Energie fallen“, nachdem tags zuvor paperpress schrieb: „Hinter vorgehaltener Hand wird längst gemunkelt, dass das städtische Unternehmen Berlin Energie den Zuschlag bekommen soll.“
Bereits vor sechs Jahren startete das Verfahren zur Vergabe des Stromnetzes. Über den Verlauf könnte man einen Roman, oder doch besser eine Satire schreiben. Jedenfalls wurde seitdem Jahr für Jahr die Stromnetz Berlin GmbH gebeten, sich weiterhin um das Netz zu kümmern. Und das tat das Tochterunternehmen des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall.
Und das ist das Berliner Netz in Zahlen: (2018)
• Investitionen in Höhe von rund 187 Mio. Euro
• rund 2,35 Mio. Haushalts- und Gewerbekunden
• rund 98% der insgesamt 35.100 km Leitungen sind unterirdisch
• 79 Umspannwerke
• rund 11.000 Netz- und Kundenstationen
• rund 13.552 GWh Strom flossen 2018 durch die Leitungen
• 514 Stromanbieter nutzen das Berliner Stromnetz, das sind zwölf weniger als 2017
• 146,3 Mio. Euro Konzessionsabgabe gingen 2018 an das Land Berlin
• rund 13,7 Minuten war jeder Berliner statistisch gesehen von einem Stromausfall betroffen. Diese Bilanz dürfte durch Fremdverschulden für 2019 schlechter ausfallen.
• rund 1.070.000 Wechselprozess (Einzug, Auszug, Lieferantenabmeldung/-abmeldung wurden verabredet, davon rund 600.000 Lieferantenwechsel.
Die Investitionen steigen 2019 auf 194 Mio. Euro, davon 103 Mio. für den Erhalt und die Modernisierung, 50 Mio. für die Digitalisierung und 41 Mio. für die wachsende Stadt.
Zur bevorstehenden Entscheidung im Vergabeverfahren „sagen weder die Finanzverwaltung noch die Bieter etwas.“, meldet die Berliner Morgenpost. „Jede Äußerung vor der Zeit könnte in dem extrem formalisierten Vergabeverfahren zu einem erhöhten Klagerisiko führen. Nach Informationen der Morgenpost will der Senat das Thema in der Senatssitzung nächste Woche zur Kenntnis nehmen. Entscheiden muss schließlich das Abgeordnetenhaus.“
Wer oder was ist eigentlich „Berlin Energie“? Auf der Internetseite berlinenergie.de heißt es: „Netze zu-rück zur Stadt!“, als lägen sie derzeit auf dem Lande in Brandenburg. „Berlin Energie will die Netze Berlins rekommunalisieren. Kommunale Unternehmen genießen bei Verbrauchern einen guten Ruf. Die Menschen trauen ihnen zu, die richtigen Entscheidungen für eine Daseinsvorsorge zu treffen, die langfristig ausgerichtet ist und dem öffentlichen Gemeinwohl dient.“ Das ist eine kühne Behauptung. Staatskonzerne sind viel zu häufig Abstellgleise für ausgediente Politiker. Das gilt nicht nur für Russland, sondern vor allem auch für die Deutsche Bahn, wo gleich mehrere ehemalige CDU-Politiker gutes Geld verdienen. Wer sich erinnern kann, weiß, dass die BEWAG, das landeseigene Unternehmen vor der Stromnetz Berlin GmbH, ebenso wie die BVG, immer wieder gern eine neue Heimat für SPD-Politiker und Gewerkschafter wurde. Von der Wohnungsbau-gesellschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes „Neu Heimat“, wollen wir in diesem Zusammenhang gar nicht erst sprechen. Nur so viel, es ist über 30 Jahre her, dass der Konzern wegen Misswirtschaft zugrunde ging. Von den 320.000 Wohnungen gingen Teile an einige Bundesländer, „der Rest wurde privatisiert. Heute machen Immobilienkonzerne wie ‚Vonovia‘ oder ‚Deutsche Wohnen‘ das Geschäft.“ Quelle: Deutschlandfunk
„Im März 2012 wurde der Landesbetrieb Berlin Energie gegründet, um die Rekommunalisierung der Energieinfrastruktur im Land Berlin voranzubringen. ‚Berlin Energie‘ hat daher Angebote für eine voll-ständige und damit 100prozentige Rekommunalisierung der Berliner Strom- und Gasnetze abgegeben.“, lesen wir auf der Internetseite. Berlin hat sich also ein Unternehmen eigens für den Zweck ge-schaffen, die Netze zu rekommunalisieren, um die Fehlentscheidung, die Netze zu privatisieren, wie-der rückgängig zu machen. Das Problem dabei ist nur, dass dieses Vorgehen für den Steuerzahler sehr teuer wird. Für das Geld, was Berlin beim Verkauf bekommen hat, wird es das Netz nicht zurückerhalten. Warum macht der Staat eigentlich immer so schlechte Geschäfte zu unseren Lasten.
„Berlin Energie“ behauptet auf seiner Internetseite, dass im November 2013 bei einem Volksentscheid deutlich wurde, „dass die Berliner ihre Energieversorgung in kommunale Hand wünschen.“ In Wahrheit haben rund 600.000 Wahlberechtigte für den Rückkauf gestimmt, was einem prozentualen Anteil von 24,1 Prozent entspricht. „Das nötige Quorum von 25 Prozent Ja-Stimmen aller Wahlberechtigten wurde damit knapp verfehlt. Am Ende fehlten nur gut 21.000 Ja-Stimmen für einen erfolgreichen Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Netze.“ „Auch wenn der Volksentscheid knapp gescheitert ist, zeigt das Ergebnis die hohe Zustimmung der Berliner Bevölkerung an der Rekommunalisierung der Netze“, meint „Berlin Energie“. Das mag sein. Man kann aber nicht bei erfolgreichen Volksentscheiden wie beim Tempelhofer Feld auf die Einhaltung pochen und bei verloren gegangenen rummau-len.
2008 scheiterte der Volksentscheid zum Weiterbetrieb des Flughafens Tempelhof. Klarer als beim Stromnetz, nämlich mit nur 21,7 Prozent, aber auch das waren 521.000 Berliner.
„Berlin Energie“ wirbt mit Versprechungen, die Vattenfall längst erfüllt: „Verantwortung für eine langfristig ausgerichtete Daseinsvorsorge und für die Netzinfrastruktur zu übernehmen“ sowie „zum Gelingen der Energiewende, zur Stadtentwicklung und zum Klima- und Umweltschutz beizutragen.“
Die Vergabe der neuen Konzession erfolgt durch das Land Berlin. Und ein Unternehmen, das bislang nicht mehr als eine teure Hülle ist, wird vermutlich den Zuschlag bekommen. Hatte Vattenfall bei dem Ver-fahren überhaupt eine Chance?
Befassen wir uns weiter mit dem vermutlich neuen Netzbetreiber und seinem Leitbild: „Bei der Energiewende geht es nicht nur um eine Stromwende – wichtig ist das Zusammenspiel vieler einzelner Akteure und technischer Elemente, um das gesteckte Ziel Berlins, bis 2050 klimaneutral zu werden, zu schaffen. Gleichzeitig ist die Energieversorgung ein Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge und sollte nicht nur nach reinen Gewinninteressen aus-gerichtet sein. Preisgünstigkeit ist ein elementarer Baustein für den Erfolg der Energiewende sowie deren Akzeptanz in der Bevölkerung. Neben der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien werden zukünftig vermehrt dezentrale Lösungen, die Reduktion des Energieverbrauchs, ein intelligentes Lastmanagement, die Einbindung von Speichern und die Umwandlung zwischen Energieformen (z.B. von Strom in Gas oder Wärme) eine größere Rolle spie-len. Berlin kann dabei zu einem Vorbild in den Be-reichen Energieinfrastruktur und Energiewirtschaft werden.
Der Landesbetrieb Berlin Energie will der Verteilungsnetzbetreiber der Metropole Berlin werden. Grundvoraussetzung für jeden Netzbetreiber ist die Einhaltung der im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) formulierten Ziele der Sicherheit, Preisgünstigkeit, Verbraucherfreundlichkeit, Effizienz und Umwelt-freundlichkeit. Darüber hinaus wird Berlin Energie die energie- und umweltpolitischen Ziele der Stadt, welche im Berliner Energiewendegesetz (EWG Bln), dem Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) sowie im Abschlussbericht der Enquete-Kommission ‚Neue Energie für Berlin‘ festgeschrieben sind, beachten und umsetzen. Über die Verpflichtung zum vorrangigen Netzanschluss von Erneuerbaren-Energien-Anlagen hinaus, will der Lan-desbetrieb eine Vorreiterrolle als gläserner Netzbetreiber einnehmen: Durch die Veröffentlichung dynamischer Netzdaten fördern wir die verbesserte Integration der Erneuerbaren Energien in die Berliner Netze. Wir werden neuartige Speicher und Energie-Umwandlungstechniken nutzen. Dadurch ermöglichen wir stabile Netzverhältnisse und eine sichere Energieversorgung der Stadt.“
Wenn man das alles liest, stellt sich zwangsläufig die Frage, was die Stromnetz Berlin GmbH bisher ge-macht hat. Etwa nicht die energie- und umweltpolitischen Ziele der Stadt beachten und umsetzen? Es wird so getan, als breche ein neues Zeitalter an, wenn „Berlin Energie“ das Stromnetz übernimmt. Berlin ist mit der Vattenfall-Tochter bisher sehr gut gefahren, auch finanziell. Jedes Jahr 150 Mio. Euro Konzessionsabgabe fürs Nichtstun zu bekommen, ist doch nicht schlecht. „Berlin Energie“ will alle Mitarbeiter der Stromnetz Berlin GmbH übernehmen. Anders wird es wohl kaum möglich sein, wenn alles reibungslos weiterlaufen soll.
Die zentrale Frage bleibt aber nach wie vor, warum das alles? Der Nutzen für die Berliner ist nicht erkennbar. Vattenfall wird sich im Fall der Fälle sein Stromnetz teuer und zum Marktwert abkaufen las-sen. Eines ist so klar wie das berühmte Amen in der Kirche: Der Strompreis wird nicht sinken. Erst, wenn Berlin alles, was in den letzten Jahrzehnten privatisiert wurde, zurückgekauft hat, ist das Ziel erreicht, pleite aber sozialistisch.
Ed Koch
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