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"Ungenutzte Potenziale - Zur Lage der Integration in Deutschland"

geschrieben von: Redaktion am 06.02.2009, 15:43 Uhr
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Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung hat unter diesem Titel eine viel beachtete Studie herausgegeben. Diese wurde von Interessensverbänden der Zuwanderer sofort in Frage gestellt, weil sich die Daten auf 2005 beziehen. Was aber, so darf man fragen, hat sich grundlegend zwischen 2005 und 2009 verändert? Wohl wenig, was die Aussagekraft der Studie schmälern könnte. Die Einwandererorganisationen, und vor allem deren Personal, leben recht gut von den Integrationsbemühungen, ob erfolgreich oder nicht. Wie groß ist das Interesse, die Integration zu vollenden? Man würde sich damit überflüssig machen und wer will das schon? Und so gibt es viel Folklore statt Integration.
Die 90 Seiten starke Dokumentation kann herunter geladen werden unter www.berlin-institut.org. Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung ist nach eigenen Angaben ein unabhängiger „Think Tank“, der sich mit Fragen globaler demografischer Veränderungen und der Entwicklungspolitik beschäftigt. Das Institut wurde 2000 als gemeinnützige Stiftung gegründet und hat die Aufgabe, das Bewusstsein für den demografischen Wandel zu schärfen, nachhaltige Entwicklung zu fördern, neue Ideen in die Politik einzubringen und Konzepte zur Lösung demografischer und entwicklungspolitischer Probleme zu erarbeiten. Das Berlin-Institut erstellt Studien, Diskussions- und Hintergrundpapiere, bereitet wissenschaftliche Informationen für den politischen Entscheidungsprozess auf und betreibt ein Online-Handbuch zum Thema Bevölkerung. Das Berlin-Institut finanziert sich über Projektzuwendungen, Spenden und Forschungsaufträge. Das Institut ist als gemeinnützig anerkannt und erhält keinerlei öffentliche Grundförderung.

Nachfolgend dokumentieren wir einige Auszüge aus der Studie.

Das Vorwort

Dr. Reiner Klingholz, der Direktor des Berlin-Instituts, schreibt einleitend: „Moscheenstreit, Ausländerkriminalität, illegale Zuwanderung, Ehrenmord, Zwangsheirat, Kopftuchverbot – das sind Schlagworte, die sich in der Debatte um die gelungene oder missglückte Aufnahme von Zugewanderten oft in den Vordergrund drängen. Auch wenn diese Reizbegriffe nicht das objektive Bild der Integration in Deutschland zeichnen: Sie sind doch untrügliches Indiz dafür, dass einiges schief gelaufen ist bei der Eingliederung der mittlerweile rund 15 Millionen Menschen aus anderen Ländern und deren Nachkommen der zweiten und dritten Generation. Die Zuwanderung, die wirtschaftlich lange gewollt war, deren Notwendigkeit aber politisch über Jahrzehnte nicht verteidigt wurde, zeigt längst unerwünschte Nebeneffekte. Eine unzureichende Integration verursacht brisante Probleme, deren Folgen die Gesellschaft lange ausgeblendet hat.

Im Fokus stehen dabei nicht jene Millionen von Migranten, die einer Arbeit nachgehen, ihre Kinder zur Schule schicken und brave Steuerzahler sind. Diese Menschen sind – ob mit oder ohne deutschen Pass – längst normale Bürger des Landes geworden, also tragender Teil der Gesellschaft wie die meisten Einheimischen auch. Es geht vielmehr um jene, die offenkundig (noch) nicht in der neuen Heimat angekommen sind. Oft sind sie schlecht ausgebildet, ohne Glauben an die Zukunft, auf dem Weg in Parallelgesellschaften und im schlimmsten Fall der Gemeinschaft gegenüber feindlich gesonnen. Und es geht um jene, die aus (religiöser) Überzeugung an Werten und Vorstellungen festhalten, die nicht mit den Grundlagen der hiesigen Gesellschaft zu vereinbaren sind.

Noch vor wenigen Jahren standen sich in der Integrationsdebatte – wenn sie denn geführt wurde – zwei Fronten gegenüber. Auf der einen Seite diejenigen, welche die Notwendigkeit von Integration schlicht verleugneten und die Tatsache ignorierten, dass Deutschland längst zum Einwanderungsland geworden ist. Auf der anderen Seite diejenigen, die zwar die Bedeutung der Zuwanderung nach Deutschland wahrnahmen, aber glaubten, durch falsch verstandene Multikulti-Toleranz sämtliche Hürden des Zusammenlebens von Zugewanderten und Einheimischen zu überwinden. Wirkliche Integration wurde von keiner Seite gefordert oder gefördert. Die Vision einer multikulturellen Gesellschaft, in der jede Herkunftsgruppe unbeeinflusst ihre Eigenart ausleben sollte, ließ echte Integration nie zu, sondern stärkte das Leben in jenen Parallelgesellschaften, in denen sich die Unterschichten der Großstädte konzentrieren. Aber auch die jahrelange Verweigerung, Bleibewilligen die Staatsbürgerschaft anzubieten, unterband ein konstruktives Miteinander. Das „Rückkehrförderungsgesetz“ der 1980er Jahre etwa, das finanzielle Anreize zur Heimkehr der Migranten setzen sollte, sprach nur diejenigen an, die ohnehin vorhatten, das Land zu verlassen. Integrationswillige wurden dadurch vor den Kopf gestoßen. Die Politik versäumte also, gerade jenen mit gezielten Integrationsmaßnahmen zu begegnen, die sich längst mit ihren Familien niedergelassen und in Deutschland ihren Lebensmittelpunkt aufgebaut hatten.

Fast 20 Prozent der heute in Deutschland lebenden Menschen haben einen Migrationshintergrund. Diese Personen bekommen ein Drittel aller Kinder, die hier geboren werden. Sie bilden also schon heute keine kleine Minderheit, sondern gestalten ganz wesentlich unser aller Zukunft mit. In manchen Städten oder Quartieren stammen bereits jetzt schon zwei Drittel aller unter Fünfjährigen aus Migrantenfamilien. Im Jahre 2050 dürfte mindestens ein Drittel aller Menschen unter 30 einen Migrationshintergrund haben.

Allein aus ökonomischer Sicht bleibt unserem Gemeinwesen kaum eine andere Wahl, als diese Menschen besser zu integrieren. Denn die demografische Entwicklung – immer mehr ältere Rentenempfänger bei einer sinkenden Zahl junger Menschen, die ins Erwerbsleben einsteigen können und die notwendigen Rentenzahlungen erwirtschaften – zwingt dazu, alle potenziell fähigen Köpfe bestmöglich auszubilden und volkswirtschaftlich zu nutzen. Nur so lässt sich auch der Weg bereiten für weitere Zuwanderung, die das Land braucht, weil es wegen der niedrigen Kinderzahlen auf qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen ist, um seine Produktivität zu sichern.

Auf politischer Ebene hat in den vergangenen Jahren ein vorsichtiger Paradigmenwechsel stattgefunden. Nach dem Regierungswechsel zu Rot-Grün im Jahr 1998 trat ein überfälliges Staatsbürgerschaftsrecht in Kraft, das die Einbürgerung erleichtert und hier geborenen Kindern einen deutschen Pass zusichert, sofern ein Elternteil seit mindestens acht Jahren legal in Deutschland lebt. Eine unabhängige Kommission kam 2001 zwar zu der Überzeugung, Deutschland brauche Zuwanderung, um die demografisch bedingten Engpässe auf dem Arbeitsmarkt zu kompensieren. Doch konkrete Maßnahmen, diese Zuwanderung über ein neues Gesetz zu organisieren, blieben zunächst aus. Erst seit 2005 erleichtert ein neues Gesetz hoch Qualifizierten und ausländischen Studierenden eine dauerhafte Niederlassung. Zudem wurde erstmals die Förderung der Integration gesetzlich verankert. Zuwanderer sind seither verpflichtet, an Integrationskursen teilzunehmen, die ihnen Grundkenntnisse über den deutschen Staat, über das hier geltende Recht und vor allem der deutschen Sprache vermitteln. Gleichzeitig jedoch können nach dem neuen Zuwanderungsgesetz Menschen schneller abgeschoben werden, wenn gegen sie ein Verdacht auf Gefährdung der inneren Sicherheit vorliegt.

Die Gesellschaft hat spätestens seit den Integrationsgipfeln und der Islamkonferenz Einigkeit darüber erzielt, dass sich die Situation der in Deutschland lebenden Migranten verbessern muss. In einem „Nationalen Integrationsplan“ haben sich Bund, Länder und Kommunen sowie Vertreter der Bürgergesellschaft und vieler Migrantengruppen auf eine nachhaltige Integrationspolitik verständigt. Auslöser für diese neue Einigkeit waren unter anderem die ernüchternden Pisa-Ergebnisse, die dem deutschen Bildungssystem bescheinigten, wie sehr Bildungserfolg mit der Herkunft und dem familiären Bildungshintergrund zusammenhängt. Kinder aus Migrantenfamilien, aber auch aus den so genannten bildungsfernen Schichten, haben kaum eine Möglichkeit, ihr Milieu zu verlassen.

Die Einsicht, dass es notwendig ist, Menschen besser zu integrieren, ist also inzwischen vorhanden. Handeln ja – aber wie? Die Wissenslücken sind nach wie vor gewaltig. Bis vor kurzem vermochte niemand zu sagen, wie viele Menschen mit Migrationshintergrund überhaupt in Deutschland leben. Die offizielle Statistik unterscheidet bis heute nur nach der Staatsbürgerschaft und berücksichtigt nicht, dass sich viele Menschen mit Migrationshintergrund einbürgern lassen oder inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft mit der Geburt erhalten können.

Wer wie gut in Deutschland angekommen ist, wo die gut Integrierten leben und wer die Abgehängten sind, ließ sich mit den Daten, die in Deutschland bisher zur Verfügung standen, nicht beantworten. Eine vorurteilsfreie Diskussion war darum bislang kaum möglich. Nicht einmal die Kriterien für ein gelungenes Zusammenleben von Einheimischen und Migranten ließen sich sicher bestimmen. Die vorliegende Studie trägt dazu bei, mehr Klarheit in dieses Dunkel zu bringen. Denn nur, wenn wir wissen, wer bei der Integration auf welche spezifischen Schwierigkeiten stößt, lassen sich auch konkrete Schritte unternehmen. Pauschal über die Integrationsprobleme „der Ausländer“ zu sprechen, führt nicht weiter, eine differenzierende Betrachtung der Migranten ist notwendig. Die Frage der vorliegenden Untersuchung lautet daher: Welche Gruppen von Zugewanderten sind wo, in welchem Ausmaß und auf welche Weise integriert, und warum ist das so?

Um darauf eine Antwort zu geben, hat das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung zum ersten Mal in der deutschen Integrationsforschung auf Grundlage der jüngst verfügbaren Mikrozensusdaten einen statistischen Index entwickelt – den „Index zur Messung der Integration“ (IMI). Mit seiner Hilfe lässt sich bewerten, wie gut bestimmte Migrantengruppen inzwischen in der einheimischen
Gesellschaft angekommen sind. Und es lassen sich Erfolge und Schwachpunkte der bestehenden Zuwanderung herausfiltern. Denn Migrant ist nicht gleich Migrant. Jeder bringt bei seiner Ankunft in Deutschland andere Voraussetzungen mit und hat folglich andere Startchancen. Ein Sprössling aus einer iranischen Akademikerfamilie verfügt über ein anderes Umfeld als ein Bauernkind aus dem Tschad oder Ostanatolien. Manche Migranten brauchen daher die volle Unterstützung der deutschen Gesellschaft, andere kommen auch gut ohne gesonderte Hilfe klar. Aber alle sollten möglichst schnell vollwertige Mitglieder der Gemeinschaft werden können.

Der IMI ist dazu konzipiert, bestehende Schwierigkeiten in der bisherigen Zuwanderungssituation offen zu legen und besonders problematische Gruppen zu identifizieren. Gleichwohl ist es nicht das Ziel dieses Reports, jene bloßzustellen, die schlecht integriert sind. Es gilt vielmehr, spezifische Mängel zu beschreiben, damit gerade denen Hilfe zukommen kann, deren Situation als verfahren erscheint. Dabei steht auch die deutsche Mehrheitsgesellschaft in der Pflicht, allen Migranten die Integration zu erleichtern. Wie alle Vergleiche und Bewertungssysteme verfolgt diese Analyse das Ziel, von Erfolgen zu lernen und Fehler künftig zu vermeiden. Denn am Gelingen oder Scheitern der Integration zeigt sich, ob sich die Deutschen der Bedeutung einer vielfältigen Gesellschaft in der globalisierten Welt bewusst sind und ob sie deren Vorteil zu nutzen verstehen“

15 Millionen Menschen aus anderen
Ländern leben in Deutschland

In Deutschland leben rund 15 Millionen Menschen aus anderen Ländern beziehungsweise deren hier geborene Nachkommen. Fast 20 Prozent aller Einwohner haben damit einen so genannten Migrationshintergrund. Sie machen Deutschland zur europäischen Nation mit den meisten Zugewanderten. Weil die Kinderzahlen unter Migranten höher sind als die der einheimischen Deutschen, wächst der Anteil dieser Gruppe, selbst wenn es fortan keine weitere Zuwanderung gäbe. Ein großer Teil der Migranten ist nach öffentlicher und politischer Vorstellung unzureichend integriert – eine Vermutung, die diese Studie bestätigt. Zugewanderte sind im Durchschnitt schlechter gebildet, häufiger arbeitslos und nehmen weniger am öffentlichen Leben teil als die Einheimischen. Bisher gibt es eine Reihe von Untersuchungen, die sich mit den Defiziten, aber auch mit Erfolgsgeschichten der Integration beschäftigen. Meistens wird dabei allerdings die Gruppe der Ausländer betrachtet, also jene über sieben Millionen Personen, die nicht über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügen. Mittlerweile besitzt aber eine gleich große Gruppe von Migranten einen deutschen Pass – ohne dass sich dadurch zwingend die Integrationsprobleme aufgelöst haben. Erst mithilfe der neuesten zugänglichen Daten des Mikrozensus, einer jährlichen Stichprobenerhebung von einem Prozent aller Haushalte in Deutschland, bei der 2005 zum ersten Mal nach der nationalen Herkunft gefragt wurde, lassen sich spezifische Aussagen zu den sozioökonomischen Eigenschaften der gesamten
Gruppe von Migranten machen.

Das Berlin-Institut für hat diese Daten erstmals für acht einzelne Herkunftsgruppen ausgewertet. Denn es ist bekannt, dass Migranten verschiedener Herkunftsländer und Einwanderungswellen ganz unterschiedliche Startbedingungen in Deutschland hatten: Ob sie als Gastarbeiter oder Asylanten, als Aussiedler oder hoch qualifizierte Wirtschaftsmigranten kamen, bestimmt ganz wesentlich ihren sozialen Status und teilweise den Bildungsstand. Und diese Bedingungen wiederum wirken sich massiv auf die Qualität der Integration aus.
Was heißt „Migrationshintergrund“?

Die lange Zeit übliche Aufteilung der in Deutschland wohnenden Bevölkerung in „Deutsche“ und „Ausländer“ reicht immer weniger aus, um die Lebenswirklichkeit zu beschreiben. Viele Kinder von Einwanderern sind in Deutschland geboren und besitzen von Geburt an einen deutschen Pass. Andere haben nach längerem Aufenthalt hierzulande die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Sie unterscheiden sich auf dem Papier nicht von „klassischen“ Deutschen, werden aber aufgrund ihres Aussehens häufig nach wie vor als Ausländer taxiert. Ein deutscher Pass beseitigt also nicht automatisch alle Integrationsprobleme.

Um die Ausländer, die eingebürgerten Migranten sowie die zweite und dritte Generation gemeinsam zu betrachten*, ist heute weniger von „Ausländern“ als vielmehr von der gesamten Gruppe der „Menschen mit Migrationshintergrund“ die Rede. Für wie viele Generationen man noch von einem Migrationshintergrund spricht, ist letztlich eine Definitionsfrage. Sinn und Zweck von Integration ist es allerdings, dass die familiäre Zuwanderungsgeschichte irgendwann keine Rolle mehr für ein erfolgreiches Leben in der Gesellschaft spielt. Solange es jedoch deutliche soziale und ökonomische Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund gibt, ist es sinnvoll, diese Gruppen getrennt zu untersuchen. Nur so lassen sich Defizite erkennen, Programme zu deren Behebung erarbeiten und gegebenenfalls Benachteiligungen abstellen. In dieser Studie werden die Menschen mit Migrationshintergrund auch als Migranten oder Zugewanderte, Menschen ohne Migrationshintergrund als Einheimische bezeichnet.

Was heißt überhaupt
„erfolgreiche Integration“?

Integration lässt sich allgemein als ein gegenseitiger Prozess der Angleichung zwischen Menschen mit Migrationshintergrund und der schon ansässige Bevölkerung beschreiben. Dieser Prozess muss mit einer Öffnung der Aufnahmegesellschaft sowie dem Integrationswillen der Migranten einhergehen. Annäherungen sind dabei vor allem beim rechtlichen und sozialen Status, dem Bildungsstand, der Erwerbsbeteiligung, dem Einkommen und dem gesellschaftlichen Engagement anzustreben.

Was die Aufnahmegesellschaft bieten muss

• rechtliche Gleichstellung
• gleichberechtigter Zugang zum Arbeitsmarkt
• Förderung von Bildung und Ausbildung
• Anerkennung von Bildungsabschlüssen
• Toleranz gegenüber Ungewohntem
• Respekt gegenüber Pluralität innerhalb einer demokratischen Gesellschaft

Welche Merkmale als wesentlich betrachtet werden, ist eine Frage des politischen, wissenschaftlichen oder gesellschaftlichen Integrationskonzeptes. Es gibt somit keine einheitliche Definition von erfolgreicher Integration. Einige Wissenschaftler setzen Integration mit Assimilation gleich, in dieser Studie verstanden als vollständiges Aufgehen einer Gruppe in der Aufnahmegesellschaft. Andere Wissenschaftler haben eher die Vorteile der Vielfalt vor Augen und sprechen schon von Integration, wenn Zugewanderte nicht negativ auffallen. Aber Integration ist kein gradliniger Prozess. Typisch ist, dass sich Migranten in einige Bereiche der Gesellschaft schneller einfinden als in andere. Vertreter dieser Perspektive sprechen von Inklusion in verschiedene Teilbereiche, zum Beispiel in das Bildungswesen, auf den Arbeitsmarkt oder in das politische System. Integration kann also durchaus in einem Bereich gelingen, während sie in einem anderen missglückt.

Wo Migranten gefordert sind

• Lernbereitschaft
• Sprache beherrschen
• Wille zur ökonomischen Eigenständigkeit
• Rechtsordnung akzeptieren
• Flexibilität
• kulturelle und soziale Normen respektieren

Die Politik ist sich mittlerweile weitgehend einig, dass die Verantwortung für eine gelungene Integration sowohl bei den Zugewanderten als auch bei der Aufnahmegesellschaft liegt. Die Bundesregierung hat sich daher auf ein sehr umfassendes, aber auch sehr allgemeines Konzept von Integration geeinigt:

„Integration ist ein langfristiger Prozess. Sein Ziel ist es, alle Menschen, die dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland leben, in die Gesellschaft einzubeziehen. Zuwanderern soll eine umfassende und gleichberechtigte Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen ermöglicht werden. Sie stehen dafür in der Pflicht, Deutsch zu lernen sowie die Verfassung und die Gesetze zu kennen, zu respektieren und zu befolgen.“

Integration bedeutet nach dieser Lesart Gleichberechtigung und Chancengleichheit für alle in Deutschland lebenden Menschen – ganz unabhängig davon, ob sie einen Migrationshintergrund haben oder nicht. Niemand soll demnach aufgrund seiner Herkunft, Staatsangehörigkeit oder Religion vom sozialen Leben ausgeschlossen oder wirtschaftlich benachteiligt werden. Die aufnehmende Gesellschaft soll einem Migranten damit nicht nur die freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Leben seiner kulturellen und religiösen Traditionen ohne Diskriminierung ermöglichen, sofern diese im Einklang mit dem geltenden Recht stehen. Sie hat auch die Verantwortung, dem Zugewanderten aktive Hilfe anzubieten, um den Zugang zur deutschen Gesellschaft, zu Bildung und zum Arbeitsmarkt zu erleichtern.

Migranten stehen in der
Verantwortung

Im Gegenzug stehen die Migranten in der Verantwortung, sich der deutschen Gesellschaft gegenüber offen zu zeigen und Förderungsmöglichkeiten wahrzunehmen. Sie sollen sich mit deren kulturellen Gepflogenheiten vertraut machen und möglichst aktiv am sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben teilnehmen. Sprachkenntnisse sowie Achtung des geltenden Rechts sind dabei
unentbehrlich. Mit anderen Worten: Jede und jeder erhält seine Chancen – aber diese zu nutzen, liegt in der Verantwortung und in der Pflicht der und des Einzelnen.

Die Studie betrachtet acht Zuwanderergruppen: Aussiedler, Türkei, Länder der EU-25, Südeuropa, ehemaliges Jugoslawien, Ferner Osten, Naher Osten und Afrika.

Acht Herkunftsgruppen untersucht

Wie steht es um die Integration der acht in der Studie vorgestellten Herkunftsgruppen? Wie lässt sich ihre Entwicklung im Bildungsbereich oder auf dem Arbeitsmarkt vergleichen? Und wie gut integriert sind die Migranten in den verschiedenen Bundesländern? Lassen sich Gemeinsamkeiten oder Unterschiede feststellen?

Das Berlin-Institut hat zum ersten Mal überhaupt einen integrationsbezogenen Index entwickelt und auf die Daten des Mikrozensus angewandt. Anders als alle anderen früheren Bewertungsverfahren erlaubt dieser „Index zur Messung von Integration“ (IMI), die Integrationssituation der hier gebildeten Herkunftsgruppen in hoher Auflösung zu messen, zu analysieren und zu bewerten. Für den IMI hat das Berlin-Institut aus den Daten des Mikrozensus 15 Indikatoren gewonnen. Zwei dieser Indikatoren beschreiben die jeweilige Assimilation mit den Einheimischen, vier beschreiben die Bildungssituation, sieben die Beteiligung am Erwerbsleben und zwei die finanzielle Absicherung. Je ein Indikator aus den Bereichen Bildung und Erwerbsleben wurde explizit für Jugendliche ausgewertet.

Die Ergebnisse der Integrationsbewertung für die einzelnen Herkunftsgruppen zeigen ein komplexes Mosaik von Erfolgsgeschichten und ungelösten Problemen. Zunächst: Was Integration erleichtert und Menschen in Deutschland ankommen lässt, hat sehr viel mit den jeweiligen Umständen und historischen Rahmenbedingungen der Zuwanderung zu tun. Diese Ausgangsituation wird von einer Reihe weiterer Faktoren geprägt: etwa von den Erfahrungen und dem Ausbildungsstand der ersten Zuwanderergeneration, der Aufenthaltsdauer, dem sich allmählich organisierenden sozialen Netzwerk der Neuankömmlinge sowie dem Zugang zur rechtlichen Gleichstellung, also vor allem der Möglichkeit, zumindest auf dem Papier Deutscher zu werden.

Bei vielen Indikatoren schneidet die Herkunftsgruppe der Weiteren Länder der EU-25 ebenso gut oder besser ab als die einheimische Vergleichsgruppe. Diesen Personen ist die Integration in weiten Teilen ohne nennenswerte Schwierigkeiten gelungen. Ein anderes Bild zeichnen hingegen die Werte der Türkischstämmigen, denen es sichtlich schwer fällt, den Anschluss zu den anderen Gruppen nicht zu verlieren. Beinahe ebenso große Schwierigkeiten haben die Menschen mit Migrationshintergrund aus dem ehemaligen Jugoslawien, vor allem in der Bildung.

Den Afrikanischstämmigen macht besonders der Arbeitsmarkt zu schaffen. Unter den Menschen aus dem Fernen und Nahen Osten sind dagegen sehr viele hoch Qualifizierte. Dennoch haben sie Probleme, vor allem auf dem Arbeitsmarkt. Keine Gruppe weist derart auseinanderstrebende Ergebnisse auf wie die Gruppe aus dem Nahen Osten: Dort finden sich die höchste Arbeitslosenquote und gleichzeitig die größte Zahl an Akademikern.

Dabei sind die jeweiligen Gründe für gelungene oder missglückte Integration in jeder Herkunftsgruppe ganz spezifisch zusammengesetzt. Der Vergleich solcher Mosaike bietet für die Analyse der Integrationsschwierigkeiten eine große Chance. Aus der Gegenüberstellung der Gruppen ergibt sich ein Strukturbild zentraler Integrationskriterien, die erfüllt sein müssen, damit ein Mensch sich als vollständiges Mitglied der deutschen Gesellschaft fühlen kann. Diese Kriterien müssen herausgearbeitet werden, um integrationsfördernde Maßnahmen zu identifizieren. So zeigt sich etwa, dass gut gebildete Migranten aus den fernöstlichen Ländern deutlich leichter mit den Hürden des Arbeitsmarktes zurechtkommen als die Mehrheit der türkischen Zuwanderer. Herkunftsgruppen mit einem hohen geschätzten Anteil an Asylbewerbern, wie etwa die afrikanischen oder nahöstlichen Migranten, können ihr teils gutes Bildungsniveau wiederum wenig auf dem Arbeitsmarkt nutzen. Unsicherheit über ihre Aufenthaltsdauer, schwieriger Zugang zur Arbeitserlaubnis sowie bei den Einheimischen eine vermutlich verbreitete Befangenheit gegenüber den Herkunftskulturen machen diesen Migranten die Jobsuche besonders schwer.

Kulturelle Vielfalt

Kulturelle Vielfalt wird zunehmend als Bereicherung und Standortvorteil einer Gesellschaft angesehen. Vielfalt kann aber nur fruchten, wenn Möglichkeiten zum Kontakt und Austausch zwischen den einzelnen Kulturen bestehen. Als Indikatoren für diese Annäherung beziehungsweise Assimilation dienen die Anteile der deutschen Staatsbürger und der bikulturellen Ehen in den jeweiligen Migrantengruppen. Wie wichtig diese Dimensionen für die Integration sind, zeigt etwa eine Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), die nachweist, dass eine Einbürgerung in den meisten Fällen direkte positive Folgen für den individuellen wirtschaftlichen Erfolg von Migranten hat.

In der Hamburger Studie wurden Zugewanderte mit und ohne deutsche Staatsbürgerschaft miteinander verglichen, die aus unterschiedlichen sozialen Schichten stammen und unterschiedlichen Bildungsniveaus angehören. Ein Ergebnis: Schon ein Jahr nach dem Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft erzielen Eingebürgerte höhere Gehälter als nicht eingebürgerte Personen der untersuchten Vergleichsgruppe. Die Studie belegt, dass die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft Migranten den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert. Sie zeigt auch, dass ein solcher Schritt die Motivation fördert, in die eigene Zukunft in Deutschland zu investieren. Gerade von Arbeitgebern wird eine Einbürgerung als positives Signal verstanden und entsprechend bei der Auswahl von Bewerbern honoriert.

Keine rundum geglückte Integration

Betrachtet man die Integrationsleistungen der einzelnen Herkunftsgruppen, so lässt sich für keine eine rundum geglückte Integration feststellen. Jede Gruppe hat ihre Stärken und Schwächen, die auf den jeweiligen Zuwanderungsgeschichten ihrer Migranten und ihren individuellen Eigenschaften beruhen. So kamen etwa aus Südeuropa vielfach gering qualifizierte Gastarbeiter. Die damals entstandenen Netzwerke scheinen es Angehörigen dieser Gruppe zu erleichtern, sich einigermaßen erfolgreich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten. Dagegen trafen aus dem Nahen und Fernen Osten viele hoch qualifizierte Zuwanderer ein, denen es bis heute Schwierigkeiten bereitet, auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen: Viele von ihnen besitzen als Asylbewerber keine Arbeitserlaubnis.

WER INTEGRIERT WIE GUT?

Sind Migranten in bestimmten Bundesländern und in bestimmten Städten besser integriert als in anderen? Und wenn ja, was zeichnet diese Orte aus? Gewiss hängt der Erfolg der Integration überwiegend von der Arbeitsmarktlage und vom Bildungsstand der Zugewanderten ab. Darüber hinaus spielt aber auch die Schulpolitik eine entscheidende Rolle, genauso wie regionale Integrationskonzepte, die sich von Land zu Land und von Kommune zu Kommune unterscheiden können.

Die 16 Bundesländer wurden in 10 Kapitel zusammengefasst. Hessen liegt auf Platz 1 vor Hamburg, gefolgt von der Zusammenfassung der neuen Bundesländer ohne Berlin, dann folgen Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, Berlin, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen und als Schlusslicht Saarland.

Über Berlin berichtet die Studie:

Die Bundeshauptstadt, von deren Bevölkerung 23 Prozent einen Migrationshintergrund besitzen, ist in mehrfacher Hinsicht ein Sonderfall: Auf der einen Seite leben nirgendwo sonst so viele gering qualifizierte Migranten, auf der anderen Seite gibt es hier auch eine Bildungselite. Dramatisch ist die Situation im Hinblick auf gering gebildete Migranten: 18 Prozent, also fast ein Fünftel, verfügen weder über einen schulischen noch über einen beruflichen Abschluss. Die Erwerbslosenquote der Migranten ist nach jener der neuen Bundesländer die zweithöchste, sie erreicht bedrückende 31 Prozent. Allerdings liegt diese Ziffer mit 16 Prozent auch bei den einheimischen Berlinern sehr hoch. Diese bedenklichen Werte hängen erstens mit der speziellen Zuwanderungsgeschichte Berlins zusammen: Mit 24 Prozent ist der Anteil türkischer Zugewanderter wie in Nordrhein-Westfalen bundesweit am höchsten, während der Aussiedleranteil mit nur 14 Prozent am niedrigsten ist. Da türkische Migranten die schlechtesten Integrationsergebnisse vorweisen, wirkt sich dies zwangsläufig auf die Integrationsbewertung von Berlin aus.

Zweitens tragen auch der noch immer nicht vollendete wirtschaftliche Strukturwandel und die insgesamt schlechte wirtschaftliche Entwicklung der Hauptstadt zu der düsteren Bilanz bei. Nach der Wende brachen mehr als hunderttausend vielfach subventionierte Industriearbeitsplätze weg, die einst viele türkische Gastarbeiter angezogen hatten. Das ist ein Grund dafür, dass über 26 Prozent aller Berliner Migranten von öffentlichen Leistungen abhängen. Aber auch die Einheimischen hängen dreieinhalb Mal so häufig an öffentlichen Leistungen wie in Bayern oder Baden-Württemberg, die bei diesem Indikator am besten dastehen. Neben den gering Qualifizierten hat es auch viele sehr gut ausgebildete Migranten in die Stadt gezogen. Berlin ist mit vier Universitäten und zahlreichen Fachhochschulen und Forschungseinrichtungen einer der wichtigsten Bildungs- und Forschungsstandorte Deutschlands. Zudem gilt die Hauptstadt als tolerant und kulturell vielfältig.

43 Prozent der in Berlin lebenden Migranten haben Abitur, 39 Prozent verfügen über einen Hochschulabschluss. Bei diesen Indikatoren belegt Berlin mit weitem Abstand Rang eins. Hoch ist auch der Anteil von Migranten in Vertrauensberufen und im öffentlichen Dienst (jeweils elf Prozent).

Beim Vergleich der 20 größten deutschen Städte liegt Berlin auf Platz 10 hinter München, Bonn, Frankfurt, Düsseldorf, Dresden, Hamburg, Heidelberg/Mannheim, Stuttgart und Essen, vor Hannover, Köln, Bielefeld, Leipzig, Wuppertal, Bremen, Bochum/Herne, Dortmund, Nürnberg und Duisburg.

Fazit:
Integration mangelhaft

Wirklich zufriedenstellend sind Migranten nirgendwo in Deutschland integriert. Selbst in den Bundesländern mit den besten Ergebnissen sind Migranten mehr als doppelt so häufig erwerbslos wie Einheimische, und sie hängen mehr als doppelt so oft wie diese von öffentlichen Leistungen ab. In fast allen Bundesländern arbeiten weniger als zehn Prozent der Migranten in sozial verantwortungsvollen und angesehenen Vertrauensberufen – zwei- bis dreimal seltener als Einheimische. Das Ziel, Migranten mit Einheimischen gleichzustellen, ist somit nirgendwo auch nur annähernd erreicht. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern und Städten erlauben jedoch wichtige Erkenntnisse: Eine moderne Wirtschaftsstruktur bietet die besten Voraussetzungen, damit Integration gelingt. Länder und Städte mit einem großen Dienstleistungssektor ziehen nicht nur gut qualifizierte Migranten an, offenbar wirkt dieses Umfeld auch positiv auf die Bildungsanstrengungen der Kinder von Zugewanderten. Die gut platzierten Länder Hessen und Bayern und die Großstädte München, Bonn oder Frankfurt mit vergleichsweise guten Integrationsleistungen verfügen über eine moderne Dienstleistungswirtschaft und Forschungslandschaft und haben entsprechend auch eine besser gebildete Migrantenschicht. Umso bedenklicher bleibt, dass auch an diesen Standorten die weniger gut qualifizierten Migranten keinen Anschluss finden, so dass auch dort die Erwerbslosigkeit relativ gesehen hoch bleibt.

Wo der Strukturwandel weniger gut bewältigt wurde, etwa im Saarland, in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein sowie in Städten wie Duisburg, Dortmund, Bochum/Herne oder Nürnberg, sind Migranten aufgrund mangelnder Bildung besonders von der schlechten Lage am Arbeitsmarkt betroffen. Zudem ist anzunehmen, dass aus solchen wirtschaftlich problematischen Regionen besser qualifizierte Migranten tendenziell abwandern, was die Unterschiede zwischen den Regionen weiter verstärkt. Die absolute oder relative Anzahl von Zugewanderten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung hat kaum Auswirkungen auf die Integrationserfolge. Zwar wurde mit dem Indikator „Migrantenanteil“ ein Gewichtungsfaktor in die Indexberechnung einbezogen, der Bundesländer und Städte mit vielen Zugewanderten einen Bonus verschafft – die Analyse zeigt aber, dass sich die Rangfolge der Integrationsergebnisse auch ohne diesen Indikator kaum verändert.

Hessen und Hamburg, die Bundesländer mit dem höchsten Migrantenanteil, schneiden im Integrationsvergleich am besten ab, auch fällt das multikulturelle Frankfurt unter die drei besten Städte. Die Durchmischung der Migrantenbevölkerung ist der Integration förderlich. Am schlechtesten im Länder- und im Städtevergleich schneiden Regionen ab, in denen einzelne Herkunftsgruppen dominieren. In Duisburg, im Städteindex auf dem letzten Platz, stellen Migranten mit türkischer Herkunft und Aussiedler zusammen zwei Drittel aller Einwohner mit Migrationshintergrund. Im erstplatzierten München gehören nur 22 Prozent zu diesen beiden deutschlandweit größten Gruppen. Auch beim Ländervergleich zeigt sich: je gemischter die Migrantenbevölkerung, desto besser die Integration. Beim Schlusslicht Saarland etwa stellen die beiden größten Herkunftsgruppen – Türkischstämmige und Südeuropäer – etwa die Hälfte aller Migranten. Die Integration der größten Zuwanderergruppen – Aussiedler und Menschen türkischer Herkunft – spielt eine wesentliche Rolle für das Abschneiden im Integrationsindex. Weil Aussiedler generell deutlich bessere Bildungsabschlüsse haben als Türkischstämmige, und weil der Bildungsgrad massiv die Integrationsfähigkeit beeinflusst, unterscheiden sich die Regionen, je nachdem welche der beiden Gruppen überwiegt.

Bei der Ausübung sozial angesehener Berufe macht sich neben dem Bildungsstand und der Lage auf dem Arbeitsmarkt auch die Landespolitik bemerkbar: In Hessen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und dem Saarland liegt der Anteil erwerbstätiger Migranten im öffentlichen Dienst vergleichsweise hoch. Hier hat offenbar die Einstellungspolitik der langjährig sozialdemokratisch regierten Länder Wirkung gezeigt. Politischer Integrationswille wird auch beim hohen Anteil der Migranten mit deutscher Staatsbürgerschaft deutlich. Ein deutscher Pass erleichtert Migranten den Zugang zu Vertrauensberufen. Kulturelle Vermischung steht in positivem Zusammenhang mit Beschäftigung: Wo Migranten vergleichsweise häufig eine Ehe mit Einheimischen eingehen, ist die Erwerbslosigkeit unter Zugewanderten eher niedrig und die Selbstständigenquote tendenziell höher. Bei aller Kritik an der mangelhaften Integration von Migranten zeigen die regionalen und gruppenspezifischen Unterschiede nicht nur Defizite, sondern erzählen auch Erfolgsgeschichten. Generell zeigt sich, dass die Bildung den wichtigsten, stets notwendigen, gleichwohl aber nicht hinreichenden Schlüssel für eine erfolgreiche Integration bildet.

DER PREIS VERFEHLTER INTEGRATION

Die Diskussion um die Integration von Zugewanderten war in Deutschland lange vornehmlich von voreingenommener Ablehnung oder moralischen Erwägungen, aber wenig von pragmatischen Debatten geprägt – ohne dass sich dadurch der Status von Migranten wesentlich verbessert hätte. Im Gegenteil: Vorurteile blockierten oftmals eine sachliche Diskussion des Themas Einwanderung. Ausgelöst durch den demografischen Wandel gewinnen wirtschaftliche Aspekte für die gegenwärtige Integrationsdebatte immer mehr an Bedeutung, denn der Einfluss der Bevölkerungszusammensetzung auf die Ökonomie ist unübersehbar. So ist heute klar, dass es nicht zu vertreten ist, einen Teil der jungen Menschen so schlecht auszubilden, dass sie später fiskalisch gesehen nur wenig zur Volkswirtschaft beitragen können.

Im Prinzip gilt: Zuwanderung kann einer Volkswirtschaft großen Nutzen bringen. Als Arbeitskräfte, aber auch als Konsumenten tragen Einwanderer zum Wirtschaftswachstum eines Landes bei. Im besten Fall bringen Migranten nachgefragte Berufe und Fähigkeiten mit. Die mit ihrer Ankunft wachsende kulturelle Vielfalt erleichtert und inspiriert zudem viele Innovationen. So ist beispielsweise der Aufstieg der USA zur führenden Wirtschaftsnation der Welt nicht denkbar ohne ihre Geschichte als Einwanderungsland. Insbesondere in der jüngeren Entwicklung der USA haben Migranten zur Vitalität und Attraktivität des Wirtschaftsraumes beigetragen und ein Umfeld geschaffen, in dem sich gleichermaßen Talente, Technologie und Toleranz entfalten können. Die Integration der Migranten in den Arbeitsmarkt ist eine wesentliche Voraussetzung, um deren Potenziale ökonomisch nutzbar zu machen. Vielen Ländern – auch Deutschland – ist das in der Vergangenheit nur schlecht gelungen.

Auf der Einnahmenseite eines Staates stehen in erster Linie die Steuern. Die Lohn- und Einkommenssteuer wird in der Regel nur von Erwerbstätigen entrichtet. Hier gilt: je höher das Einkommen, umso höher die zu entrichtenden Beiträge und letztlich die Einnahmen des Staates.

Mehrwertsteuer wiederum ist auf den Erwerb aller Waren und Dienstleistungen zu entrichten – sie ist eine Konsumsteuer. Auch hier gilt normalerweise: je höher das Einkommen, desto höher die Konsumausgaben und entsprechend die staatlichen Einnahmen. Neben Einkommens- und Konsumsteuern fließen außerdem die Beiträge zur Sozialversicherung in die staatlichen Kassen. Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung sowie Lohn- und Einkommenssteuern bezahlen jedoch nur jene, die ein Minimum an Einkommen erzielen. Bei den Migranten wie auch bei den Einheimischen setzt dies eine gelungene Integration in den Arbeitsmarkt voraus.

Bei denen, die über kein Einkommen verfügen, kehrt sich das Einnahmen-Ausgaben-Verhältnis um: Für sie muss im Bedarfsfall der Sozialstaat aufkommen, oft auch ohne dass jemals etwas in die Sozialkassen eingezahlt worden ist. Auf der Ausgabenseite des Staates stehen Zahlungen aus den Sozialversicherungen und Transfers wie Arbeitslosen- und Wohngeld. Auch für Kinder- und Erziehungsgeld sowie Renten und Pensionen muss der Staat aufkommen. Viele weitere Ausgaben sind freilich nur indirekt von Anzahl und Erwerbsstatus der Bürger abhängig und fallen in jedem Fall als Grundlage eines funktionierenden Gemeinwesens an: die Infrastruktur wie zum Beispiel Straßen-, Bahn- und Schifffahrtswege, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sowie das gesamte Bildungssystem, die Gesundheitsversorgung und die Exekutivorgane wie die Polizei und die Landesverteidigung. Die Differenz aus Einnahmen und Ausgaben ergibt die wirtschaftliche Gesamtbilanz der Migration. Für Menschen, die schlecht in den Arbeitsmarkt integriert, also arbeitslos, unterbeschäftigt oder auf Sozialhilfe angewiesen sind, ist diese Bilanz negativ – sie verursachen der Gesellschaft Kosten. Auch für Personen, die deutlich unterhalb ihres Qualifikationsniveaus beschäftigt sind, muss man einen wirtschaftlichen Verlust ausweisen. Er berechnet sich aus dem entgangenen Nutzen, denn diese Menschen könnten ein höheres Einkommen erzielen und mehr Steuern entrichten, wenn sie entsprechend ihrer Ausbildung eingesetzt würden.

Die Gastarbeiter der 1960er Jahre waren für die deutsche Gesellschaft von hohem ökonomischem Nutzen. Sie kompensierten den Arbeitskräftemangel in der Industrie und trugen so erheblich zum Wirtschaftswachstum bei. Sie hatten alle Arbeitsverträge, und weil sie jung waren und ohne Kinder und Angehörige hier lebten, verursachten sie so gut wie keine Kosten. Diese Situation hat sich allerdings vollkommen verändert. Migranten sind heute in allen Bundesländern etwa doppelt so häufig von Arbeitslosigkeit betroffen wie Einheimische und leben weit häufiger von öffentlichen Leistungen. Mit einer derart mangelhaften Integration steht Deutschland freilich nicht allein – viele europäische Länder haben das gleiche Problem.

Integration – kurzfristig Kosten,
langfristig Gewinne

Zugewanderte erzielen zurzeit nicht nur eine schlechte ökonomische Bilanz in der Gegenwart, sondern werden diese bei einer Fortschreibung des Status quo in den kommenden Jahren weiter verschlechtern. Weil Menschen mit Migrationshintergrund einen immer größeren Teil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter stellen werden, vergrößern sich die heute fälligen Kosten in der Zukunft nach dem Prinzip von Zins und Zinseszins: Heute schon wendet der Bund Milliarden von Euro auf, mit dem Ziel, Familien zu entlasten, die Zahl der Geburten zu erhöhen und die Folgen des demografischen Wandels abzufedern. So waren für das im Dezember 2006 eingeführte Elterngeld allein 2008 insgesamt rund vier Milliarden Euro vorgesehen.

Mit solchen Investitionen soll heute einer demografisch begründeten Wirtschaftsschwäche vorgebeugt werden. Was in Zukunft unbezahlbar wird, ist heute vielleicht gerade noch finanzierbar. Eine vergleichbare Präventiv-Kalkulation findet aber im Hinblick auf die Integration bisher kaum statt. Die Anstrengungen zur Integration von Migrantinnen und Migranten in das Bildungssystem und in den Arbeitsmarkt fallen angesichts der großen Probleme und ihrer noch viel größeren Hebelwirkung in der Zukunft bescheiden aus. Zur Förderung der Integration von Zugewanderten, für Integrationskurse und die Erstberatung von Migranten waren für das Jahr 2008 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge insgesamt nur gut 200 Millionen Euro eingeplant. Würde der Staat nur einen Bruchteil der rund 24 Milliarden Euro jährlich, die Arbeitslosigkeit und Sozialhilfebezug in Folge mangelhafter wirtschaftlicher Integration heute kosten, in bessere Integrationsmaßnahmen stecken, ließen sich in einigen Jahren vermutlich deutlich höhere Gewinne erzielen. Denn Aufwendungen für eine bessere Integration von sozial und wirtschaftlich Abgehängten (Migranten wie Einheimischen) sind keine Almosen für Bedürftige, sondern Zukunftsinvestitionen im volkswirtschaftlichen Gesamtinteresse. In einer Gesellschaft, der aus demografischen Gründen die jungen Menschen ausgehen und die daher in den kommenden Jahrzehnten mit einer rückläufigen Zahl an Erwerbsfähigen zu kämpfen haben wird, ist es fahrlässig, die vorhandenen Potenziale massiv zu missachten und verkümmern zu lassen.

Und nicht allein das: Eine gute Integration der zum heutigen Zeitpunkt in Deutschland lebenden Migranten ist auch eine Voraussetzung für den sozialen Frieden im Land und erleichtert die künftige Zuwanderung von hoch Qualifizierten, nach denen die Wirtschaft bereits heute dringend sucht. Ein Staat mit sichtbar schlechten Existenzbedingungen für Migranten kann kaum einladend auf Menschen wirken, die im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte zunehmend die Wahl haben, wo sie sich niederlassen.

Um in diesem Wettbewerb zu bestehen, müsste beispielsweise die Idee der europäischen Blue Card umgesetzt werden. Nach diesem Modell würde der gesamte Arbeitsmarkt der EU allen hoch qualifizierten Bewerbern offen stehen.

Seit Pisa, seit einer Reihe von Integrationsgipfeln und der Islamkonferenz wird in Deutschland intensiver über Integration gesprochen. Dazu gehört auch, dass alle Beteiligten konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Lage von Migranten einfordern. Einige davon werden schon seit Jahren und auch in anderen Zusammenhängen geäußert, so wie die Auflösung des starren dreigliedrigen
Schulsystems. Manche Vorschläge wurden inzwischen zumindest ansatzweise umgesetzt, wie die vereinfachte Einbürgerung durch das neue Staatsangehörigkeitsrecht von 2000. Die Realität ist von einer Politik der kleinen Schritte bestimmt. Sie hat bislang zu wenig Bewegung in die Integrationslandschaft gebracht, auch wenn viele Debatten stattfanden. Statt diesen weitere einzelne Vorschläge hinzuzufügen, hat das Berlin-Instituteinige zentrale Herausforderungen für die künftige Integrationspolitik beschrieben, die sich aus der Studie ergeben.

Die vorliegende Analyse zeigt, dass die Integration je nach Herkunftsgruppe unterschiedlich verläuft und zu verschiedenen Ergebnissen führt. Der IMI macht darüber hinaus deutlich, in welchen Bereichen, etwa Bildung oder Arbeitsmarkt, spezifische Defizite dieser Gruppen zu finden sind. Deshalb wird eine allgemeine, für alle Migranten gültige Integrationspolitik kaum zu den erwünschten Erfolgen führen. Vielmehr ist es notwendig, sich den verschiedenen Herkunftsgruppen mit maßgeschneiderten Integrationskonzepten zu nähern.

Es zeigt sich, dass beispielsweise der Herkunftsgruppe der Aussiedler, deren Defizite hauptsächlich im Bereich der höheren Bildung liegen, am meisten geholfen wäre, wenn die jungen Menschen unter ihnen zu höherer Bildung motiviert würden – beispielsweise mittels Stipendien oder dualen Ausbildungsprogrammen, in denen Lehre und Studium Hand in Hand gehen. Da viele der jungen Aussiedler selbst zugewandert sind, muss ihnen zunächst das deutsche Bildungssystem näher gebracht und vorhandene Schulabschlüsse anerkannt werden. Anders als die Aussiedler sind die Türkischstämmigen und auch die Migranten aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens meist mit niedrigem Bildungsstand eingewandert.

Es gibt jedoch kein Argument, dass sich an diesem Niveau auch bei den nachfolgenden Generationen so wenig ändert, wie es tatsächlich geschieht. Gerade junge Türkischstämmige müssen die Erfahrung machen, dass ein höherer Bildungsabschluss mit Erfolg belohnt wird – auf dem Arbeitsmarkt und
in der Gesellschaft.

Die Integrationserfolge der teilweise sehr gut gebildeten Herkunftsgruppen aus dem Nahen und dem Fernen Osten sowie aus Afrika lassen vor allem auf dem Arbeitsmarkt zu wünschen übrig. Oft sind es Akademiker, die keine Jobs finden. Hier fehlt es an der Anerkennung von in der Heimat erworbenen Qualifikationen beziehungsweise Studienabschlüssen. Zusätzlich sollten effiziente und
unbürokratische Nachqualifizierungsprogramme angeboten werden.

Einbürgerungen zu erleichtern, ist
ein Signal an Migranten, dass sie
willkommen und erwünscht sind.

Dazu gehört, dass in Deutschland geborene Kinder, unabhängig von der Herkunft oder dem Pass ihrer Eltern, die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Diese Einbürgerung nach dem ius soli (Geburtsortsprinzip) dient in Frankreich oder in den Vereinigten Staaten dazu, dass sich Migranten schneller und besser mit der Aufnahmegesellschaft identifizieren. Unabhängig der Herkunft gibt es eine bestimmte Untergruppe von Migranten, die sich aus verschiedenen Gründen der Integration widersetzt. In dieser Gruppe finden sich vermehrt junge – überwiegend männliche – Bildungsverweigerer sowie Personen, die hiesige Gesetze, unter anderem in Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen und Männern missachten, die der Aufnahmegesellschaft feindlich gegenüberstehen, fundamentalistische Ideen durchsetzen wollen oder kriminell werden. Diese Gruppe der Rechtssprechung, den Jugendstrafanstalten und den Abschiebegesetzen zu überlassen, löst das Problem nicht. Konzepte für diese Problemgruppe zu erarbeiten, sprengt die Möglichkeiten dieser Studie. Doch es ist notwendig, dass Politik, Zivilgesellschaft und Sozialwissenschaft gemeinsam an solchen Fragen arbeiten.
Anmerkungen:

Es lohnt sich, die komplette Studie zu lesen, auch wenn dies nicht dazu beiträgt, besonders froh gelaunt in die Zukunft zu schauen. Die Studie ist auch eine Auflistung von Versäumnissen der Politik und der Gesellschaft. Zu lange hat man die Migranten allein gelassen und sie machen lassen, was sie wollten. Einwanderungspolitik darf nicht darauf bauen, dass sich alles schon irgendwie entwickeln und richten werde. Einwanderungspolitik braucht Vorgaben. Der Staat muss wissen, wo er hin will. Einfach Fremde ins Land zu holen und sich dann an ihren folkloristischen Darbietungen zu erfreuen, ist zu wenig. Generationen von Politikern haben das Problem verpennt. Ob die Studie zum Aufwachen und vor allem Handeln beiträgt, ist mehr als fraglich. Eher ist davon auszugehen, dass irgendwann die Blase platzt und es hier zu bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen kommt. Irgendwann wird es in der Parallelgesellschaft zu langweilig und irgendwann hat die Ursprungsgesellschaft genug von dem kleinen, aber äußerst auffälligen und aggressiven Teil der Einwanderer. Es muss hart daran gearbeitet werden, dass dieser kleine Teil nicht größer wird und der bestehende unter Kontrolle kommt. Das muss eine Gemeinschaftsaufgabe sein, denn die Mehrheit der integrierten Einwanderer erträgt die Störer ebenso wenig wie die Ursprungsgesellschaft.



  
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