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Sommer in Berlin

geschrieben von: Redaktion am 01.07.2019, 09:32 Uhr
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Wer das Privileg hat, nicht in den Ferien verreisen zu müssen, hat zu Hause genauso schönes Wetter wie auf Malle oder Rimini. Es ist mal wieder Zeit, die eigene Stadt zu erkunden, am besten mit dem ÖPNV und nicht mit dem stickigen Auto, und wer den Sommer überleben möchte, auch nicht mit dem Fahrrad oder E-Roller. Die Zwangsgebühren von ARD und ZDF sollten im Juli und August ausgesetzt werden, denn alle interessanten Sendungen machen Sommerpause und im Abendprogramm gibt’s nur Wiederholungen. Nur Vergessliche haben daran Freude.


Die Zeit nutzen, um mal wieder jemand einen Brief oder eine Postkarte zu schreiben, sollte man unterlassen. Ab heute schlägt die Post 10 Cent auf die bisherigen Portokosten drauf, bei der Postkarte sogar 15 Cent, statt 45 jetzt 60. Standardbrief bis 20 Gramm 80 statt 70, Kompaktbrief bis 50 Gramm 95 statt 85, und auch beim Groß- und Maxibrief kommen auf die bisherigen 145 bzw. 260 10 Cent rauf. Wer trotzdem was versenden will und noch alte Bestände hat, darf endlich wieder die Briefmarke hinten lecken, denn die 10-Cent-Marke gibt es nicht selbstklebend. Es ist also sinnvoll, sich über seine Flatrate telefonisch zu verabreden, denn, die persönliche Begegnung ist durch nichts zu ersetzen. Wenn Sie einen Rentner in Ihrem Bekanntenkreis haben, lassen Sie sich von diesem einladen, denn es gibt zum 1. Juli eine satte Erhöhung der Bezüge, wie 2015, 2016, 2017, 2018.

Und wer politisch interessiert ist, findet Spaß an den vielen Sommerinterviews, die derzeit veröffentlicht werden. In diesen, ob Frank-Walter Steinmeier im ZDF, Gesine Schwan im Tagesspiegel, oder Raed Saleh in der Berliner Zeitung und im Tages-spiegel, alle räumen Fehler ein, dies und das nicht rechtzeitig erkannt zu haben. Von der Gefahr von rechts bis zum Klimawandel reicht die Palette der Selbstkritik. Die SPD sei vor heiklen Themen zu-rückgeschreckt, meint Frau Schwan, und sie wirft der SPD-Führung, wen immer sie damit meint, „Mutlosigkeit“ und „ein Sammelsurium an Positio-nen“ vor. Das wird sich ändern, wenn sie eines Tages SPD-Vorsitzende ist, vermutlich ohne Kevin Kühnert an ihrer Seite.

In einem Beitrag für die „Neue Zürcher Zeitung“ gelangt Michael Wolffsohn zu der Erkenntnis, dass „die Sozialdemokratie ihre Aufgabe erfüllt habe.“ In einem sehr lesenswerten ausführlichen Beitrag beschreibt Wolffsohn die Entwicklung der SPD und am Ende fragt man sich, brauchen wir sie noch oder kann sie weg. „Die SPD, die Sozialdemokratie ganz allgemein, hat ihre historische Mission erfüllt, indem sie «die da unten» ohne Blutvergießen nach oben gebracht und Sozialdemokratismus im Sinne über-parteilicher und axiomatischer* Wohlfahrtsstaatlichkeit fest etabliert hat.“ *“Ein Axiom ist ein Satz, der nicht in der Theorie bewiesen werden soll, sondern beweislos vorausgesetzt wird.“ Aha.

Bilanzierend schreibt Wolffsohn: „Die Menschheit verdankt der Sozialdemokratie unendlich viel Menschlichkeit.“ Also ab ins Museum? Die SPD bewegt sich derzeit in Umfragen um die zwölf Prozent. Droht ihr ein Schicksal wie in Frankreich? Dort er-reichte sie bei den Wahlen vor zwei Jahren gerade mal sechs Prozent und stellt nur noch 30 der 577 Mitglieder der Nationalversammlung.

„Braucht die SPD eigentlich mit zwölf Prozent noch einen Kanzlerkandidaten?“, fragt der Tagesspiegel Gesine Schwan. Antwort: „Es gibt gar keinen Grund, diese Frage im Moment zu stellen.“

Berlins größter Gönner, SPD-Fraktionschef Raed Saleh ist bekannt dafür, dass er gern Geschenke macht. Keine Gebühren für Kita und Horte, kosten-loses Schulessen, freie Fahrt für freie Schüler mit dem ÖPNV und jetzt regt er in der Berliner Zeitung an, den Kindern auch den Zutritt zu den Museen kostenlos zu ermöglichen. Alles tolle Sachen, die aber unter dem Strich der SPD in Berlin nichts ge-bracht haben. In dieser Woche wird uns die Berliner Zeitung mit ihrer neuesten Forsa-Umfrage beglücken, Anfang Juni lag die Berliner SPD mit 16% deutlich über dem Bundesschnitt und sogar noch einen Punkt vor der Berliner CDU und einen hinter der Linken. Uneinholbar sind die Grünen mit 26%. Ob sich daran im Laufe des Juni viel geändert haben wird, ist eher unwahrscheinlich.

„Der Mietendeckel ist eine Idee der SPD. Ich glaube, dass die Menschen das auch wissen. Der Mietendeckel – also die Idee der bezahlbaren Stadt für alle ist eine ursozialdemokratische Vision.“, sagt Saleh im Interview mit der Berliner Zeitung. An diesen Satz wird man ihn erinnern, wenn das Gesetz, das es noch gar nicht gibt, scheitern sollte wie die Maut. Der Herausgeber der Zeitschrift „Das Grundeigentum“, Dieter Blümmel, reagiert in scharfen Worten auf den Mietendeckel. In einem Kommentar fragt er sich, welche Bedeutung der 18. Juni 2019 (Beschlussfassung über das Eckpunktepapier zum Mietendeckel durch den Senat) in der Rückschau haben wird. „Wird es der Neustart für eine ‚selbständige politische Einheit Berlin‘ in Anlehnung an von der DDR einst benutzten Begrifflichkeiten? Der Beginn einer ‚Sonderwirtschaftszone Berlin‘, in der Grundgesetz und die Gesetze des Bundes nur eingeschränkt gelten? Oder wird das Datum den Anfang vom Ende der rot-rot-grünen Koalition markieren?“

Blümmel erklärt, dass der Senat einen Mietendeckel gar nicht beschließen darf. Die Gesetzgebungskompetenz für die Mietenregulierung stünde ausschließlich dem Bund zu, so Blümmel, und es gebe „keinen Raum für landesrechtliche Erweiterungen oder Einschränkungen.“ Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt zu dieser Auffassung. Die Aufforderung von „Haus und Grund“, noch vor dem 18. Juni die Mieten zu erhöhen, nennt Blümmel eine „Notwehraktion“. Nicht alle Vermieter sind jedoch dieser Aufforderung gefolgt.

Bei den städtischen Wohnungsgesellschaften ist auch nicht gerade Euphorie ausgebrochen. STADT UND LAND-Chef Ingo Malter beklagte letzte Woche bei seiner Jahrespressekonferenz, dass die Gesellschaf-ten am Eckpunktepapier nicht beteiligt waren. Malter wünscht sich nun „eine konstruktive Zusammen-arbeit aller Akteure in der Phase der Gesetzesfindung.“ „Unter den Bedingungen der Kooperations-vereinbarung hätten wir bis Ende 2019 ca. 3.500 bis 3.800 Mieterhöhungen aussprechen können.“, so Ingo Malter. Das ist nicht erfolgt, was heißt, dass auch den städtischen Geld fehlen wird für Sanierung und Neubau.

Neben dem Mietendeckel ist derzeit das Enteignungsvolksbegehren in der Diskussion. Nach Angaben des Tagesspiegels, der sich auf eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey vom Mai beruft, sprechen sich 46,3 Prozent der Befragten für das laufende Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ aus. „43,9 Prozent der Berliner sind dagegen und 9,8 Prozent unentschieden. Im Januar betrug der Anteil der Befürworter 54,8 Prozent und der Gegner 34,3 Prozent. 10,9 Prozent der Befragten hatten keine Meinung.“

Zu den zehn Prozent Unentschiedenen gehört auch die SPD. „Die Berliner SPD hat noch immer keine Haltung zur Enteignungsfrage. Auf dem letzten Parteitag im März hat man den Punkt vertagt. Wird die SPD im Oktober auf dem nächsten Parteitag dazu Stellung nehmen?“, fragt die Berliner Zeitung Raed Saleh. „Davon gehe ich aus. Aber es wird darüber ganz sicher leidenschaftlich diskutiert werden. Ich persönlich halte nichts von der Maximalforderung, wie sie die Volksinitiative … vertritt. Aber ich bin auch nicht grundsätzlich gegen Enteignungen. Das Grundgesetz erlaubt dieses Instrument. Daher müssen wir darüber sprechen, was möglich ist und wo Enteignungen ihre Rechtefertigung finden. Nicht jeder Vermieter, der 3.000 Wohnungen im Bestand hat, handelt sozial ungerecht. Daher halte ich die Forderungen der Volksinitiative für überzogen, nicht praktikabel und auch juristisch fragwürdig. Aber darüber müssen wir sprechen.“ Ja, bitte. Linke und Grüne haben sich bereits festgelegt, sie sind für den Enteignungsprozess, sogar die Wirtschaftssenatorin Ramona Pop ist dafür, auch wenn sie „nur“ einen entsprechenden Antrag für den Parteitag unter-schrieben hat und bei der Abstimmung dann fehlte. So macht man Politik. Man darf wirklich gespannt sein, worauf sich die SPD verständigt. Letztlich spielt es schon fast keine Rolle mehr, so wie die K-Frage.

Raed Saleh spricht sich in dem Interview mit der Berliner Zeitung für Franziska Giffey in der V-Frage aus: „Wenn Frau Giffey für den SPD-Vorsitz ihren Hut in den Ring schmeißt, dann hat sie meine volle Unterstützung.“ In den Ring schmeißt, das klingt ja vielleicht martialisch. Eine Dame wirft und schmeißt nicht, lieber Raed, es sei denn, sie will jemand mit ihrem Hut aus dem Ring kicken.

Auch im Tagesspiegel-Interview findet Saleh loben-de Worte für Franziska Giffey. „Franziska Giffey zeichnet aus, dass sie eigene Ideen entwickelt – und dann auch vertritt. Sie dackelt nicht irgendwelchen Trends hinterher, sie steht zu ihren Positionen, auch wenn das in der SPD manchmal hart ist… Sie ist nah bei den Leuten, versöhnlich, charismatisch und authentisch…Ich kann dazu nur sagen: sie ist ein großes Talent.“

Und zu dem anderen Talent Kevin Kühnert sagt Saleh dem Tagesspiegel: „Ich mag ihn, weil er den Finger immer wieder in die Wunde legt. Er warnte die SPD 2013 und 2017, in die Große Koalition zu gehen. So wie ich auch. Kevin Kühnert ist umtriebig und mutig und sagt was er denkt. Er wird in der Bundespartei auch künftig eine große Rolle spielen.“

Von einer Doppelspitze hält Saleh bekanntermaßen nicht viel. Geteilte Macht und eben halbe Macht. „Ich warne dringend davor, jetzt ständig die Grünen imitieren zu wollen, die mit ihrer Doppelspitze (wie auch die Linken) lange Zeit nicht glücklich waren.“

Was noch? „Das Thema Ökologie haben wir leider verschlafen. Jetzt müssen wir die junge Generation davon überzeugen, dass die SPD auch für die Welt von Morgen und Übermorgen steht.“ Selbstkritik kann nützlich sein, ist aber kein Konzept. Die offene Psychiatrie lässt grüßen.

Ed Koch

  
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